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nenseite des häutigen Gehörorgans belegene, aufsteigende Cavität, welche an ihrem oberen Ende nach hinten umbiegt
, sich dann unter der Kopfhaut zu einem Canal verschmälert und mit Meiner Oeffnung oben an derselben
mündet; dieser mit einer Membran bekleidete Canal communicirt unten mit dem membranösen Gehörorgan vermittelst
einer linienbreiten Oeffnung, wie auch mit dem hinteren halbcirkelförmigen Canal, indem er sich in dessen
untere Ampulle fortsetzt. Deswegen will Breschet diesen Gang als den »Aquaeductus vestibuli» der höheren
Thiere betrachten. Der zweite von ihm untersuchte Hai ist der Squalus canicula L. Das membranöse Gehörorgan
desselben ist durch eine knorpelige Wand von der Schädelhöhle abgetrennt. Der Sack ist von dem »Sinus median»
kaum zu trennen und enthält eine weisse, amylumartige Substanz. Es giebt hier keine freie Communication mit der
Aussenwelt, ausser dem von einer fibrösen Membran geschlossenen und von der äusseren Haut bedeckten Fenster;
Breschet fand hier also kernen »Canal ascendant». In einer Note fügt er aber hinzu, dass er später bei vielen
Haien constant das Vorhandensein von Communicationsöffnungen zwischen dem »Sinus median» und der Aussenwelt
gefunden habe.
Letdig1 sah bei den Haien das häutige Gehörorgan sich auf beiden Seiten in einen Canal bis zur äusseren
Haut fortsetzen und dort sich öffnen; dieser Canal ist schlingenförmig verlängert, manchmal auch etwas erweitert
und dringt durch je eine eigene Oeffnung im Schädeldach. Was die histologische Beschaffenheit des häutigen
Canals betrifft, so besteht er aus Bindegewebe mit eingemischtem, schwarzem Pigment; seine Innenfläche ist mit
einem Cylinderepithel überzogen und sein Lumen mit Otolithen angefüllt. Das Grundgewebe des häutigen Gehörorgans
ist eine helle, theils mehr homogene, theils mehr faserige Bindesubstanz, in welcher viele Kerne nachgewiesen
werden können; die innere Fläche ist von einem hellen Epithel bekleidet. Die Nervenfibrillen endigen nicht
schlingenförmig da, wo man dies früher annahm, sondern die breiten Primitivfasern verschmächtigen sich allmählig
bis um das Zehnfache; wie die sehr fein gewordenen Fasern endigen, konnte ar aber nicht erledigen.
Max Schultze, 2 welcher die Endigungsweise des Hörnerven im membranösen Labyrinth der Plagiostomen
(Kaja clavata und Spinax Acantliias) sowie der Fische überhaupt zuerst genauer untersuchte, hat über die Verhältnisse
bei den beiden erwähnten Plagiostomen eine gemeinsame Beschreibung gegeben, aber dabei sogar die der Baja clavata
etwas eingehender berücksichtigt; ich gebe deswegen bei den Bochen eine nähere Darstellung seiner Angaben und
beschränke mich hier auf eine etwas kürzere Erwähnung derselben. Die in jeder Ampulle quer vorspringende Leiste,
welche zuerst Max Schultze »Crista acustica» genannt hat, verbreitert sich knopfförmig nach beiden Enden. Zu
jeder Crista geht ein Nervenzweig, dessen Nervenfasern alle in sie eintreten; kurz ehe sie die Grenze des Bindegewebes
erreichen, verlieren sie ihr Mark und verschmälern sich bis auf ihre Axencylinder, welche die homogene, oberste
Bmdegewebslage durchbrechen und nackt in das dicke Epithel eintreten, worin sie sich mehrfach in feinere A estchen
theilen. Das Epithel der Crista ist nach Schultze mehrschichtig; es besteht aus drei Arten von Zellen, nämlich:
den mit breiter kernführender Basis an der Bindegewebslage stehenden, nach oben spitz auslaufenden Basalzellen,
ferner den an der Oberfläche des Epithels stehenden, cylindrischen CylinderepitJieliahellen, und endlich den viel zahlreicheren
Fadenzellen mit zwei feinen Ausläufern, nämlich einem peripherischen, etwas dickeren und einem centralen'
verschwindend feinen, welcher zwischen den Cylinderepithelialzellen zu Tage tritt. Max Schultze fand, dass die Fadenzellen
die grösste Aehnlichket mit den Biechzellen der Begio olfactoria haben und wollte sie am ehesten für die Nervenendigungen
halten. Am Epithel der Crista acustica fand er nun aber auch frei von demselben ausragende, dicht
und ganz gerade neben einander stehende, äusserst feine, steife lange Haare; sie waren in die Epitheloberfläche eingepflanzt
, er konnte jedoch keinen sicheren Zusammenhang zwischen ihnen und den Fadenzellen, noch weniger mit
den anderen Zellen wahrnehmen; bei Wasserzusatz sah er das Haar in einen vorher nicht sichtbaren, zwischen den
übrigen Elementen eingebetteten, stark lichtbrechenden, kernlosen Körper zweifelhafter Natur übergehen. In den
beiden Otolithensäcken fand Max Schultze an den Nervenausbreitungen ein mehrschichtiges Epithel von ganz demselben
Bau; bei den Haien scheint er hier aber gar keine frei ausragenden Haare gefunden zu haben. Das Nerven -
epithel ist nach den Seiten scharf begrenzt und setzt sich in ein gewöhnliches Plattenepithel fort.
Auf die Beschreibungen und Abbildungen seiner Vorgänger ebenso wie auf eigene Untersuchungen gestüzt,
bat Hasse3 in seiner zusammenfassenden Darstellung vom Gehörorgan der Vertebraten auch das der Plagiostomen
' Fr. Leydig, Beitrüge zur mikroskopischen Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Rochen und Haie. Leipzig 1852.
| Max Schultze, Ueber die Endigung stveise des Hörnerven im, Labyrinth. Joh. Müleer's Archiv f. Anat. Phys. und wissensch. Medicin, 1858.
3 C. Hasse, Die vergleichende Morpologie und Histologie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere nebst Bemerkungen zur vergleichenden
tysiologie. Supplement zu Hasse's »Anatomische Studien». Band I. Leipzig 1873.
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