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die Gestalt eines Septum cruciforme hat. Jedoch ist die kolbenartige Anschwellung an den Enden der beiden Fortsätze
weniger bemerklich, und bei einigen Vögeln schienen sie sich in stumpfen Spitzen zu endigen. In der Mitte
bildet das Septum eine Erhöhung, welche aus grösserm Umfange allmälig ansteigt. Die in das Septum zu beiden
Seiten eindringenden beiden Aeste, in welche der Nerv sich theilt, bleiben getrennt, jeder in der seiner Seite ange-
hörigen Hälfte des Septum, indem sie sich in der Mitte kreisförmig durch einen schmalen Zwischenstreif abgrenzen,
und die aus ihm hervorgehenden beiden Fortsätze keine Spur von Nerven zeigen. Dagegen ist die Verbreitung
der feinsten Nervenfäden im Planum semilunatum jeder Seite und deren Endigung im Umkreise desselben nicht so
deutlich, indem sie sich hier allmälig verlieren. Die in den zartesten Fäden an die Oberfläche tretende Nervensubstanz
löst sich hier in ein weiches Mark auf, welches gleich einem zarten Häutchen das Septum cruciatum und
die Plana semilunata überzieht. Dagegen zeigt die äussere Ampulle eine andere Gestalt; sie ist etwas schief unsymmetrisch
und scheint gleichsam nur aus einer erweiterten Hälfte der andern Ampullen zu bestehen,
wobei auch der Nervenast ungetheilt in das unsymmetrisch geformte Septum eintritt, welches bloss aus einem einfachen
, quer etwas von hinten nach vorn und nur auf einer Seite der Ampulle sich hinziehenden Wulste besteht,
während der auf der anderen Seite liegende Theil nur als schwache Andeutung desselben erscheint. Uebrigens geschieht
die Auflösung der Nervenfäden in eine weiche Nervenmasse und die Ausbreitung derselben über das Septum
und einen Theil der Seiten wand wie in den anderen Ampullen.
Huschke1 beschrieb an dem unteren gewölbten Eand des »nach vorne» liegenden Schneckenknorpels des
Vogelohres, den er den »Vorhofsknorpel» nannte, eine Menge zahnartiger Fortsätze (Dentes cartilagines, Knorpelzähne
oder Gehörzähne), welche von einer neben dem äussersten Eande laufenden, zweiten, kammähnlichen Firste kegelförmig
ausschiessen. Nach den verschiedenen Vogelarten wechselt ihre Gestalt und Anzahl. Bei Strix und Falco
sind sie nämlich sehr lang, spitz, schmal und nach hinten gekrümmt und sehen wie ein scharfgespitzter Kamm
aus. Bei anderen Vögeln sind sie wieder weniger entwickelt und beim Truthahn und der Gans fehlen sie vollständig
. In der Eule zählte er 70—80, im Baben 30—40, in der Schnepfe 40, in der Blaumeise 27—30, in
der Goldammer 25, in der Taube 16. »Es scheint demnach, als wenn die Baubvögel und Singvögel die am
stärksten entwickelten Gehörzähne hätten, dagegen die Anseres und Gallinacese gar keine oder sehr unvollkommene.»
Die Zahnreihe beginnt nicht weit vom Anfange des Vorhofsknorpels, indem die ersten zwei bis drei Zähnchen gewöhnlich
kleiner, die darauf folgenden schnell immer länger werden, endlich ganz allmälig nach dem unteren Ende
der Beihe an Grösse wieder abnehmen und in der Begel vor dem Uebergange des Knorpels in den Kolben verschwinden
. Jedes der sog. Gehörblätter von Treviranüs oder jede der gefässführenden Falten steht in Verbindung
mit je einem Gehörzähnchen, indem aus der Spitze des Zähnchens ein Gefässast dorthin hinaustritt. Ausserdem hob
Hüschke hervor, dass bei den verschiedenen Vogelfamilien die Krümmung der ganzen Schnecke wechselt, indem
sie bei den Wasservögeln (Colymbus, Anser) fast ganz gerade, bei den Baubvögeln (Eule) am stärksten gekrümmt
ist. Dabei ist die der Baubvögel gross und lang, die der Hühner und Wasservögel im Verhältniss zum Gewicht
dieser Thiere schmal und kurz.
Breschet2 legte in einer besonderen Monographie die Ergebnisse seiner ausgedehnten und genauen Untersuchungen
über das Gehörorgan der Vögel nieder. Er unterschied an der Paukenhöhle eine äussere und innere
Abtheilung; an dem oberen-hinteren Theil der Innenfläche der letzteren sind die Oeffnungen der Cellulse mastoidea?
belegen; die Tuba Eustachii liegt nach unten-vorn hin. Die verengte Partie der Paukenhöhle enthält nur den Stab
des Gehörknöchelchens (»des Steigbügels»); an ihrem Grunde zeigt sie zwei Oeffnungen, von denen die eine von
der Platte desselben zugedeckt ist und die Fenestra vestibularis darstellt, während die andere von einer Membran,
Membrana tympani secundarii, verschlossen ist. Das Gehörknöchelchen mit seinen Anhängen repräsentirt alle Theile
der Ossicula der Säugethiere, aber nur der Steigbügel ist knöchern, die übrigen Theile sind knorpelig; man erkennt
alle Bestandtheile des Hammers, wogegen dies bei dem Ambos schwerer ist; die Gelenkverbindungen zwischen diesen
Theilen sind nicht besonders deutlich; der Hammer, welcher am weitesten nach aussen liegt, articulirt einerseits
mit dem Ambos, andererseits mit ihm und dem Steigbügel, nach aussen hin hängt er grossentheils sehr innig mit
dem Trommelfell zusammen; der Processus gracillimus aber verbindet sich nicht mit dem Fell sondern verliert sich
1 E. Huschke, lieber die Gehörzähne, einen eigenthümlichen Apparat in der Schnecke des Vogelohrs. Archiv f. Anatomie, Physiologie und wissensch.
Medicin, herausg. von Joh. Müller, Jahrg. 1835.
2 G. Breschet, Eecherches anatomiques et physiologiques sur l'organe de l'audition chez les oiseaux. Avec atlas. Paris 1836.
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