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Nachrichten über diejenigen der Säugethiere und des Menschen. Bei diesen verhält sich der Recessus labyrinthi
(Aquaeductus vestibuli der Erwachsenen) in derselben Weise wie beim Huhn. Die Schnecke tritt auch bei ihnen
als Canalis cochlearis auf, der in seiner Form mit der bei den Vögeln übereinstimmt. Sodann nimmt der plattgedrückte
, gegen das freie Ende hin wenig angeschwollene Canalis cochlearis die Spiralform an, in deren Axe
der Nervus cochlearis sich befindet ; die Communication des Canalis cochlearis und des Vestibulum war noch nachzuweisen
. Der perilymphatische Zwischenraum tritt nun auch an der Schnecke auf, indem zwei Bäume (Scalen)
entstehen, welche am freien Ende des Canalis cochlearis und nach dem Vorhof hin communiciren. Der Canalis
cochlearis ist ein Kanal der Säugethierschnecke, welcher in seiner Vollständigkeit im entwickelten Thiere von keinem
Anatomen bisher gesehen worden ist. Die häutige Lamina spiralis mit den beiden Knorpelstreifen ist die
eine Hälfte der Wandung dieses Kanales, die andere Hälfte ist im entwickelten Zustand sehr dünn und zart und
deshalb äusserst leicht zerstört. An fast reifen Kinderköpfen sahen Peissner und Eeichert den vollständigen
Kanal. Ob im entwickelten Zustand der Canalis cochlearis mit dem häutigen Vorhof bei Säusrethieren und Men-
sehen communicirt, wurde nicht sicher ermittelt.
Im Jahre 1851 veröffentlichte auch Corti 1 seine bahnbrechenden Untersuchungen über die Gehörschnecke der
Säugethiere und legte dadurch den Grund zu einer genaueren Kenntniss dieses Organes. Der von der Endolymphe
gefüllte Schneckenkanal ist in seinen beiden Scalse mit stellenweise pigmentirtem und von polygonalen platten
Epithelzellen bedecktem Periost ausgekleidet. Die Lamina spiralis ossea ist von engmaschigen anastomosirenden, die
Schneckennervenfasern enthaltenden Kanälen durchzogen, welche am freien Rande zu einer Spalte zusammenlaufen.
Die Lamina spiralis membranacea besteht aus zwei Zonen; Zona denticulata und pectinata, von denen die erstere
zwei Drittel der genannten Lamina einnimmt. An der Zona denticulata unterscheidet Corti die Habenula interna
s. sulcata und die Habenula externa s. denticulata. Die Hab. sulcata nimmt vom Anfang bis zum Ende des Canalis
cochlearis an Breite und Dicke ab; ihre untere Eläche liegt in der ersten und zweiten Windung an der Stelle
des Periostes dem äussersten Theile der Lamina ossea auf, ist dagegen in der letzten halben Windung nur von
der Nervenausbreitung begrenzt, so dass sie eigentlich nur hier einen Theil der Lam. membranacea bildet. An der
oberen Eläche der Hab. sulcata rindet sich am äusseren Pande eine ununterbrochene Peihe von am Ende etwas
verbreiterten, hellen, glänzenden Vorsprüngen, die Zähne der ersten Peihe, welche frei in die Scala vestibuli über
den Anfang der Hab. denticulata hervorragen, so dass hier der Semicanalis spiralis (Hüschke) offen bleibt. Nach
der Schneckenaxe zu setzen sich die Zähne in ähnliche Wülste und Pippen fort, die hie und da zusammenlaufen oder
sich theilen, und noch weiter nach innen in kleinere, längliche und dann runde Partien übergehen. In den Furchen
zwischen den Zähnen, Pippen und Höckern liegen meist in einfacher Peihe glänzende Körpercheri, welche
durch Essigsäure ihre Kernnatur zeigen, wobei auch stellenweise kernartige Streifen in den Zähnen und Pippen
selbst erscheinen. Die Habenula denticulata entspringt unter der Basis der Zähne erster Peihe aus der Hab.
sulcata und bildet anfangs den Grund des Semicanalis spiralis; ihre Breite nimmt in demselben Verhältnisse gegen
die Schneckenkuppel hin zu als die der Hab. sulcata sich verschmälert; auf der Seite der Scala vestibularis sind
an ihr mehrere Erhebungen zu bemerken: zuerst kommen »die scheinbaren Zähne» als eine dichte Peihe länglicher
, durch seichte Furchen getrennter Vorsprünge, welche in der ersten Windung noch auf der Lam. ossea
liegen und hier zwischen ihren äusseren Enden kleine längliche Lücken besitzen; dann folgen nach aussen hin
in gleicher Zahl die Zähne der zweiten Peihe, von denen jeder ein von oben nach unten etwas comprimirtes, frei
sund beweglich liegendes, nur mit dem inneren Ende an der Lam. spir. membranacea befestigtes Stäbchen darstellt
; bei genauerer Betrachtung sind an diesen Zähnen drei Glieder wahrzunehmen; das innerste, befestigte gleicht
einer Cylinderepithelzelle und trägt in seinem angeschwollenen inneren Ende einen runden Kern; die Mittelglieder
bestehen aus zwei gleichen, länglich-viereckigen Stücken (Coni articulares, Corti), welche so unter sich und mit
den übrigen Gliedern zusammenhängen,, dass dem äusseren Glied ein Heben und Senken möglich wird; das äussere
Glied ist anfangs verschmälert, nach dem Ende hin breiter, gabelig getheilt und trägt drei an seinem inneren
Ende befestigte, gestielten Zellen ähnliche, kernhaltige Stücke, eines über dem anderen und die untersten die
längsten, die Corti als Cylinderepithelzellen bezeichnet. Die Hab. denticulata ist bis zu den Zähnen zweiter
Peihe von runden oder ovalen Epithelzellen bedeckt, welche auch den Semicanalis spiralis einnehmen, jedoch frei
1 Alphoxse Corti, Recherches Sur l'organe de Tome des mammiferes. Premiere partie. Limacon. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 3,
1851. — Von der au Einzelnangaben reichen Abhandlung kann ich hier nur ein kurzes Referat geben und benutze neben dem Original auch die von Kölu-
ker und Deiters gelieferten Resumes.
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