http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1881-1/0098
82
Das Gehörorgan von Clupea harengus L.
Tafel XIV. Fig. 7—9.
Das membranöse Gehörorgan der Clupea wurde schon mehrmals von Anatomen untersucht, und man hat
an demselben in der That sehr eigenthümliche Einrichtungen beschrieben. So fand, wie oben erwähnt wurde, E.
H. Weber eine quere Verbindung der beiderseitigen häutigen Gehörorgane, indem unter dem Gehirn ein querer,
häutiger Canal die vorderen Enden des Vestibulum (Becessus utriculi sp. Aut.) des rechten und linken Ohres in der
Weise mit einander vereinigt, dass Injectionen des einen in das andere führen. Ferner schickt nach Weber derselbe
Theil (ßecessus utriculi) einen Appendix nach aussen, durch welche die Schwingungen der Schwimmblase vom
Gehörorgan aufgefasst werden können. Breschet scheint zwar nicht den letzteren Anhang gesehen zu haben; dagegen
erkannte er die untere Verbindung der beiden Grehörorgane und legte noch eine obere quere Verbindung
derselben hinzu, so dass dadurch eine ringförmige Verbindung der beiden Organe um das Gehirn herum entstehe.
Hasse bestritt das Vorhandensein sowohl des nach aussen ziehenden Appendix des Eecessus utriculi als auch der
unteren, queren, canalförmigen Verbindung der beiden Eecessus, und in Betreff der oberen queren Verbindung gab
er eine genauer definirte Beschreibung; es findet sich nach ihm etwas unterhalb der unter den Knochen des Schädeldaches
gelagerten Spitze der Bogengangscommissur eine hinter dem Mittelhirn, oberhalb des Nachhirns, gelegene,
bogenförmig von einer Commissur zur anderen ziehende Bohre, welche die Aquaeductus vestibulorum aufnimmt und
in welcher diese mit einander verschmelzen, wodurch in der That eine Art Verbindung der beiden Gehörorgane
entstehe. Ausserdem sind von Weber, Breschet und genauer von Hasse im knöchernen Schädel jederseits zwei
blasige, lufthaltige Bäume beschrieben worden, welche durch Kanälchen mit dem vorderen Ende der Schwimmblase
in Zusammenhang stehen sollen. Und endlich hat man hier eine, das erste Homologon des Eoramen ovale s. vestibuläre
darstellende Oeffnung beschrieben, welche dadurch entstehe, dass das Prooticum, Opistoticum und das Occipitale
basilare sich unten nicht nahtförmig vereinigen, sondern nur eine zarte Membran der Schleimhaut des Bachens die
Oeffnung überziehe. Dies seien die besonderen Eigenthümlichkeiten des Gehörorgans der Clupea.
Nehmen wir nun zuerst das frei präparirte membranöse Gehörorgan in Betrachtung. Es zeichnet sich
bei erster Ansicht durch eine auffallende Höhe und Kürze aus. Man unterscheidet an ihm folgende Theile: Utriculus
mit Sinus superior, Eecessus utriculi, Ampulla anterior, Ampulla externa, Ampulla posterior, die entsprechenden
drei Bogengänge, Sacculus mit Ductus endolymphaticus, Lagena cochlecc.
Von Nervenendstellen sind sieben vorhanden, nämlich: Macula ac. recessus utriculi, drei Cristce ac. ampul-
larum, Macula ac. sacculi, Papilla ac. lagence und Macula ac. neglecta.
Der kurze Acusticus theilt sich sogleich in einen Bamus anterior, welcher in den Bamulus amp. anterior is,
den Bamulus amp. externce und den Bamulus rec. utriculi sich verzweigt, sowie Bündel zum Bamulus sacculi ab-
giebt; und in einen Bamus posterior, welcher den eigentlichen Bamulus sacculi nach unten sendet und sich dann,
nach hinten ziehend, in den Bamulus lagence und Bamulus amp. posterioris theilt, wozu noch ein zweigetheilter
Bamulus neglectus aus dem letzteren Zweig entspringt.
Der Utriculus (Fig. 7, 8 u) ist eine sehr kurze, recht hohe, horizontale Bohre, deren Wand aussen und
unten durch eine unregelmässig geformte Spange festen, knorpelartigen Gewebes (Fig. 7, 8 Jen) verdickt ist; nach
oben sendet er den verhältnissmässig sehr hohen Sinus superior utric. (Fig. 7, 8 ss); dieser endet oben, nach
der Aufnahme der beiden verticalen Bogengänge, mit einem sehr kurzen Apex. Vorn geht der Utriculus direct, im
ganzen wenig erweitert, in den Becessus utriculi (Fig. 7, 8 rec) über, an dessen wenig vertieftem Boden die ungefähr
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1881-1/0098