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aber als fast sicher, dass dieser Wall durch Umwandlung des verschwindenden Blutgefässes entstanden ist. Auch
bei der Ansicht der von den Cortisonen Pfeilern befreiten Basilarmembran von der Fläche her sieht man (Taf.
XXVI Fig. 1 bgl) das Gefässrudiment als ein etwas dunkleres, ziemlich breites Band an der tympanalen Seite der
Membran verlaufen; an seinem inneren Rande (/'*) sah ich die Membranfasern sich umbiegen und im optischen
Durchschnitt als runde Punkte erscheinen. Zuweilen sieht man auch in der Nähe des Gefässwalles kanalartisre
Löcher die homogene Belegschicht, welche durch diesen Wall unterbrochen wird, von unten her durchbohren; in
ihnen liegen dann gewöhnlich eine oder mehrere Spiralzellen. Diese Kanäle reichen nie länger als bis zu der
eigentlichen Basilarmembran. In dieser selbst giebt es nie andere durchbohrende Löcher oder Kanäle als die der
Habenula perforata.
Da ich jetzt zur Darstellung der auf der vestibulären Seite der Basilarmembran liegenden Papilla acustica
basilaris, des gewöhnlich nach seinem Entdecker benannten Organon Corti, übergehe, so zerfällt diese Darstellung
am naturgemässesten in die der Cortisonen Pfeilerzellen, der nach innen und nach aussen von ihnen befindlichen
Zellengebilde und der Nerven sowie der Membrana tectoria.
Die nach seinem ersten Entdecker benannten Cortischen Pfeiler sind bei verschiedenen Säugethieren oft und
im Wesentlichen wohl auch richtig beschrieben worden; der Vollständigkeit der Schilderung und ihrer hohen
Bedeutung wegen werde ich jedoch hier eine gedrängte Darstellung derselben geben. Sie stellen bekanntlich die
spirale Reihe der inneren und die der äusseren Pfeiler dar, welche von der Basilarmembran her sich mit ihren
freien Enden so gegen einander lehnen, dass sie zwischen sich einen breiten dreieckigen Raum, den Tunnel, lassen.
Was man aber gewöhnlich einen Pfeiler (Bogen oder Bogenfaser) nennt, ist nur ein Theil einer Zelle, der Pfeilerzelle
. Jeder Pfeiler stammt nicht nur, wie die Entwicklungsgeschichte gelehrt hat, aus einer Epithelzelle, sondern
diese Zelle besteht das ganze Leben hindurch und enthält in sich als ihren Bestandtheil den Pfeiler, welcher durch
Umwandlung eines Theiles ihres Protoplasmas entstanden ist. Sowohl die inneren wie die äusseren Pfeilerzellen
stehen mit langen, radial gestellten, den Kern führenden Füssen (= »Bodenzellen» der Autoren) auf der Basilarmembran
, indem sie am Boden des Tunnels platte protoplasmatische Fortsätze gegen einander senden; das Protoplasma
erstreckt sich aber auch als dünne Schicht um jeden Pfeiler nach oben hin, umgiebt dessen Körper und
Kopf sammt dessen Fortsätze und bildet auch beim erwachsenen Thiere eine lebendige Protoplasmaschicht, welche
den Pfeiler in sich einschliesst. Diese Zellen sind deshalb noch beim erwachsenen Thiere als eine Art Epithelzellen
zu betrachten.
Die inneren Pfeilerzellen beginnen gleich nach aussen von den Löchern der Habenula perforata (Taf. XXIV
Fig. 4 nc) in einer etwas gezackten spiralen Linie; ihre der Basilarmembran fest anhaftende Grundfläche stellt eine
lange, aber ziemlich schmale, unregelmässig rechteckige Platte (Fig. 3, 4 ie) dar, welche eine Strecke weit nach
aussen hin am Tunnelboden zieht und in einer sehr gezackten unregelmässigen Linie endet, indem die parallel neben
einander stehenden Platten der Zellen verschieden lang und ungleich gestaltet sind; diese Fussplatten sind hell, fein
gekörnt, protoplasmatisch und enthalten in der Nähe der Mitte den runden Kern. Etwas nach innen von dem
letzteren, ungefähr im inneren Drittel jeder Fussplatte, sieht man bei der Ansicht von der Fläche der Basilarmembran
her je eine unregelmässig viereckige, gelblich glänzende, stark lichtbrechende Partie mit etwas gezackten Rändern
(Fig. 3, 4 ip), welche die Grundfläche der Pfeiler selbst darstellt; man sieht diese Fussplatten der einzelnen
inneren Pfeiler in einer spiralen Reihe neben einander auf der Membran angeordnet (ip). Von dieser etwa viereckigen
Grundfläche steigt jeder Pfeiler, sich in radialer Richtung schnell verschmälernd und abplattend — in nur
schwach angedeuteter Weise umgekehrt S-förmig gebogen — vestibularwärts und nach aussen hin, einen etwas mehr
als halben rechten Winkel mit der Basilarmembran bildend; das feine Protoplasma der Fussplatte der Zelle erhebt
sich allmälig gegen den Pfeiler und umschliesst ihn als dünne Schicht während seines Aufsteigens. Der Körper
des Pfeilers plattet sich darunter mehr bandartig ab, um indessen bald wieder dicker zu werden und in den oberen
Theil, den sogenannten Kopf, überzugehen; es giebt indessen keine bestimmte Grenze zwischen Fuss, Körper und
Kopf des Pfeilers (resp. der Pfeilerzelle), sondern diese Theile gehen unbestimmt in einander über (Taf. XXV Fig.
1); am oberen Theile, dem Kopfe, tritt die viereckige Form des Pfeilerdurchschnitts noch mehr hervor, weshalb
man mit Recht zwei seitlichen, eine innere und eine äussere Seitenfläche unterscheidet; die seitlichen Flächen der
ganzen Pfeiler (Pfeilerzellen) liegen den entsprechenden Flächen der Nachbarpfeiler ziemlich dicht an und lassen
nur etwa am unteren Drittel oder Viertel (Taf. XXVI Fig. 14 spa) zwischen je zwei Pfeilern eine enge Spalte zum
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