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wenigstens habe ich keine gefunden. Meiner Ansicht nach sind sie nicht zur Entwicklung gekommen. Weder am
Sacculus und der Lagena noch im Eecessus utriculi, noch an den Ampullen giebt es Spuren von wirklichen Ner-
venendstellen. Vom Acusticus selbst glaube ich jedoch möglicherweise eine rudimentäre Anlage gefunden zu haben.
Am oberen Ende des Gehörorgans an der medialen Fläche desselben tritt durch die Kapselwand ein dickes Bündel
von schmalen Bohren ein; diese scheinen bei genauerer Untersuchung länglich-ovale Zellgebilde zu enthalten,
und ich glaubte in ihnen zuerst nur Blutgefässe vor mir zu haben. Das Eöhrenbündel geht von einem Häutchen
umgeben gerade nach unten, der medialen Fläche des Gehörorgans anliegend. Am Sacculus trennen sich nun
die Köhren etwas von einander, biegen sich um und laufen denselben Weg zurück. Dass kein wirklicher
Acusticus vorliegt, ist offenbar; es ist aber nicht unmöglich, dass das Bündel ein in etwaiger Weise umgewandeltes
Eudiment desselben darstellt. Um diese Frage zu entscheiden ist besser präparirtes Material nothwendig; an meinen
Spiritusexemplaren war die Entscheidung nicht möglich. Ausser dem erwähnten Bündel dringen aber auch wirkliche
Blutgefässe zum membranösen Gehörorgan ein; ein solches Gefäss (Fig. 7 lg) begleitet jederseits das Bündel und
verzweigt sich mit vielen Zweigen über die Oberfläche des membranösen Gehörorgans (Fig. 7).
Meiner Ansicht nach geht also der Coecilia annulata ein wirkliches Gehör ab, was ich um so mehr hervorhebe
, als zuweilen in der Literatur die Angabe gefunden wird, dass dieses Thier eine ziemlich gute Gehörempfindung
haben dürfte.
Man fragt sich aber, welcher Abtheilung der Amphibien die Coecilia in Betreff ihres Gehörorgans angehört
oder am nächsten steht. In der That fehlen uns sichere Anhaltspuncte für die Entscheidung dieser Frage. Die
bedeutendere Höhe des Gehörorgans stimmt mehr mit den Verhältnissen bei den Anuren überein; dies ist aber nur
ein äusseres und nicht wichtiges Merkmal und wird wohl durch andere Umstände widerlegt. Durch das Studium des
membranösen Gehörorgans von Coecilia erhält man mithin keine Erläuterung in Betreff der phylogenetischen Stellung
der Gymnophionen. Man erhält aber ein merkwürdiges Beispiel von einem rudimentären Gehörorgan, gerade
so wie man bei Proteus ein Beispiel von rudimentärem Gesichtsorgan hat.
Da also am membranösen Gehörorgan keine sichere Anhaltspuncte für die Verwandschaft der Coecilia mit den
übrigen Amphibien vorliegen, habe ich seine Beschreibung zwischen die der Urodelen und die der Anuren gestellt.
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