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larsaum emporstiegen. Das Neuroepithel der Lagena ist wie das des Sacculus gebaut; die Cylinderzellen sind jedoch
schmaler als in der Papilla acustica; ihr Cuticularsaum ist weniger dick und weniger kraterförmig und trägt
ein Büschel von Haaren, welche von denen der Papille verschieden sind; sie sind blasser und bilden wahrscheinlich
abgeplattete, der Länge nach gestreifte Büschel, welche mehr oder weniger unregelmässig endigen und sich an
ihrem Ende in eine Art schleimigen Eeticulums verlieren, welches Fasern zwischen sie sendet und sie von den Oto-
lithen isolirt. Die Nerven verhalten sich wie in den anderen Neuroepithelien. Die Macula lagense besitzt übrigens
eine halbzirkel- oder hufeisenförmige Gestalt. Das Epithel der Reissner'schen Membran besteht an den beiden Enden
derselben aus cubischen, an der Mitte aus protoplasmatischen Zellen.
Ich1 sah bei genauer Untersuchung vieler Saurier (Chamäleon, Phrynosoma, Pseudopus, Acontias, Iguana,
Lacerta, Psammosaurus, Egernia u. A.), an der Wand des Utriculusbodens unweit des Canalis utriculo-saccularis
eine kleine, neue Nerven endsteile mit angehörigem, vom Ramulus ampullse frontalis sich abtrennendem Nervenzweig.
Sie erwies sich als der früher von mir bei den Knochenfischen gefundenen und als Pars basilaris Cochleae aufgeführten
Nervenendstelle homolog, ebenso wie auch der von Deiters und später von Hasse als »Anfangstheil der
Schnecke» bezeichneten Endstelle der Amphibien entsprechend. Da sie sich nunmehr als ganz selbständig zeigte,
nannte ich sie Macula ac. neglecta und den Nervenzweig Ramulus neglectus. Die fragliche Endstelle der Reptilien
zeigte sich aber kleiner und weniger entwickelt als bei den Amphibien.
Parker2 beschrieb in seiner eingehenden und werthvollen Abhandlung über den Bau und die Entwicklung
des Schädels bei den Lacertilien auch die Entwicklung der die Gehörkapsel zusammensetzenden Knochen bei Lacerta
und Zootoca. Da indessen seine Angaben sich wesentlich auf die Abbildungen stützen und sich nicht ohne
gleichzeitige Besprechung der umgebenden Knochen wiedergeben lassen, erlaube ich mir hinsichtlich derselben auf
das Original zu verweisen.
In dem neulich herausgegebenen Texte zu Ibsens Werk3 über das Gehörorgan rindet man die Beschreibung
des betreff. Organs von Amaiva vulgaris. Ibsen stellt, in Uebereinstimmung mit seinen eigenthümlichen Ansichten
, das Gehörorgan dieses Thieres sehr niedrig und unterscheidet an ihm einen grossen Steinsack, einen kleinen
Steinsack, einen Alveus und drei halbzirkelförmige Kanäle. Der grosse Steinsack ist oval mit einer äusseren und
inneren Fläche und liegt zwischen dem äusseren halbzirkeiförmigen Kanal und dem Alveus; er ist von einem grossen,
linsenförmigen Otolithen grösstentheils erfüllt, besitzt aber keinen Nerven. Der Alveus besteht aus drei, von einem
gemeinsamen Mittelpunkt ausgehenden schmalen Röhren; am vorderen Ende des vorderen Rohres sitzen die Ampullen
des vorderen und äusseren halbzirkelförmigen Kanales; das hintere Ende des hinteren Rohres ist mit der
Ampulle des hinteren halbzirkelf. Kanales versehen; das obere Alveusrohr nimmt oben den vorderen und hinteren
und etwas nach unten davon den äusseren Kanal auf. Im Mittelpunkte des Alveus findet sich eine kleine Com-
municationsöffnung mit dem grossen Steinsack. Dagegen erwähnt Ibsen keinen Recessus utriculi mit Nervenausbreitung
. Der kleine Steinsack liegt im Winkel zwischen den zwei unteren Alveusröhren, unter dem grossen Steinsack
, von dem er durch einen tiefen Einschnitt getrennt ist, weswegen er mit ihm nur mit seinem oberen-vorderen
Winkel in Verbindung steht; er ist flach, herzförmig, mit der Spitze nach unten gerichtet; von seinen beiden Flächen
ist eine etwas convex und nach aussen gegen die Fenestra vestibuli, die andere mehr platte, mit Nervenfasern
fast bedeckte nach innen gerichtet; seine membranöse Wand ist fest, aber dünner an den Flächen, dicker und fast
knorpelartig an den Rändern, welcher Umstand nach Ibsen ohne Zweifel Windischmann veranlasst hat, diesen Sack
als mit der Cochlea der Krokodile übereinstimmend anzusehen. Das knöcherne Labyrinth besteht aus zwei durch
einen hervorspringenden Rand getheilten Höhlen, von denen die obere den grossen Steinsack und Alveus, die untere
den kleinen Steinsack beherbergt; an der inneren Wand des Labyrinthes bemerkt man drei Löcher, von welchen
zwei für die beiden Hauptzweige des Hörnerven und ein oberes für die CoTUGNo'sche Wasserleitung bestimmt ist;
an der äusseren Wand ist eine ovale Oeffnung (Fenestra vestibuli), welche die Verbindung zwischen der unteren
Labyrinthhöhle und der Trommelhöhle bildet und vom Fusse des Gehörknochens geschlossen wird.
Der Hörnerv ist nach Ibsen gleich nach dem Abgang von der Medulla oblongata in zwei Fascikel getheilt, welche
1 Gustaf Retzius, Zur Kenntniss des inneren Gehörorgans der Wirbelthiere. Archiv f. Anatomie und Physiologie, Anat. Abtheil. 1880.
2 W. Kitchen Parker, On the Structure and Development of the skull in the Lacertilia. Part I. Philosophical Transactions of the Royal Society.
Part II. 1879. London 1880.
3 I. Ibsen, Anatomiske Unders0gelser Over 0rets Labyrinth. Afsluttet af Porf. i 1846. Nu udgivet paa Carlsbergfondets Bekostning ved Prof. Dr
P. L. Panum. Kj0benhavn 1881.
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