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der dicht unter dem Epithel verlaufenden Capillargefässe. Bilder kommen vor, welche an den Bau der Stria vas-
cularis erinnern. Beim Uebergang in den Durasack senken sich die Seitenkanäle aus, und es erheben sich auch
verschiedenartig gestaltete, papillenförmige Auswüchse gegen das Lumen des Hauptkanals, welche aus weichem,
Capillarschlingen enthaltendem Bindegewebe mit Epithelüberzug bestehen; hie und da sieht man auch das Lumen
durchziehende, mit Epithel bekleidete, bindegewebige Stränge. Das blindsackförmige, von der Dura eingehüllte Ende
des Aqua?ducts hat durchaus ebene Wandungen mit flacherem Epithel. Das Periost des Kanals geht continuirlich
in das Gewebe der harten Hirnhaut über. Die im ausgebildeten Zustande vorhandenen Vertiefungen entstehen
später durch seitliche Ausstülpungen seiner Wand, und die ihn durchziehenden Balken sind Eeste des Gewebes,
in welchem derselbe vor seiner Ausdehnung eingebettet lag; ob die papillenförmigen Hervorragungen zum Theil
secundäre Bildungen sind, liess Boettcher vorläufig unentschieden.
In seinem grossen Werke über Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinths hat Boettcher1 eine besonders
werthvolle und gründliche Darstellung vor Allem vom Bau der sich entwickelnden Schnecke der Säugethiere geliefert
. Da es nicht möglich ist, hier ein Eeferat des ganzen Werkes zu geben, muss ich mich zum Theil mit
summarischen Angaben begnügen und nur solche Fragen, welche meine Arbeit näher berühren, etwas eingehender
anführen. Jüngere Embryonen behandelte Boettcher wenigstens 6—7 Wochen mit Müllerscher Flüssigkeit, dann
2—3 Tage mit Palladiumchlorid und endlich für kurze Zeit mit Alkohol, ehe er die Durchschnitte machte; das
Labyrinth neugeborener Hunde und Katzen, sowie älterer Schaf- und Kalbsembryonen wurde in Chromsäure von
1 % entkalkt und dann bis zu gehöriger Schnittfertigkeit in Müllerscher Flüssigkeit gehärtet; stark verknöcherte
Labyrinthe wurden in Salzsäure von 5 % (—10 %) entkalkt. Auch wurde Vergoldung und Färbung mit Carmin
und salpetersaurem Eosanilin angewandt. Die Schnitte wurden endlich nach gehöriger Behandlung in Dammarfirniss
oder Canadabalsam eingeschlossen. Frische Präparate wurden in Humor aqueus untersucht.—Die früheren Stadien
der Entwickelung der Labyrinthblase wurden an Embryonen vom Hunde und vor Allem vom Schafe in verschiedenen
Phasen studirt. In Betreff dieser interessanten Frage muss ich auf das Original verweisen; nur seine Mittheilungen
über den Eecessus labyrinthi sollen hier kurz angeführt werden. Derselbe stülpt sich als ein enger Kanal mit erweitertem
oberem Ende an dem oberen-inneren Theil der Ohrblase aus; dann wird die Länge des Eecessus durch zwei
kurze Kanäle ergänzt, die ihn mit dem Utriculus und Sacculus in Verbindung setzen; dieselben gehören jedoch ihrer
Entstehung nach nicht dem Eecessus an, sondern entwickeln sich aus der Anlage für die Vorhofsgebilde; es ist daher
nicht ganz richtig zu sagen, der Eecessus labyrinthi spalte sich späterhin in zwei Schenkel. Durch Masse lässt sich
beweisen, dass der Eecessus labyrinthi bei Embryonen nicht nur nicht einem Schwund unterliegt, sondern sogar in
fortschreitender Entwickelung begriffen ist; bei erwachsenen Thieren (Katzen) bildet ja der Aquaeductus vestibuli noch
einen wesentlichen Bestandtheil des Labyrinthes; hier stellt der nach hinten gerichtete Fundus des Aquseducts einen
weiten Sack dar, der sich zum Theil noch längs des Sinus petrosus inferior hinzieht; wo derselbe von der Dura
mater ganz umfasst wird, besteht seine Wand aus einer glatten Epitheliallage, wo er sich gegen den Knochen
trichterförmig verengt, ist seine Wandfläche dicht mit prominirenden capillaren Gefässträubchen besetzt und zeigt eine
villöse Beschaffenheit; nach seinem Eintritt in den Knochen verengert sich der Kanal und die Zöttchen machen
einem in der Fläche ausgebreiteten Epithel mit darunter verlaufenden Gefässen Platz, so dass diese Partie der Stria
vascularis des Schneckenkanals ähnelt; von dem Hauptstamm gehen dann auch feine, blind endigende epitheliale
Kanäle als Nebenäste ab; dieser ganze Bau lässt voraussetzen, dass im Aquaeductus eine lebhafte Absonderung von
Endolymphe stattfindet und dass diese durch die Verbindungskanäle den Vorhofssäckchen zufliesst. Der Aquaeductus
vestibuli schliesst nicht, wie Cotugno und Fr. Meckel meinten, Perilymphe ein, sondern Endolymphe; seine Höhle
communicirt nicht mit dem perilymphatischen Eaum, sondern mit der Höhle der Säckchen und des Schneckenkanals.
— Was nun speciell die Entwickelung des Canalis cochlearis betrifft, so bildet sich derselbe als eine Ausstülpung
am unteren Ende der Ohrenblase, macht sehr bald eine Krümmung nach innen, dann eine nach vorn und wächst
weiter in Spiraltouren; er wird von seiner ersten Entstehung an vom Ganglion cochleare begleitet, neben welchem
seine Cylinderzellen die grösste Entwickelung zeigen; in früheren Entwickelungsstadien erscheint die untere Wand
des Kanales am mächtigsten an seiner Spitze ausgebildet, welche um das obere Ende des Ganglion Spirale hakenförmig
gekrümmt erscheint. Der Kanal dehnt sich nicht etwa bloss durch Fortentwickelung seiner Spitze aus, sondern
streckt sich durch Vermehrung der Elemente an allen Punkten seiner ganzen Länge, indem er sich spiralig
1 A. Boettcher, Ueber Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinths nach Untersuchungen an Säugethieren. Dresden 1869.
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