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liegender, feiner, gerader, steifer Fädchen, die sich bei der Präparation oft sehr leicht von einander trennen und
abbrechen, weswegen man in der Eegel hier nur ein Büschel kurzer, divergirender Stäbchen findet (Fig. 2 6, 8);
oft wird aber dabei auch das ganze Haar abgebrochen (Fig. 5, 7). Wenn die Haare unbeschädigt sind, so findet man
bei der Ansicht der Macula von oben, dass dieselben, wie Hensen neulich bei anderen Thieren nachgewiesen, im
Querschnitt rund oder auch rundlich-oval und also nicht platt, bandförmig sind (Taf. XII Fig. 9 und 10 liz). Das
Protoplasma der Haarzellen ist, frisch untersucht, hellglänzend und erscheint wenig körnig, nach Erhärtung aber
wird es stärker körnig; im Zellenleib, gewöhnlich etwas über dem Kern, liegt eine kleine Ansammlung von pigmentähnlichen
, gelblichen Körnchen; an der Oberfläche der Haarzellen konnte ich keine Längsstreifen sehen; das untere
Ende dieser Zellen, welches kaum bis zur Hälfte der Epithelhöhe hinabreicht, erscheint, wenn isolirt, in der Eegel
abgerundet und rauh, körnig ' oder höckerig, sowie zuweilen mit von ihm abgehenden kurzen Fortsätzen (Fig. 3);
im Ganzen sieht es so aus, als ob Etwas davon abgerissen wäre. In der Macula sacculi gelang es mir sodann, für
diese Frage eine befriedigende Antwort zu erhalten. In mehreren Präparaten lösten sich entweder alle oder die
meisten Fadenzellen ab, so dass nur eine Menge von Haarzellen haften blieben — und dies eben an den Nervenfasern
. Wie bei anderen Wirbelthieren treten die Nervenfasern (Fig. 2, 5, 6, 8 n), nach Abgabe der Scheiden,
aus der membranösen Wand in das Nervenepithel hinaus und steigen zwischen die Fadenzellen empor; hierbei
theilen sie sich zuweilen bald nach dem Austritt aus der membr. Wand (Fig. 2 n), in anderen Fällen erst später,
nämlich in der Zone unter den Haarzellen (Fig. 6); zuweüen theilen sie sich hier auch zum zweiten Mal und
biegen sich dann, um ihren Verlauf eine Strecke in horizontaler Eichtung fortzusetzen und sich dabei oft nochmals
zu theilen; bald sind diese Zweige von ungefähr gleicher Dicke, bald ist der eine Zweig viel schmaler als der
andere. Die Endzweige biegen sich sodann nach. oben zu den Haarzellen um und gehen mit ihnen eine innige
Verbindung ein. An den aus der membranösen Wand ausgetretenen Nervenfasern (Axencylindern) bemerkt man
schon bald nach dem Austritt eine deutliche Längsstreifung, und bei genauer Betrachtung kann man an ihnen eine
Zusammensetzung aus Primitivfibrillen wahrnehmen. Diese Zusammensetzung wird nach oben hin immer deutlicher
und in der Nähe der Haarzellen tritt sie in auffallender Weise hervor. Das Verhalten der Nervenfasern zu den
Haarzellen ist indessen etwas verschieden. Entweder theilt sich der Endzweig in zwei Arme, welche sich verbreitert
zu je einer Haarzelle begeben (Fig. 2, 6); oder gehen sie keine eigentliche Theilung ein, sondern verbreitern sich
nur zu einer unregelmässig dreieckigen Nervenplatte, welche zwei, drei oder sogar vier Haarzellen aufnimmt (Fig.
5, 7, 8). Zuweilen findet man an der Nervenfaser nur noch eine Haarzelle festsitzend (Fig. 4); dabei sieht man
aber einen zweiten abgerissenen Zweig den Weg fortsetzen. Wie geschieht nun die eigentliche Vereinigung der
Nervenfaser mit den Haarzellen? Die Haarzellen sitzen in der Eegel mit breiter Basis auf der Nervenfaser, und
die aus einander getretenen Primitivfibrillen der letzteren umfassen das untere Ende jeder Haarzelle von allen Seiten
her, um schon hier, am unteren Ende der Zellen, unter dem Kerne zu endigen. Man kann die Nervenfäserchen nicht,
wie P. Meyer und Cisow angenommen, höher hinauf bis zum oberen Ende der Zelle (zum » Cuticularsaum») verfolgen.
Die Verbindung mit den Zellen ist übrigens keine besonders lose; ich konnte die Lage der in solcher Verbindung
isolirten Zellen in der verschiedensten Weise durch abwechselnden Druck auf das Deckglas verändern; sie lösten sich
von ihrer betreff. Nervenfaser erst durch verhältnissmässig gewaltsames Eingreifen. — Aller Wahrscheinlichkeit nach
enden auch die feineren Zweige der Nervenfasern (Fig. 4, 5) in ähnlicher Weise am unteren Ende der Haarzellen,
obwohl es mir, wegen der Zartheit ihres Gewebes, nicht gelang, dies zu demonstriren.
Diese Befunde stimmen in der That, wie oben angedeutet wurde, mit älteren Beobachtungen überein, welche
ich beim Menschen, beim Hunde, Kaninchen u. A. gemacht habe und deren Abbildungen mir noch vorliegen.
Sie stimmen auch gut mit der Ansicht Hasse's, Boettcher's, Waldeyer's u. A. überein, welche den directen Zusammenhang
der Nervenfasern mit den Haarzellen annehmen. Bisher haben jedoch diejenigen Forscher, welche die
fragliche Endigungsweise behaupten, gewöhnlich angenommen, dass die Haarzelle nur einen feinen unteren Fortsatz
trage, welcher zum Nervenfäserchen werde. Merkwürdig und auffallend ist deswegen die liier beschriebene Verbreiterung
der Nervenfaser, ihre Auflösung in Primitivfibrillen und die breite Ansetzung der letzteren an das Zellenprotoplasma.
Gegen die Annahme mehrerer Forscher von einem Empordringen der Nervenfäserchen hoch nach oben zwischen
den Haarzellen, einer netzförmigen Anordnung daselbst oder Endigung an der Oberfläche des Epithels, m den Hor-
haaren oder in einer Cuticula u. s. w., ebenso wie gegen jede Eolle der Fadenzellen für die eigentliche Nervenendigung
(als wirkliche oder vermittelnde Endorgane) muss ich mich jetzt wie früher aussprechen.
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