http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0075
63
Das häutige Labyrinth besteht aus einem grösseren centralen Theile, welcher sich nach unten unmittelbar
in die Schnecke fortzusetzen scheint und mittelst der umkreisenden Bogengänge mit den drei Ampullen zusammenhängt
. Der centrale Theil wird von dem ungewöhnlich grossen und hoch emporragenden Sacke gebildet, an dessen
innerer Wand sich der Utriculus und die Bogengangscommissur (im Original steht »Bogengänge») befinden.
Der Eecessus utriculi, welcher in inniger Verbindung mit den zwei vorderen Ampullen steht, ist mit diesen nach
vorne gezogen. Das Verhalten des Utriculus weicht wenig von dem bei den Reptilien, Vögeln, Fröschen und
einem Theil der Fische ab. Eigenthümlich ist dagegen der Sacculus sowohl wegen seiner bedeutenden Grösse als
mit Bezug auf seine hohe Lage; er reicht nämlich ein Stück über den oberen Rand des Utriculus empor. Die Ampullen
stimmen in ihrer Grundform sowohl untereinander als mit dem Verhalten bei den übrigen Wirbelthieren
überein; sie bilden ovale, an der einen Seite ein wenig abgeplattete Bläschen mit zwei Oeffnungen, durch welche
sie einerseits mit den Bogengängen, andererseits mit dem Utriculus communiciren. Der in der Mitte durch eine
Querfurche eingedrückte Ampullenboden sieht an der sagittalen Ampulle nach hinten und zugleich etwas nach innen
und unten, an der frontalen nach unten und zugleich etwas nach innen und vorne, an der horizontalen
nach aussen und ein klein wenig nach unten. An der sagittalen und frontalen Ampulle geht der Nervenzweig
zur Mitte der Furche und theilt sich dort in zwei Aeste, an der horizontalen dagegen zum tieferen Ende der
Furche und verläuft dann ungetheilt längs derselben. Aus dem Inneren der Ampullen schimmern die Cristse
acusticse und die Septa cruciata sowohl als die Plana semilunata durch; nur in der horizontalen fehlt das Sep-
tum cruciatum und an der unteren Wand auch das Planum semilunatum. Die sagittale Ampulle communicirt
direct mit dem Eecessus utriculi, die horizontale dagegen wesentlich durch Vermittelung der sagittalen und nur
zum kleineren Theile direct. Das vordere obere Ende der frontalen Ampulle geht in einen ziemlich weiten
und langen Kanal über, welcher in dem hinteren Ende des Utriculus einmündet. Bei Lac. agilis hat dieser
»Ursprungskanal» der Ampulle ungefähr die Eigenlänge der Ampulle, bei Lac. ocellata ist er iy3 mal so lang.
Das Lumen der Bogengänge scheint im grössten Theile ihres Verlaufs kreisrund zu sein. In Betreff ihres Verlaufs
und ihrer Gestalt muss ich auf das Original verweisen. Der horizontale Bogengang mündet mit seinem hinteren
Ende mittelst einer länglichen, beinahe elliptischen, schräg nach unten-vorne und ein wenig nach innen gewandten
Oeffnung mit dem untersten Theile des gemeinschaftlichen Ganges (der Commissur) zusammen in das hintere
Ende des Utriculus. In diesen Theil, der auch als Sinus medianus oder Sinus utriculi bezeichnet wird, mündet
der relativ enge, vordere Theil des eigentlichen Utriculus, von welchem der kolbenförmig erweiterte Eecessus nach
aussen-vorn sich fortsetzt; an dem Boden desselben findet sich die dreieckige, dunkle Macula acustica mit ihrer
ebenfalls dreieckigen, nicht besonders dicken Otolithenscheibe. An der äusseren Sinuswand entdeckt man bei näherer
Untersuchung gerade unterhalb des hinteren Endes der Oeffnung des horizontalen Bogengangs ein äusserst kleines
Loch mit wulstigen Eändern, welches zu einem äusserst kurzen Kanal führt, der sich in den Sacculus öffnet; dies
ist die einzige Communicationsöffnung zwischen Sacculus und Utriculus. Der Sacculus bildet einen im Umkreise
beinahe kreisrunden Sack, dessen sagittaler Durchmesser jedoch etwas grösser als der verticale ist; letztere Axe
weicht unten nicht unbedeutend nach aussen ab. Nach oben hin erstreckt sich der Sacculus eine Strecke weit
über den oberen Eand des erweiterten Endtheils des horizontalen Bogengangs. Nach unten ruht er mit seinem untersten
Theile auf der äusseren Wand oder eigentlich auf dem Dach der häutigen Schnecke und ragt somit ein wenig in
die Cavitas Cochleae hinab. Die in ihm liegende, weisse, dicke, grosse Otolithenmasse hat einen beinahe vollkommen
kreisrunden Eand und zwei gewölbte Flächen, von denen die eine nach aussen und etwas nach oben, die andere nach
innen und etwas nach unten sieht; die innere Fläche ist bedeutend flacher sowie gleichmässiger gewölbt als die äussere.
So lange der Otolith unverletzt ist, besitzt er eine ziemlich bedeutende Festigkeit; sobald er verletzt worden ist, fällt er
nach und nach von selbst zu einem Haufen feiner Krystalle zusammen; er scheint demnach eine ausserordentlich dünne
Hülle zu besitzen. Nach der Form des Otolithen richtet sich nun auch die Grundform des Sacculus, welcher von ihm
beinahe vollständig ausgefüllt wird. Der Sacculus besitzt demnach eine äussere und eine innere gewölbte Wand;
erstere ist ausserordentlich dünn, letztere dicker und fester. Die Wand des Sacculus ragt am ganzen Eande, vielleicht
mit Ausnahme des vor der Schnecke gelegenen Theils, ein klein wenig über den Otolithen hinaus. Längs
dem hinteren Eande entsteht eine von den beiden Sackwänden gebildete, gegen das Lumen desselben offene, schmale
Einne; nach unten hin findet man ein klein wenig entfernt vom Boden desselben eine schmale sagittale Spalte
mit wulstigen Eändern, welche vom Sacculus zur Schnecke führt und die einzige Communication zwischen den bei-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0075