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8. Die Nervenfasern (Fig. 19, 20, 21 n) dringen durch die häutige Wand, theils einzeln, theils zu kleineren
Bündeln gesammelt, mit Myelin- und Schwannscher Scheide versehen. Beim Heraustreten aus der Wand scheinen
sie die letztere Scheide abzugeben, die Myelinscheide behalten sie aber noch eine Strecke, indem sie mehr oder
weniger senkrecht wischen den Fadenzellen aufsteigen; einige biegen sich ziemlich früh um, die meisten aber erst
etwas unter den unteren Enden der Haarzellen. Dann laufen sie mit Myelinscheide versehen eine kürzere oder
längere Strecke horizontal im Nervenepithel fort. Auf Verticalschnitten des in Ueberosmiumsäure erhärteten Nervenepithels
(Fig. 20, 21 n) sieht man die myelinhaltigen Nervenfasern theils als aufsteigend, theils durchgeschnitten,
theils horizontal unter den Haarzellen verlaufend; zwischen ihnen schmiegen sich die Stützzellen empor, mit ihren Kernen
in den Zwischenräumen der Nervenfasern liegend. Nur sehr selten theilen sich die Nervenfasern noch innerhalb
der häutigen Wand; ebenfalls nicht oft sogleich nach dem Austritt ins Nervenepithel. Die Theilung geschieht gewöhnlich
erst höher oben, unter den Haarzellen; entweder spaltet sich die Nervenfaser dabei in zwei etwa gleichdicke
Fasern, oder auch sendet sie nur einen schmalen Zweig aus, um bald wieder neue feine Zweige nach oben
hin auszuschicken. Nach kürzerer Behandlung mit Müllerscher Lösung lassen sich die Nervenfasern leicht in grossen
Büscheln aus dem Nervenepithel ausziehen. In der Fig. 19 habe ich ein solches Bild gezeichnet. Man ersieht
hieraus, wie die dickere Faser, von welcher die Myelinscheide abgefallen ist, dichotomisch sich theilend, feine Fä-
serchen meistens nach oben hin absendet; diese Fäserchen sind oft mit varicösen Erweiterungen versehen, und an
den Theilungstellen sieht man nicht selten kleine dreieckige, verbreiterte Partien; in den Nervenfasern selbst ist
die fibrilläre Streifung sehr deutlich hervortretend. Einen büschelförmigen Zerfall der Nervenfasern-Axencylinder sah
ich nie. Netze, wie sie Eüdinger beschrieben hat, sah ich ebenfalls nie, ebenso wie im ganzen nie wirkliche Anastomosen
der Nervenfasern und ihrer Zweigfäserchen.
Wie verhalten sich nun aber diese Nervenfäserchen zu den im Epithel befindlichen übrigen Elementen ?
Zwischen den Nervenfasern und den Fadenzellen fand ich nie eine wirkliche Vereinigung, nur eine Juxtaposition,
ein Ankleben. Aber ebensowenig gelang es mir jetzt wie früher einen ganz sicheren Zusammenhang der Nervenfäserchen
mit den unteren Ausläufern der Haarzellen zu sehen. Höchst wahrscheinlich scheint mir jedoch immer eine solche
directe Verbindung zu sein, besonders aus dem Grunde, dass ein solches Verhältniss bei den höheren Wirbelthier-
classen von Hasse, mir selbst u. A. wiederholt dargelegt wurde. Ich habe nichts gefunden, was die von Kuhn
neulich angenommene Endigungsweise bestätigt; ebenso wenig als ich eine wirkliche Arerbindung der Nervenfasern
mit Fadenzellen sah, fand ich eine wirkliche Verbindung der letzteren mit den Haarzellen; ferner fand ich
nicht das von Kuhn geschilderte Netz der Fadenzellen. Ich kann deswegen die Fadenzellen gar nicht für Nervenendigungen
halten. Ebenfalls liegt kein Grund vor, ein Auslaufen der Nervenfasern bis zur Epitheloberfläche anzunehmen
. Ich muss also meiner früheren Darstellung und Auffassung treu bleiben. Endgültig ist jedoch die
Frage von der schliesslichen Endigungsweise der Hörnerven in den Cristse und Maculae acusticse beim Barsche, wie
bei den Knochenfischen überhaupt, nicht entschieden; dazu ist eine Präparationsweise nothwendig, wodurch sich
die Endelemente des Nerven in sicherer Verbindung mit den Nervenfäserchen darstellen lassen.
Das Gehörorgan der Perca fluviatilis kann hier als Typus der Knochenfische gelten, und ich finde es deswegen
überflüssig, die übrigen von mir untersuchten Eepräsentanten dieser grossen Thiergruppe in der fraglichen
Beziehung eingehender zu beschreiben, da es aus allen meinen Studien hervorgeht, dass eine grosse Uebereinstim-
niung, zwar nicht so viel in der äusseren Gestalt, als besonders in der morphologischen Zusammensetzung und im
feineren Bau unter ihnen herrscht. Ich werde also, unter Hinweisung auf die besser als jede Beschreibung belehrenden
Abbildungen, hier nur die morphologischen Eigenthümlichkeiten im membranösen Gehörorgane der vorliegenden
Thiere einzeln hervorheben. In Betreff der knorpelig-knöchernen Kapsel, in welcher das Gehörorgan liegt,
sind so unwesentliche Differenzen vorhanden, dass sie nur ausnahmsweise besprochen werden soll. Beim Hecht
werde ich jedoch auf diese Frage, sowie auf den feineren Bau, noch einmal zurückkommen.
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