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konnte bis jetzt durchaus nicht nachgewiesen werden. Die unter den Ansätzen der Cortisonen Fasern liegenden,
kernführenden Zellen, welche sich von der M. basilaris an den Fasern etwas in die Höhe ziehen, kommen in
nahe Berührung mit Nervenfasern und können vielleicht, besonders die äusseren, mit ihnen in Verbindung treten.
Die in der bindegewebigen Stützsubstanz liegenden, ziemlich grossen, blassen Zellen sind endlich auch Granglienzellen
ähnlich und können vielleicht nervöser Natur sein. Genaueres über die Endigungsweise der Nerven konnte
Deiters damals nicht angeben.
Kölliker1 stellte in seiner kurzen Mittheilung über den embryonalen Schneckenkanal die Hauptergebnisse
seiner bezüglichen Untersuchungen folgen denn assen zusammen: 1) Die Schnecke von vorgerückteren Embryonen und
älteren Thieren enthält einen mittleren Kanal, der nichts als der embryonale Schneckenkanal ist. 2) Als Auskleidung
dieses Kanals findet sich an der äusseren Seite und an der vestibulären Wand oder an der Eeissnerschen
Membran ein gewöhnliches Pflasterepithel, an der Seite der Membrana basilaris dagegen z. Th. ganz eigenthüm-
liche Bildungen. 3) Von diesen sind alle zelligen Elemente und höchst wahrscheinlich auch die inneren und äussern
Cortisonen Fasern nichts als Abkömmlinge des ursprünglichen Epithels des embryonalen Schneckenkanals,
dagegen ist die Cortisone Membran mit Sicherheit als eine Cuticularbildung zu bezeichnen, in welche Kategorie
vielleicht auch die Lamina reticularis gehört. 4) Die Acusticusenden im Epithel des Schneckenkanals können als
in dasselbe hineingewucherte Nervenfasern der Nervenbündel der Zona ossea angesehen werden, was einen Zusammenhang
derselben mit gewissen zelligen Elementen nicht ausschliesst. 5) Die Membrana basilaris und die Ha-
benula sulcata sind Theile der bindegewebigen Umhüllung des embryonalen Schneckenkanals, ebenso die Beiss-
nersche Membran in ihrem bindegewebigen Theile. 6) Die Treppen sind secundäre Bildungen, entstanden durch
Höhlenbildung in einem gallertigen Bindegewebe. — Kölliker bestätigt also die Existenz der Eeissnerschen Membran
als Begrenzung des Schneckenkanals; dieser Kanal ist nach ihm ursprünglich ein rein epitheliales Eohr,
welches direkt von dem primitiven Gehörbläschen und somit vom Hornblatte des Embryo abstammt; es enthält
später eine bindegewebige Hülle; dieser Kanal entspricht allein den Vorhofssäckchen und häutigen Kanälen, und
das Analogon der Nervenepithelstellen der Säckchen und Ampullen ist in dem. eigenthümlichen Epithel der Membrana
basilaris gefunden.
In seiner Entwicklungsgeschichte gab Kölliker2 auch eine Darstellung der Entwicklung des Gehörlabyrinths.
Es geschieht dieselbe, wie Huschke und dann Eemak und Eeissner gezeigt haben, von Anfang an vom Hornblatte
aus als Einstülpung der Haut; diese Einstülpung schnürt sich dann zu dem Gehörbläschen ab, an welchem
sich die verschiedenen Theile, Vorhof, Schnecke und Eecessus vestibuli s. labyrinthi (auch beim Menschen) als
Aussackungen bilden; der Eecessus vestibuli vergeht vermuthlich bei Säugethieren; der Schneckenkanal verlängert
sich und windet sich bei den höheren Säugethieren und beim. Menschen spiralig, um beim Erwachsenen in
keiner Verbindung mit den Vorhofssäckchen zu stehen, weshalb man annehmen muss, dass die ursprüngliche Verbindung
der genannten Theile sich später löst. Kölliker schildert dann auch die knorpelig-bindegewebigen Umhüllungen
des Labyrinthes und die Entstehung des perilymphatischen Eaums desselben durch Bildung rundlicher,
mit Flüssigkeit erfüllter Maschen im umgebenden Schleimgewebe; an der Schnecke entstehen die beiden Scalen in
entsprechender Weise; der Modiolus und das Spiralblatt gehen diese Veränderung nicht ein. Das Epithel des
Schneckenkanals ist an der Seite der Schneckenbasis viel dicker als an der anderen und zeigt dort eine grössere
und zwei kleinere Aufwulstungen; auf dem grösseren Epithelialwulste wurde eine helle, strukturlose oder vielmehr
feinstreifige Membran, die Anlage der Cortisonen Membran, gefunden, welche sich als eine Cuticularbildung erwies.
Alle Apparate in der Gegend der Nervenendigung der Schnecke, mit alleinigem Ausschluss der Enden der Acu-
sticusfasern selbst, sind Productionen des verdickten Theils des Epithels der tympanalen Wand des Schneckenkanals
; die peripherischen Aeste des Schneckennerven wachsen wohl ganz allmälig vom Ganglion aus in die Lamina
spiralis hinein. Bei Verknöcherung des Labpinthes tritt die Kalkablagerung in der ganzen Dicke der Wand
des Labyrinthes, jedoch aussen eher als innen, auf. Modiolus und Lamina spiralis verknöchern ohne jemals knorpelig
gewesen zu sein.
In seiner berühmten und für die Morphologie der Schnecke des Menschen und der Säugethiere sehr wich-
1 A. Kölliker, Der embryonale Schneckenkanal und seine Beziehungen zu den Theilen der fertigen Cochlea. Würzburger naturwissenschaftl. Zeitschrift
, Bd. 2, 1861.
2 A. Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1861.
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