http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0071
59
und von Coluber natrix. Die Schnecke der Reptilien, sagt er, ist ein kleiner, unregelmässig kegelförmiger Anhang,
welcher dem häutigen Vestibulum in der Nähe der hinteren Ampulle aufsitzt. An seiner Basis mit unregelmässig
elliptischen Querschnitt beginnend, erhebt sich dieser Kegel bei den Eidechsen in nahezu cylindrischer Form bis
über die Mitte seiner Höhe, wo er sich schneller in eine stumpfe Kegelform abzuschliessen beginnt. Der Kegel
trägt einen rings geschlossenen Knorpelrahmen und eine Lagena und bildet in der ganzen Höhe einen ununterbrochenen
Hohlraum. Lagena und Knorpelrahmen liegen also hier nicht, wie beim Vogelohr, hinter, sondern neben
einander. Der Knorpelrahmen besteht aus zwei an den Endpunkten verbundenen Schenkeln, die Deiters den ersten
und zweiten nennt, und bildet nur einen Theil der einen Wand des ganzen Kegels, nämlich der vorderen; der andere
grössere Theil der Wand trägt die pinselförmige Anordnung des Nerven und die haartragenden Zellen und hat
die Bedeutung der Lagena. Lagena und Knorpelrahmen bilden eine Art Halbkanal, die vordere und eine seitliche
Wand des ganzen Kegels enthaltend. Die entgegengesetzte Seitenwand schliesst sich an den zweiten, der Lagena
nicht anliegenden Knorpelschenkel an. Einem dünnen Bindegevvebsstratum anliegend erheben sich hier unter fast
rechtem Winkel längliche zellige Gebilde, die cylindrischen Körper, das Analogon des Corti'sehen Apparates der Säuge-
thiere. Unmittelbar an diese Körper schliesst sich eine zusammengesetzte Membran an, welche schräg aufsteigend
in die vierte Wand (die hintere) des Kegels übergeht und welche auf der anderen Seite die Lagena abschliesst,
also die hintere Wand allein bildet. Diese hintere Wand überdeckt also nicht blos die Lagena, sondern den Knorpelrahmen
überhaupt; sie ist das Dach des ganzen Hohlraumes der Schnecke, welcher der Scala vestibuli entspricht,
und wird, wie bei den Vögeln, von Deiters Tegmentum vasculosum genannt. Der Schneckenhohlraum hat zwei
Oeffnungen, von denen eine gegen den Vorhof liegt, die zweite das ovale Lumen des Knorpelrahmens ist, welches in
der ganzen Länge theils durch eine in der Mitte befindliche, knorpelige Brücke, theils durch eine dünne Membran,
der Membrana basilaris der höheren Vertebraten entsprechend, ausgefüllt wird. Da diese Membran die Dicke der
Knorpel nicht erreicht, werden dadurch zwei Bäume gebildet, ein unterer oder Scala tympani und ein oberer oder
Scala vestibuli; der obere hat an dem ganzen Hohlraum der Schnecke Antheil; die Scala tympani dagegen ist ganz
rudimentär und wird als ein ganz schmaler Raum direct von dem Periost der knöchernen Schnecke begrenzt; an
sie grenzt die Fenestra rotunda. Es ist Deiters mehr wie zweifelhaft geworden, ob die Schnecke selbst Otolithen
führt; ein die Lagenaotolithen tragendes Gerüst (d. intralag. Theil der Lamina fenestrata) scheint bei den Reptilien
nicht vorhanden zu sein.
Aus Deiters' Beschreibung der einzelnen Theile hebe ich Folgendes hervor. Der Knorpelrahmen an und für
sich ist ein längliches, gegen die Kegelbasis etwas breiteres Oval. Von den Schenkeln desselben ist der der Lagena
anliegende erste dicker und breiter, der gegenüberstehende zweite etwas schlanker geformt. Die in der Mitte der
ovalen Oeffnung des Rahmens befindliche Brücke, welche die Membrana basilaris in zwei Hälften theilt, macht eine
auffallende Differenz von der Schnecke der höheren Vertebraten aus; sie theilt auch die Hauptmasse des Nerven
in zwei Hauptstämme. Scala vestibuli und Scala tympani bleiben aber ungetheilt. An dem ersten Knorpelschenkel
findet sich, nach oben hin, der Scala vestibuli zugekehrt, ein eigenthümlicher Wulst, welcher an beiden Endpunkten
ganz allmälig beginnt, dann bis zur Mitte hin steigt und dort am höchsten ist. Beide Schenkel haben gegen die
Oeffnung hin eine spitzere Kante, an welche sich die structurlose Membrana basilaris inserirt. Das Gewebe des
Knorpelrahmens besteht aus einer sparsamen, glänzenden, harten Grundsubstanz mit dichtgedrängten, sehr kleinen,
unregelmässig rundlichen Zellen und stellt sich zwischen Knorpel und Bindegewebe. Die Membrana basilaris
schwillt ungefähr in der Mittellinie jederseits der Brücke zu einem sonderbaren, glashellen Wulst aus glänzender,
hyaliner, durchaus structurloser Masse an; an jedem Winkel des ovalen Raumes beginnt derselbe schwach ansteigend,
erhebt sich dann bis über die Mitte hinaus, wo er gegen die Brücke hin wieder etwas steiler abfällt. Auf dem
Wulste sieht man eine dichtgedrängte Gruppe kurzer, cylindrischer, je ein gerades starres Haar tragender Zellen; zu
beiden Seiten, am Boden des Wulstes, gehen diese Zellen in eine einfachere, epitheliale Bekleidung der M. basilaris
und der Knorpelschenkel über. Jenseits des Nerveneintrittes auf dem ersten Schenkel bekleidet diese den zuerst
beschriebenen Wulst und besteht aus kleinen, polygonalen, indifferenten Zellen, welche sich an die zellige Auskleidung
der Lagena anreihen. Auf dem zweiten Schenkel reicht dieses Epithel nur wenig über die M. basilaris
heraus, hier direct an die cylindrischen Körper stossend. Die mittlere Knorpelbrücke führt nur solche indifferente
Epithelzellen. Die cylindrischen Körper des zweiten Schenkels, welche nach Deiters dem Cortisonen Organ entsprechen
sollen, erscheinen im frischen Zustande als blasse, glashelle, nur wenig lichtbrechende, nach der einen oder
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0071