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vorderen Schenkel ein längsverlaufendes, grösseres Gefäss (Taf. XIV Fig. 1—6, 8 bgl), welches, nach seinem Bau
zu beurtheilen, eine Vene zu sein scheint. An der t}^mpanalen Fläche der Membrana basilaris, gerade bei ihrer
Anheftung am Nervenschenkel des Kähmens, trifft man an den Querschnitten der Cochlea (Taf. XIV Fig. 1—6,
8 bg2) eine Vene, welche diesem Befestigungsrande der Membran parallel verläuft; sie entspricht offenbar der Vena
spiralis höherer Thiere. In den Schenkeln des Rahmens endlich verlaufen mehrere Blutgefässe in verschiedenen Richtungen
; so trifft man im Inneren des vorderen »dreieckigen» Schenkels ein längsgehendes Gefäss.

Die Epithelbekleidung der Scala media setzt sich in ihr von der des Canalis reuniens direct fort. Die Innenfläche
der Membrana Reissneri trägt also ein Epithel, welches aus zwei Zellenarten zusammengesetzt ist; wenn man
dasselbe von der Fläche her betrachtet (Taf. XIII Fig. 17), so sieht man an dem erhärteten Präparate grosse, unregelmässig
eckige, grobkörnig erscheinende Figuren, welche in der Regel zwischen sich helle Spalten offen lassen; wenn
man nun dasselbe Epithel von der Seite her ansieht (Taf. XIII Fig. 15, 16), so findet man, dass diese eckigen Figuren
den oberen Flächen hoher, unregelmässig »cylindrischer» Zellen entsprechen, die mit schmaleren Füssen der Membran
angeheftet sind (jpe); diese Zellen, welche als starkkörnige Epithelzellen aufzuführen sind, hängen also eigenthüm-
licher Weise als Tropfen frei in die endolymphatische Flüssigkeit der Scala media hinein, in dem dickeren und oft
abgerundeten freien Theil den rundlichen Kern führend, und lassen zwischen sich mehr oder weniger grosse Spaltenräume
offen. Am Boden dieser Räume bemerkt man zwischen den Füssen der starkkörnigen Zellen und der Membran
ansitzende, ovale Kerne, die gewöhnlichen platten, hellen Epithelzellen angehören, welche die Zwischenräume
zwischen den Füssen der starkkörnigen Zellen ausfüllen (Fig. 15 e). Die starkkörnigen Zellen haben an verschiedenen
Stellen der Membrana Reissneri etwas verschiedene Höhe, indem sie nach den Seiten hin niedriger werden; sie stehen
ferner nicht gleich dicht und haben eine wechselnde Gestalt; nicht nur der Querschnitt kann verschieden eckig oder
»sternförmig» erscheinen, sondern auch das freie Ende ist in wechselnder Weise geformt, indem es hier und da wie
zu körnigen Fasern aufgelöst angetroffen wird; die Höhe dieser Zellen beträgt 0,03—0,07 Mm., die Breite 0,015—
0,03 Mm. Es bekleidet nun dieses Epithel die ganze Membrana Reissneri und setzt sich an der vorderen Seite
des Canalis reuniens und ferner auch eine Strecke an der vorderen-äusseren Seite der Lagena fort. An den Seitenrändern
der Membran geht es in ein Epithel von niedrigeren und schmaleren, hellen Cylinderzellen über, unter denen
jedoch einzelne kleine, verzweigte, mehr glänzende Zellen angetroffen werden, die ganz denen entsprechen, welche,
von der Myxine anfangend, von mir hier und da bei verschiedenen Thieren im Gehörorgan gefunden worden sind;
ich betrachte dieselben als zu derselben Zellenart wie die starkkörnigen Zellen gehörend, gewissermassen als unentwickelte
solche Zellen, weswegen sie auch hier gerade beim Uebergang zur Membrana Reissneri vorhanden sind.

Bei der Umbiegung dieser Membran und ihrem Verschmelzen mit der vestibulären Fläche des vorderen
»dreieckigen» Schenkels des Rahmens geht nun das nicht besonders hohe, cylindrische Epithel in ein sehr hohes
Epithel über, welches als ein langes, hohes Band oder ein Wall in der ganzen Länge des Schenkels verläuft und
ein im Ganzen merkwürdiges Epithel bildet. Es beginnt hoch oben neben dem Anfang der Basilarmembran als
ein besonders breiter Wall (Taf. XIV Fig. 1 äf) und wird dann allmälig schmaler, um, fortwährend hoch, in der
unteren Hälfte der Cochlea ganz schmal zu werden (Taf. XIV Fig. 2—6 äf) und erst beim Uebergang zur Lagena
aufzuhören. Es besteht aus sehr hohen, ziemlich schmalen, gewöhnlich in der Nähe des oberen freien Endes,
aber oft auch tiefer hinab den Kern tragenden Cylinderzellen mit polygonaler Oberfläche (Taf. XIII Fig. 13 pe,
14) und ziemlich körnig-faserigem Bau. Es besitzt eine Höhe von 0,06 Mm. Seine besondere Merkwürdigkeit
erreicht aber dieses Epithel dadurch, dass es ein Blutgefässe enthaltendes ist!1 An allen Querschnitten der Cochlea,
wo dieses Epithel in seiner Lage erhalten ist, bemerkt man, zwischen die Cylinderzellen eingeschoben, feine Blut-
gefäss-Schlingen (Taf. XIV Fig. 1—6, 8 bg), bald näher der Schenkeloberfläche, bald und sehr oft hoch oben im
Epithel, sogar in der Nähe seiner Oberfläche. Bei dem Lospräpariren des Epithels lassen sich diese Blutgefässe
sehr leicht isoliren, und man bemerkt dann, dass sie von keinem anderem Gewebe als den Cylinderzellen umgeben
sind (Taf. XIII Fig. 18); nur sieht man an der Oberfläche der dünnen, endothelialen Wand der Gefässe einzelne
Kerne, welche, wie gewöhnlich, der Adventitia entsprechen. Es ist dies Epithel meines Wissens das einzige gefäss-
führende, echte Epithel im Organismus; wir werden im Folgenden sehen, dass es bei den höheren Thieren in
ähnlicher Gestalt vorkommt, indem die ihm homologe Stria vascularis ebenfalls gefässführend ist. Zuweilen trifft

Gustaf Retzius, Ueber ein Blutgefässe führendes Epithelgewebe im membranösen Gehörorgan. Biolog. Unters, herausgeg. v. Prof. Dr G. Retzius.
2 Jahrg. 1882, No IV.


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