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nen als die anderen Ampullen ist, der vorderen Ampulle aber ihrer Gestalt nacli sehr ähnelt, wendet sich nach hinten
und etwas nach aussen, ihr gewölbtes Dach nach oben und ihren der Quere nach eingesenkten Boden mit dem
Septum und der Crista acustica, zu welcher der Ramulus ampullce posterioris von vorne kommend sich sattelförmig
verbreitet, nach unten führend. Das Septum und die Crista sind mit denen der vorderen Ampulle übereinstimmend
; auch hier findet sich eine später näher zu beschreibende Cupula terminalis (Taf. XIX Fig. 9 cu, Fig. 11,
12). Die Ampulle geht dann in den hinteren Bogengang, Canalls m. posterior (cp) über, welcher, noch weiter sich
verschmälernd, aber cylindrisch und von ungefähr derselben Breite als der vordere Bogengang, sich nach aussen-oben
und dann nach vorn-oben-innen biegt, um, wiederum stark gebogen, sich nach unten zu wenden, oder, vielleicht richtiger
, in die obere Hälfte der oben geschilderten, kurzen und weiten Röhre überzugehen, welche sich durch den Ductus
canalis posterioris in den Sacculus öffnet. Der hintere Bogengang bildet also beim Haie gewissermassen einen ganzen,
in sich selbst abgeschlossenen Zirkelgang, welcher nur mittelst der geschilderten Oeffnung gegen den Sacculus hin
mit dem übrigen Gehörorgane communicirt. In wieweit aber diese ganze Zirkelröhre wirklich morphologisch dem hinteren
Bogengang zukommt oder nicht eher ein Theil derselben der Partie des Utriculus und Sinus utriculi entspricht,
mit welcher bei den Knochenfischen der hintere Bogengang zusammenhängt, will ich hier unentschieden lassen, da
es wahrscheinlich nur durch die Enwickelungsgeschichte entschieden werden kann. Im letzteren Falle würde die
Abtrennung des hinteren Bogengangs beim Haie, wie beim Kochen, durch eine während der Entwickelung geschehene
Abschnürung des Utriculus und Sinus utriculi in zwei getrennten Bohren nach ihrer Längenrichtung erklärt werden
; dies ist ja sehr wahrscheinlich; dadurch erklärt sich der Umstand, dass bei den Plagiostomen der sog. hintere
Bogengang mit dem Sacculus zusammenhängt. Die Lage der Macula neglecta ist ein starker Beweis für diese Ansicht.
Es bleibt noch der vom Sacculus her kommende Gang (Taf. XVIII Fig. 1, 2 de) zu schildern übrig, welcher
als eine Verlängerung der hinteren-oberen — durch eine niedrige, von den Bändern der Utriculusspalte nach
dem Ductus canalis posterioris verlaufende Firste gleichsam etwas abgetrennte — Partie des Sacculus sich stark verschmälernd
nach oben steigt, und zwar dicht vor der Verbindungsröhre des hinteren Bogengangs und gleich nach innen
vom Sinus utriculi superior. Dieser Gang oder Bohre, welche, wie Hasse zuerst entschieden hervorgehoben hat,
den Aquaeductus vestibuli oder Ductus endolymphaticus bildet, steigt in gerader Bichtung nach oben, verlässt die Kapsel
des membranösen Gehörorgans durch das oben beschriebene Loch in der Knorpelwand des Schädels, biegt sich in fast
geradem Winkel nach vorn und erweitert sich dabei zu einer kleinen, sackförmigen, allem Anscheine nach dem
Saccus endolymphaticus (se) entsprechenden Abtheilung, wonach sie, Avieder schmaler werdend, sich schnell nach hinten
, etwas nach oben und dann fast gerade nach oben mit nur geringer Neigung nach hinten wendet, um, die Haut
(ha) durchbohrend, zur äusseren Hautoberfläche hinauszudrängen und dort mit einer kleinen runden Oeffnung (ade) zu
münden. Dieser ganze Apparat entspricht dem bei der Chimgera, aber auch dem unten bei den Rochen geschilderten,
er ist jedoch beim Haie einfacher, besonders dadurch, dass der Saccus endolymphaticus bedeutend kleiner und weniger
abgesondert ist. Wie bei den Bochen enthält er eine Ansammlung von Kalkkrystallen, welche beim Andrücken
der Haut in der Umgebung der Ausführungsöffnung leicht ausfliessen, und zwar schon bei dem ganz lebendigen
Thiere. Dass übrigens der ganze Canal offen und an keiner Stelle seines Verlaufes abgesperrt ist, geht daraus hervor,
dass sich die unten bald näher zu beschreibende Epithelbekleidung an seiner ganzen Innenfläche ununterbrochen vom
Sacculus bis zur Hautöffnung fortsetzt. Auch beim Haie bildet also der Ductus endolymphaticus keinen geschlossenen
Blindsack, sondern eine Röhre, welche den Sacculus, d. h. das ganze membranöse Gehörorgan, mit dem äusseren
Medium, dem Meereswasser, in welchem das Thier lebt, in offene Verbindung setzt. Ich habe durch Injectio-
nen mit der Richardsonschen blauen Flüssigkeit mich ganz bestimmt davon überzeugt; die Flüssigkeit drang von der
Hautöffnung her immer sehr leicht in den Sacculus hinein und von da weiter in das übrige membranöse Gehörorgan.
Die Hautöffnungen der endolymphatischen Gänge der beiden Gehörogane liegen beim Haie an der Oberfläche
des Kopfes ganz nahe an einander und werden hier ohne Schwierigkeit mit blossem Auge wahrgenommen.
Dass sich ein kleiner, spindelförmiger, quergestreifter Muskel, Muscidus ductus endolymphatici, auswendig an
dem geknickten, erweiterten Theile, dem »Sacke», des endolymphatischen Ganges von hinten her kommend inserirt
(Taf. XVIII Fig. 4, 5 mde), wurde schon oben erwähnt.
Ich gehe jetzt zu der Darstellung der feineren, histologischen Verhältnisse des membranösen Gehörorgans
von Acanthias vulgaris über. Die Wand desselben besteht aus einem derben und durchsichtigen Gewebe, welches bei
verschiedenen Partien von sehr wechselnder Dicke ist; bei den drei Bogengängen — mit Ausnahme des vorderen-
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