http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1884-2/0151
Das Gehörorgan der Vögel.
Geschichtliches.
Unter den älteren Anatomen scheinen nur wenige sich mit dem Studium des Gehörorgans der Yögel beschäftigt
haben. Zwar giebt schon Casserius1 eine kurze Beschreibung und Abbildungen von dem äusseren Gehörgang
, dem Trommelfell, der Trommelhöhle mit deren Gehörknöchelchen und dem Labyrinth, und Perrault2
erwähnt bei den Vögeln ebenfalls das einzig vorhandene Gehörknöchelchen, die drei Bogenkanäle des Labyrinthes
und den dem letzteren angehörigen kurzen Gang, welcher, statt spiralförmig, in der Gestalt eines kleinen Sackes
vorliegt. Erst Comparetti und Scarpa widmeten jedoch diesen Theilen ein eingehenderes Studium.
Das Werk von Comparetti 3 über das Gehörorgan enthält u. A. auch eine weitläufige Darstellung seiner Untersuchungen
über das Gehörorgan der Vögel. Es geht aus derselben hervor, dass Comparetti eingehend und mit
grosser Sorgfalt eine grosse Eeihe verschiedener Vögel in dieser Hinsicht untersucht hat und im Ganzen so weit
vorgedrungen ist als es mit den damaligen Hülfsmitteln möglich war. Ich kann indessen hier seine ausführlichen
Angaben nicht wiedergeben, um so viel weniger, als dieselben, hauptsächlich in Felge des Mangels an guten
Abbildungen, nicht selten etwas zweideutig und schwerverständlich sind. Aus seinem eigenen, am Schlüsse des
bezügl. Capitels gelieferten Resume erlaube ich mir indessen Folgendes anzuführen. Ein äusseres häutiges Ohr ist
bei einigen Raubvögeln vorhanden und kann durch Muskelbündel etwas bewegt werden. Der äussere Gehörgang
hat bei verschiedenen Vögeln eine wechselnde Länge und Weite; das Trommelfell und das Gehörknöchelchen zeigen
ebenfalls Wechselungen der Gestalt; drei Oeffiaungen sind im Grunde der Trommelhöhle vorhanden, für deren Beschreibung
auf das Original hingewiesen werden muss. Das runde Fenster ist bei den Vögeln im Ganzen grösser
als das ovale; seine Membran ist aussen flach oder kaum convex (bei der Gans), obschon sie beim ersten Ansehen
concav erscheint. Damit ich durch die Uebersetzung nichts in einer weniger exaeten Weise wiedergebe, finde ich
es richtiger, die resumirte Beschreibung des inneren Gehörorgans in der Originalsprache anzuführen. »Etiam Vesti-
bulum cochleare maximum est aeeipitribus, anseribus, gallinis, medium picis, minimum grallis, & passeribus, quod
in solo anserum & gruum cranio pertundi, & communicare vidi cum fovea infundibuliformi, qua? excipit truneum
octavi paris, & ducit in duplicem canalem divergentem. Foveam hujusmodi infundibuliformem penitus replet truneus
hujus nervi, & amicit dura meninx, qua? ad involvendum truneum, & ramum duplicem perducitur. Cavitas Vesti-
buli prineipis exigua est in Universum, sed hanc amplificant cuniculi, maximi in aeeipitribus, & grallis, qui mtra
ostia Canalium ineipientium abditi sunt. Tubus cochlearis anserum, & gallinarum longior, sed minus inflexus quam
in grallis; satis amplus, minus longus & detortus inter grallas in grue, quam in garzetta, maxime inflexus, non
longior, sed angustior circa medium in corvis, parum curvus in columbis. In singulis descendit antrorsum, & m-
trorsum, sed fere ad horizontem in plerisque; in nonnullis circa finem superius habet foveolam, qua amplior fit,
1 Julii Casserii Placextixi philosophi, Medici et Anatomici, Patavioi celeberrimi Pentfestheseion, Hoc est, de quinque sensibus liber etc. Francofurti
1G10 (1609).
2 Claude Perrault, Oeuvres diverses de physique. (Nach Breschet angeführt).
3 A\drej3 Comparetti in gymnasio patavino P. P. P. observationes anatomicse de aure interna comparata. Patavii 1789.
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