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Schnecke gleich. Die Zähne der zweiten Eeihe sind lange nicht so scharf markirt, wie sie Corti abbildet; man
bemerkt am Anssenrande der Unterlippe eine Eeihe ovaler Grübchen, in deren Tiefe die Löcher für den Durchtritt
der Nerven liegen. Die Form der Crista snlcata sowohl wie ihre Textur variirt nicht unbedeutend bei den
verschiedenen Säugethieren. In den höheren Eegionen der Schnecke, nach dem Hamulus hin, ist die Crista sehr
niedrig, die Zähne lang, weit getrennt, sehr dünn und biegsam. In dem Baum zwischen den beiden Häuten liegt
das Cortisone Organ so, dass die inneren Enden der inneren Stäbchenreihe sich nahe bei den Löchern der Unterlippe
der Crista, die äusseren Enden der äusseren Stäbchen auf der inneren Hälfte der Zona pectinata sich finden;
auf dieser liegen auch die Beihen der Granglienzellen. Der ganze übrige Eaum ist mit einem Parenchym grösserer,
dünnwandiger, zarter Zellen angefüllt, welches ein vielfach geschichtetes, von dem Sulcus spiralis bis an die äussere
Schnecken wand reichendes Lager bildet; die Membranen dieser Zellen sind äusserst dünn, vollkommen durchsichtig;
isolirt sind die Zellen rund, sie platten sich aber gegen einander ab; die Grösse derselben ändert sich in den verschiedenen
Eegionen der Schnecke wenig. Die Zahl der Zellenschichten hängt von der Höhe des Sulcus spiralis
ab, ist also in der Nähe des Yorhofs grösser als am Hamulus; im Anfang der ersten "Windung sieht man (beim
Hund, der Katze u. s. w.) 3—5 Lagen von Zellen übereinander liegen; von der Axe gegen die Aussenwand
werden hier 20-—30 neben einander vorkommen, bei einem alten Hunde wurden 14 auf der Zona pectinata gezählt
. Die Zellen decken von oben her das Cortisone Organ völlig, so dass man durch sie hindurch die Stäbchen
und Ganglienzellen sieht. Der Eaum, in welchen diese Zellen und das" Cortische Organ liegen, ist sowohl am
Vestibularanfang wie am Hamulus vollständig geschlossen. Die inneren Stäbchen des Cortisonen Organes sind
schmaler als die äusseren, sie sind auch zahlreicher, so dass im Durchschnitt zwei äussere Stäbchen auf drei innere
kommen. Höchst wahrscheinlich sind auch die äusseren erweiterten Enden der äusseren Stäbchen nicht frei, sondern
auf der Zona pectinata befestigt.
Aus seiner ersten grösseren Abhandlung über das Gehörorgan hebt Boettcher 1 selbst Folgendes als die wichtigsten
Ergebnisse derselben hervor: 1) Die Cortische Membran erstreckt sich in einem der Lamina spiralis meni-
branacea parallelen Verlauf von den Gehörzähnen zur Innenfläche der äusseren Schneckenwand, so dass sie zusammen
mit der Lamina spiralis membranacea einen geschlossenen Kanal bildet. — 2) Die Löcher, welche das Labium
tympanicum durchbohren, entsprechen der Anzahl nach den Spalten zwischen den Gehörzähnen oder den Zähnen
selbst. — 3) Durch diese Löcher dringen von den Gehörnervschlingen Fortsätze hindurch, welche unmittelbar in
die Stäbchen erster Ordnung übergehen. — 4) Da die breiten Anfänge dieser Stäbchen eine continuirliche, ununterbrochene
Eeihe bilden und an Breite der Hälfte des Zwischenraums von je zwei Löchern entsprechen, muss sich
jeder Fortsatz zu zwei solchen Stäbchen spalten (»atque latitudine dimidiam tantum partem intervalli sequent,
quanto binse aperturse inter se distant, unumquemque processum in bina talia bacilla diffindi necesse est»). — 5) Die
Stäbchen erster und zweiter Ordnung sind in der Anzahl nicht gleich, sondern drei von jenen entsprechen zwei
von diesen. — 6) Die Stäbchen zweiter Ordnung wachsen mit ihrem äusseren Ende ganz mit der Membrana ba-
silaris zusammen. — 7) Die Stäbchen beider Ordnungen ähneln dem Buchstabe S und berühren einander mit viereckigen
Enden, welche in Folge der Beschaffenheit aller Stäbchen der Membrana basilaris nicht eben aufliegen
sondern über ihr ansteigen und frei in den Canalis cochlearis emporschiessen. Die nervöse Natur der Cortisonen
Stäbchen aber betrachtete Boettcher als unzulässig hingestellt, und zwar aus mehreren Gründen, z. B. wegen ihrer
soliden Beschaffenheit ohne Yaricositäten, ihrer Gestalt, der verschiedenen Anzahl der Stäbchen erster und zweiter
Eeihe u. s. w.; er war vielmehr geneigt, dieselben für einen accessorischen Apparat zu halten.
Nach Leydig2 besteht das häutige Labyrinth, Yorhof und Bogengänge, aus Bindegewebe, welches nach
aussen weicher ist, nach innen zu fester wird und sich zu einer mehr homogenen, durchsichtigen Lage- gestaltet;
das Lumen begrenzt ein einfaches Plattenepithel. An der Schnecke unterscheidet man einen höckerigen inneren
und einen glatten äusseren Abschnitt (Zona denticulata und Zona pectinata der Autoren). Die Untersuchungen, die
Leydig an jungen Katzen, Ziegen und am Maulwurf anstellte, ergaben Folgendes: Die Zähne der ersten Eeihe sind
Vorsprünge des bindegewebigen Periostes; ins Innere der stärkeren erheben sich elastische Fasern. Am Eande der
Abdachung der grossen, kammartigen Vorsprünge liegen noch in sehr regelmässiger Folge kleine Erhöhungen; dass
die Vertiefungen zwischen ihnen Löcher sind, sah Leydig nicht, wollte es aber nicht gerade zu in Abrede stellen. Die
1 Arthur Boettcher, Observationes microscopicaa de ratione, qua nervus Cochlea? mammalium terminatur. Dissertatio inauguralis. Dorpati 1856.
2 Franz Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857.
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