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handen; bei erwachsenen Thieren sieht man an der Schneckenspitze noch einzelne, quer gehende Blutgefässse an der Oberfläche
dieser Wand gehen. Dieselbe läuft bekanntlich frei und ziemlich gespannt als Begrenzungswand zwischen dem
Schneckengang und der Scala vestibularis, indem sie aussen an die äussere Wand und innen an die Lamina spiralis in bestimmter
, spiral verlaufender Linie sich anheftet oder in dieselben übergeht. An der erst genannten Anheftungslinie hängt
die bindegewebige Umhüllungshaut des Schneckenganges mit der äusseren periostalen Haut des knöchernen Schnecken-
binnenraums so innig zusammen, dass man diese Haute gar nicht von einander abgrenzen kann; sie gehören ja auch
vom Anfang an derselben umhüllenden Bindesubstanz an, und müssen hier als eine gemeinsame Lage aufgefasst werden.
Diese Lage ist an der ganzen Aussen wand des Ductus cochlearis, besonders nach der Anheftung seiner tympanalen Wand
hin, dick und besteht aus einem von Blutgefässen durchzogenen dichten Bindegewebe von zahlreichen Zellen mit verzweigten
Ausläufern und einer dichten, streifig-balki gen Intercellularsubstanz mit netzförmiger Anordnung der Maschen.
Die gegen das Lumen des Ductus gerichtete Oberfläche dieser Aussen wand ist von einem Epithel bekleidet, welches
bedeutende Eigenthümlichkeiten zeigt. Beim Embryo stellt es ein gewöhnliches Cylinderepithel mit scharfer Begrenzung
des Fussrandes dar. Allrnälig wird es dadurch verändert, dass die Blutgefässe des anliegenden Bindegewebes
sich in dasselbe hinausdringen und zuletzt zwischen den Epithelzellen selbst verlaufen; man bekommt hierdurch,
wie beim Alligator, ein Blutgefässe führendes Epithel, dessen Zellen aber durch die Gefässe gewissermassen in ihrer
Anordnung derangirt worden sind und eine verschiedene Gestalt angenommen haben. Von der Oberfläche gesehen
erscheinen sie im Allgemeinen noch polygonal (Taf. XXVI Fig. 17), und man sieht die unter der bauchig hervorspringenden
Oberfläche der Zellen verlaufenden nackten Blutkapillaren {bg)\ sonst sind die Zellen in verschiedener
Weise verzweigt und mit bald breiteren, bald ganz schmalen, unter sich Zwischenräume lassenden Fortsätzen versehen
(Fig. 18), welche die Blutgefässe (hg) umspinnen. Mit den Blutgefässen scheint sonst kein Bindegewebe in
das Epithel auszubringen. Die Oberfläche der Bindegewebsschicht ist aber etwas uneben und höckerig, was besonders
von dem Ausdringen der Blutgefässe herrührt. Besonders nach der Anheftung der tympanalen Wand hin bemerkt
man eine spiral verlaufende, niedrige Firste, welche nach der Basalwindung hin sich allrnälig erhöht und bestimmter
ausgeprägt wird; es ist dies die »Crista ligamenti spiralis» Boettcher's. Das zwischen dieser Firste und dem An-
heftungsrande der Membrana Eeissneri befindliche gefässführende Epithel, welches längst den Namen Stria vaseuhris
trägt, löst sich, wie schon Corti angab, sehr leicht mit den Gefässen in continuo als ein langes Band ab. Es sind
besonders die Zellen der Stria vascularis, welche die eben beschriebene Anordnung darbieten; übrigens haben sie
ein dunkel glänzendes, körniges Aussehen; nach Erhärtung tritt die körnige Beschaffenheit noch mehr hervor, und
durch Ueberosmiumsäure nehmen die Zellen eine ganz dunkle, braungraue Farbe an. Im Ganzen scheinen diese
Zellen mit den Zellen des Tegmentum vasculosum der Vögel und im Allgemeinen auch mit den starkkörnigen
(»protoplasmatischen») Zellen des Gehörorgans der übrigen Wirbelthierclassen eine grosse Aehnlichkeit zu haben.
Es steht dieses Epithel aller Wahrscheinlichkeit nach physiologisch zu den Blutgefässen, resp. der Ausscheidung der
Endolymphe, in einiger Beziehung. Das die Orista lig. spiralis und den darunter befindlichen Sulcus lig. spiralis
auskleidende Epithel ist anfangs von ähnlicher Beschaffenheit, verändert sich aber bald, nach der Anheftungsstelle
der tympanalen Wand hin, zu einem hohen, hellen Cylinderepithel von der Beschaffenheit des diese Wand nach
aussen hin bekleidenden Epithels (Taf. XXV Fig. 1). Dass von diesen Zellen aus Fortsätze in das anliegende Bindegewebe
eindringen, ist beim Kaninchen keineswegs zu sehen; im Gegentheil löst sich bei ihm das Epithel leicht
und mit scharfem Eande von dem ebenfalls scharf begrenzten Bindegewebe ab.
Ich gehe jetzt zur Beschreibung der sog. tympanalen, den Schneckengang von der Scala tympani abgrenzenden
Wand über. Es wird dieselbe bekanntlich von dem Eandtheile der Lamina spiralis ossea und der »Lamina spiralis
membranacea» gebildet. Die periostale Bekleidung der vestibulären Oberfläche der Lamina spiralis ossea trifft mit
der Membrana Eeissneri in einer Spiralen Linie, der oben erwähnten Anheftungslinie dieser Haut, zusammen, und von
hier aus nach aussen hin verdickt sich die durch diese Verschmelzung gebildete Schicht mehr und mehr und stellt
den der Lamina ossea angehefteten Limbus spiralis membranaceus (Crista spiralis) dar, welcher aus festem, dichtem,
etwas glänzendem Bindegewebe besteht, in dessen schwach streifiger Intercellularsubstanz ziemlich zahlreiche spindelförmige
oder mehr verzweigte Bindegewebszellen eingestreut sind. Es liegen meiner Ansicht nach keine hinreichende
Gründe vor, dieses Gewebe für Knorpelgewebe oder für osteoides Gewebe zu halten. An der vestibulären Fläche
läuft nun dieses Gewebe in eigenthümliche kleine Vorsprünge, die bekannten Firsten und Zähne, aus, welche nach
innen, nach der Anheftungslinie der Membrana Eeissneri hin, nur rundliche oder ovale Höcker, nach aussen aber
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