http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0105
93
Ich werde jetzt zu einer kurz gefassten Darstellung des feineren, histologischen, Baues des membranösen
Gehörorgans übergehen.
Die eigentliche, bindegewebige Wand des üiriculus mit Sinus superior und posterior ist sehr dünn mit fast
homogener Grundsubstanz und sparsamen, an der äusseren Fläche angeordneten, platten, verzweigten Zellen; die innerste
Schicht dieser Wand ist undeutlich feinstreifig mit ungefähr parallel verlaufender Streifung. Beim Ueber-
gang zu den Bogengängen wird die Wand etwas dicker. An ihrer Innenfläche ist sie, wie gewöhnlich, überall von
einem einschichtigen, polygonalen Platten epithel bekleidet. Zwischen den Zellen desselben trifft man am Boden des
Utriculus proprius, wo die Plattenzellen zugleich höher werden, besonders gegen den Becessus utriculi hin, Gruppen
von grossen, glänzenden, nach Erhärtung stark körnig erscheinenden (»protoplasmatischen»), ziemlich hohen, im
Durchschnitt im Ganzen polygonalen, aber auch mehr oder wenig verzweigten Zellen (Zellen mit sternförmigem
Querschnitt M. Schultze's, Pigmentzellen Hasse's). Solche Zellen trifft man auch in einzelnen Gruppen an der
medialen Wand des Sinus superior und am Boden des Sinus posterior in der Nähe der Macula ac. neglecta.
Am Becessus utriculi ist die bindegewebige Wand am oberen Umfang ebenfalls sehr dünn und wie bei dem
Utriculus proprius gebaut; am unteren, die Macula acustica tragenden Umfang dagegen ist sie ein wenig dicker
und enthält, in sie eingestreut, verzweigte Zellen; Nervenfasern und Blutgefässe dringen hier auch durch die
Wand hinein. Die epitheliale Bekleidung der Innenfläche besteht am Dache des Becessus aus polygonalem Plat-
tenepithel, in welchem die grossen »protoplasmatischen» Zellen sehr zahlreich sich einmischen; letzteres ist besonders
gegen die Macula acustica hin der Fall, in deren Umgebung auch die polygonalen Zellen immer höher und
schmaler, mehr zu Cylinderzellen werden. Das Epithel der Macula acustica selbst besteht, wie bei allen bisher
beschriebenen Wirbelthieren, aus zwei Arten von Zellen, Fadenzellen und Haarzellen, welche unter einander vermischt
stehen. Die Fadenzellen reichen alle von der membranösen Wand bis zur Oberfläche des Epithels; viele von
ihnen tragen, wie gewöhnlich, den ovalen Kern ganz nahe am unteren Ende, an der membranösen Wand, andere
etwas höher, nie aber höher hinauf als bis zur Mitte der Höhe des Epithels; alle diese Zellen sind schmal, sogar oft
fadenförmig, gewöhnlich aber in einer Eichtung breiter, also abgeplattet; nach beiden Enden hin verbreitern sich die
Zellen in der Begel etwas, um mit quer abgestutzten Endflächen zu enden. Zwischen diesen Fadenzellen stehen, wie
gewöhnlich, die Haarzellen zerstreut; dieselben sind glänzend, nach Erhärtung stark körnig, flaschenförmig mit oberer,
frei an der Oberfläche des Epithels stehender, rundlicher, stark glänzender Oberfläche, dem Saum, von dessen Mitte
das kurze, aus mehreren feinen Fibrillen zusammengesetzte Hörhaar emporragt, und mit etwas erweitertem, unterem,
einen grossen, rundlich-ovalen Kern tragendem Bauche, an dessen unterem Umfang, nach Isolirung der Zelle,
oft feine fadenförmige Anhängsel wahrnehmbar sind. Die Nervenfasern geben kurz vor dem Ausdringen aus der
membranösen Wand ihre Myelinscheide ab und treten als blasse Fasern (Axencylinder) in das Epithel hinaus, theilen
sich dichotomisch und geben hier und da auch feinere Zweige ab; sie steigen bis zur Nähe des unteren Endes der
Haarzellen hinauf. Weiter konnte ich die Nervenfasern hier nicht verfolgen, da das vorhandene Material dafür
nicht günstig war. Alles spricht indessen dafür, dass die Verhältnisse mit denen bei den Krokodilen (s. unten bei
diesen) und den übrigen Wirbelthieren übereinstimmen. Auf der Macula ruht die dünne Otolithenscheibe, welche aus
kleinen Kristallen und einer dieselben verbindenden, unregelmässig streifig-balkigen Substanz besteht, die besonders
an den Bändern deutlicher hervortritt.
Die Ampullen haben eine etwas dickere Wand als der Utriculus mit homogener Grundsubstanz, deren innerste
dünne Schicht deutlich der Quere nach gestreift ist, und mit zahlreichen, in mehreren Lagen auf einander liegenden
, verzweigten Zellen in derselben. Die in der vorderen und hinteren Ampulle vorhandenen beiden Flügel der
Septa cruciata bestehen aus starken, mit Epithel bekleideten Vorsprüngen des bindegewebigen Septum; man sieht
in ihrer Zellen enthaltenden Grundsubstanz eine eigenthümliche, der Oberfläche parallele Streifung. Die Innenfläche
der Ampullen ist am Dache von einem grosszelligen, platten, polygonalen Epithel bekleidet, welches in der Mittellinie
des Daches, der Raphe, sich, wie gewöhnlich, zu einem kleinzelligen, mehr spindelförmigen, quergestellten
und höheren Epithel anordnet. Nach den Plana semilunata der Seitenwände hin werden die Zellen ebenfalls kleiner
und schmaler, um in den Plana selbst zu kleinen Cylinderzellen zu werden, welche nach den Enden der Cristse
acusticse hin immer höher werden und die Kerne mehr gegen die Zellenmitte hin tragen, um dann am unteren
Rande wieder schnell klein zu werden, wodurch gewissermassen eine kleine Binne der Epitheloberfläche, zwischen dem
Planum und der Crista entsteht. Am Boden der vorderen und hinteren Ampulle sieht man zu beiden Seiten von der
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0105