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man die verhältnissmässige Grösse und Lage der einzelnen Theile absieht, gewiss eine ganze Eeihe von Typen aufgestellt
werden kann. Ich will hier u. a. auf die wechselnde Grösse des Sacculus hinweisen, die bei Gobius und
Trachinus sehr bedeutend, bei Zeus sehr gering und bei Exocoetus auf ein Minimum reducirt ist; ferner auf die
ebenfalls wechselnde Grösse der Lagena, welche bei Esox und Belone kaum vom Sacculus abgegrenzt ist, bei anderen
, z. Bsp. bei Pagellus, Scomber, Clupea, eine relativ bedeutende, taschenförmige Ausstülpung bildet, und wieder
bei anderen, z. Bsp. Gadus, Lophius, Eaniceps, flaschenförmig mit schmalerer Bohre in den Sacculus einmündet.
Wenn man dann noch die verschiedene Länge und Gestalt der Bogengänge, wie z. Bsp. bei Clupea einerseits, bei
Lophius und Cyclopterus andererseits, und endlich die verschiedene Lage des Sacculus, z. Bsp. (he bedeutende Höhe
und das Hinaufragen desselben bei Gobius, die höchst merkwürdige Abtrennung von der Pars superior und das
Hinabrücken des genannten Theils bei Anarrhicas berücksichtigt, so kann man gewiss der äusseren Gestalt nach sehr
verschiedene Typen aufstellen. Dann kommen noch die sonderbaren Formen hinzu, welche die Lophobranchier (Siphonostoma
, Hippocampus) darbieten, bei denen sogar — im voUen Gegensatz zu dem eben erwähnten Verhältnis« bei
Anarrhicas — keine Abtrennung in eine Pars superior und inferior existirt, sondern beide ganz offen in einander
münden und von den Bogengängen wenig oder fast nichts übrig ist. Im ganzen lässt sich wohl behaupten, dass
in keiner Abtheilung'der Wirbelthiere, wenigstens in keiner Unterclasse, eine so grosse Mannigfaltigkeit und Wech-
selung der Gestalt, ein solches Streben der Natur, verschiedene Formen zu bilden, vorkommt, wie gerade bei den
Teleostiern, obwohl in den schärfer abgegrenzten Familien, wie z. Bsp. Pleuronectoidei, Siluroidei, eine bestimmtere
Fixirung des Typus auch bei dem Gehörorgan eingetreten ist.
Ich habe soeben die wichtige Frage vom Zusammenhang der Pars superior und inferior berührt, In meiner
älteren Arbeit über das Gehörorgan der Knochenfische gab ich an, dass bei einigen, z. Bsp. Esox, Cyprinus, An-
guilla, eine offene Bohre, ein Canalis communicans s. utriculo-saccularis vorhanden ist, bei anderen aber, z. Bsp. Perca,
Pleuronectes, Coregonus, Gadus, eine solche Verbindung im erwachsenen Zustande nicht existirt. Entgegen diesen
meinen Angaben behauptet Hasse1, insofern ich ihn richtig verstehe, dass eine enge Communication hier bei allen
Fischen vorhanden ist. Bei genauem Studium der Knochenfische finde ich aber meine vorige Angabe in interessanter
Weise bestätigt. Unter den 33 oben beschriebenen Teleostiern findet sich diese Verbindung nur bei 11,
also bei einem Drittel derselben; bei zwei (Clupea und Coregonus) ist sie noch als verdünnte Stelle der Wandung
angedeutet. Bei den übrigen 20 ist von ihr keine Spur mehr vorhanden. Wenn man andere Arten und Genera
derselben Familien untersucht, findet man übereinstimmende Verhältnisse wieder. So z. Bsp. verhält sich Molva ganz
wie Gadus; Pleuronectes und Ehombus ganz wie Solea u. s. w. Ordnet man nun die fraglichen Teleostier nach dem
Vorkommen des Canalis utriculo-saccularis in zwei Gruppen, so findet man auch, dass im ganzen bei den Acanthopteri
(Gasterosteus ausgenommen), Fharyngognathi und Anacanthini dieser Canal fehlt, während er bei den Plnjsostomi
(bei Coregonus und Clupea ist er, wie erwähnt, nur durch eine verdünnte Wandstelle vertreten) und Plectognatlü vorhanden
ist und bei den Lophobranckii so offen erscheint, dass man nicht mehr von einem Canal sprechen kann.
Ich lasse hier die Tabelle folgen.
Der Canalis utriculo-saccularis oder im ganzen eine Verbindung zwischen Pars superior und inferior:
ist vorhanden bei.
Acanthopteri:
Acanthopteri:
fehlt bei:
Perca fluviatilis.
Lucioperca Sandra,
Mullus barbatus.
Pagellus centrodontus.
Scomber Scomber.
Zeus faber.
Trachinus draco.
Lophius piscatorius.
Trigla gurnardus.
Cyclopterus lumpus.
Gobius niger.
1 C. Hasse, Die vergleichende Morphologie und Histologie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere. Suppl. zu den anatom. Studien herausgeg.
von Dr C. Hasse, Leipzig 1873.
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