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jedoch der Bau des Gehörorgans der verschiedenen Schildkrötenformen derselbe zu sein. Da Kuhn ausserdem in
spätester Zeit noch die histologischen Verhältnisse des Schildkrötenohres in ausführlicher Weise besonders gewürdigt hat,
so finde ich es angemessen, hier nur eine ganz gedrängte Darstellung des bezüglichen Organes zu geben, um dabei
vorzugsweise die Differenzpunkte etwas näher zu würdigen und die von mir untersuchten Eepräsentanten der verschiedenen
Abtheilungen der Chelonier in Betreff der Morphologie des Gehörorgans zu beschreiben. Ich beginne hier
mit dem Ohre von Emys lutraria, da ich dasselbe in histologischer Hinsicht studirt habe. Betreffs der knöchernen
Kapsel und die dieselbe constituirenden und umgebenden Theile kann ich auf die Darstellung Hasse's und das
hier oben gegebene Eeferat derselben verweisen. Das perilymphatische Gewebe ist in seiner eigenthümlichen Gestalt
ebenfalls von diesem Forscher und von Kuhn eingehend beschrieben worden. Es ist auch bei Emys ausserordentlich
reichlich vorhanden und besteht aus einem äusserst dichten Netzwerk breiter oder schmaler bindegewebiger
Balken, welche an den Ansatzstellen sich verbreiten und oft abplatten (Fig. 9 pg); sie sind in der Eegel mehr oder
weniger der Länge nach gestreift und an ihnen liegen Kerne, welche gewöhnlich von einer dünnen Protoplasmazone
umgeben sind. Die zwischen den Balken befindlichen, von der perilymphatischen Flüssigkeit gefüllten Maschen
sind eng; sie hängen aber überall unter einander zusammen, von der Wand des membranösen Gehörorgans an bis
zur äusseren, periostalen Verdichtungsmembran, in welche beide die Balken mit verbreiteten Ansatzstellen übergehen.
Ich finde hier keine solche verdichtete Zwischenmembran, wie Hasse und später auch Kuhn angeben, die den perilymphatischen
Eaum in einen äusseren und einen inneren abtrennen würde, welche Eäume kaum oder nur sehr sparsam
unter einander zusammenhängen.
Das membranöse Gehörorgan von Emys europ^a (Fig. 1—3) ist im Ganzen niedrig, von vorn nach
hinten ausgezogen und ähnelt in dieser Beziehung dem der Urodelen. Man unterscheidet an ihm folgende Theile:
Utriculus mit Sinus superior und Sinus posterior, Becessus utriculi, Ampulla anterior mit Canalis m. anterior, Am-
pulla externa mit Canalis m. externus, Ampulla posterior mit Canalis m. posterior, Sacculus mit Ductus und Saccus
endolymphaticus und die aus Pars basilaris und Lagena bestehende Schnecke.
Von Nervenendstellen sind folgende vorhanden: Macula ac. rec. utriculi, drei Cristce ac. ampullarum, Macula
ac. neglecta, Macula ac. sacculi, Papilla ac. basilaris und Papilla ac. lagenm.
Der Nervus acusticus (Fig. 1—3 ac) theilt sich nach dem Abgange aus der Medulla oblongata sofort
in einen Bamus anterior und einen Bamus posterior. Ersterer theilt sich in einen Bamulus amp. anterioris für die
vordere und einen Bamulus amp. externa? für die äussere Ampulle und sendet gleichzeitig den aus mehreren
kurzen Bündeln bestehenden Bamulus rec. utriculi zur Macula rec. utriculi sowie einige Bündel zum vorderen Ende
der Macula sacculi. Der Bamus posterior sendet zuerst nach unten hin zur Macula sacculi eine Eeihe von Bündeln,
welche den eigentlichen Bamulus sacculi bilden; dann verzweigt sich der übrige Ast in einen nach hinten zur Papilla
ac. basilaris gehenden Bamulus basilaris, einen nach unten-hinten (nach innen vom Eamulus basilaris) zur Papilla ac.
lagena? verlaufenden Bamulus lagena? und einen nach hinten-aussen zur hinteren Ampulle ziehenden Bamulus amp.
posterioris, welcher nach oben-vorn hin einen schmalen Zweig, Bamulus neglectus, zur Macula ac. neglecta sendet.
Der eigentliche Utriculus (Fig. 1—3 u) stellt eine ziemlich weite, von hinten-oben nach vorn-unten-aussen
gerichtete, am vorderen Ende nach aussen umgebogene und in den Eecessus utriculi übergehende Eöhre dar, die
sich am hinteren Ende nach oben hin in den Sinus utriculi superior (ss) oder die Bogengangscommissur fortsetzt,
welche als kurze, breite und weite Eöhre nach oben-hinten steigt und am oberen Ende die beiden verticalen Bogengänge
empfängt; hinten biegt sich ferner der eigentliche Utriculus in den Sinus posterior (sp) oder die Verbindungsröhre
der hinteren Ampulle um, die als kurze, sich ziemlich stark verschmälernde Eöhre nach hinten-unten-
aussen geht, um sich in die hintere Ampulle fortzusetzen. Der Becessus utriculi (Fig. 1—3 rec), in den der Utriculus
vorn-aussen übergeht, stellt eine nicht besonders weite, rundliche Blase dar, welche an ihrem Boden die ovale
Macula ac. rec. utriculi (Fig. 1, 2, 4, 5 mu) mit ihrer verhältnissmässig geringen Otolithenmasse trägt und vorn-
aussen die zuerst in einem besonderen kleinen, vom übrigen Eecessus durch eine kleine, schief gestellte Firste ge-
wissermassen abgegrenzten Loculamente zusammenmündende vordere und äussere Ampulle aufnimmt.
Die vordere Ampulle, Ampulla anterior (Fig. 1—6 aa), stellt eine ziemlich weite, nach vorn-aussen gerichtete
ovale Blase dar, deren gewölbtes, mit einer längsgehenden Eaphe versehenes Dach nach oben, deren das
Septum transversum führender Boden nach unten sieht; auf dem Septum liegt die im Ganzen schmale, in der Mitte
jedoch breitere und erhöhte und an den beiden, an den Seitenwänden emporsteigenden Enden erweiterte Crista acustica
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