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der Lamina reticularis nicht die Rede sein kann. Ich finde nun», sagt Boettcher, »ferner an den folgenden
Durchschnitten, dass die äussere Bogenfaser mit ihrem Fussende um so weniger nach aussen rückt, je mehr wir
uns der Basis nähern. Das Stück, das die innere Bogenfaser nach innen zurückzulegen hat, bleibt sich anfangs
gleich, nimmt aber dann auch ab, so dass die zurückzulegende Entfernung in der Nähe des Vorhofsabschnitts für
beide Bogenfasern gleich ausfällt. Nur der dritte Querschnitt macht eine Ausnahme»; diese Abweichung kann
man aber nach Boettcher darauf schieben, dass nicht correspondirende Stellen mit einander verglichen worden sind.
Endlich hat Hensen (1873) die Frage, besonders in Betreff der Verschiebung der Lamina reticularis unter den
dicken Theil der Membr. Corti, noch einmal aufgenommen und ist, hauptsächlich auf Boettcher's Messungen und
Nuel's Figuren sowie auf eigene Präparate gestützt, im Glänzen zu dem folgenden Ergebniss gekommen: Beim
Rinde ist eine ausreichende Verschiebung von ihm (Hensen) constatirt; bei der Katze verschiebt sich am Hamulus,
wenn man Boettcher's Zahlen zu Grunde legt, trotz der dreifach stärkeren Wanderung des äusseren Pfeilers nach
aussen, die Spitze des Bogens so stark nach innen, dass die ganze Breite seiner Kuppe, die innere und die äussere
erste Stäbchenzelle unter den dicken Theil der M. Corti kommt. Weiter hinab, wo der Bogen steiler wird,
der äussere Pfeiler sich weniger stark nach aussen vorschiebt, werden die Verhältnisse viel günstiger, und die
Wahrscheinlichkeit, dass die Verschiebung nach innen in der von Hensen angenommenen Weise stattfinde, wird
überwiegend.
Wenn man nun mit diesen, hauptsächlich beim Rinde und bei der Katze gewonnenen Ergebnissen die Verhältnisse
beim Kaninchen vergleicht, lässt sich aus den hier mitgetheilten Abbildungen und Messungen Folgendes
constatiren. Von dem 7 Cm. langen Embryo sehe ich hier ab, da an den Präparaten gerade die natürliche Beschaffenheit
der zunächst nach aussen von der Habenula perf. befindliche Partie (Fig. AI, A 2, A3) etwas
zweifelhaft erscheint. Uebrigens muss sowohl in Betreff der Messungen als der Abbildungen hervorgehoben werden
, dass es unmöglich gewesen ist, ganz correspondirende Stellen zu erhalten; ich musste mich damit begnügen,
Schnitte aus den drei Windungen, bald näher den Enden, bald von der Mitte derselben, wiederzugeben. An
einem Organe, wie dem Cortisonen, welches sich von dem einen Ende zum anderen verändert, ist eigentlich jeder
Schnitt von den anderen ein wenig verschieden, obwohl dies an den Nachbarschnitten kaum merkbar ist. Nun
kommt noch die auch von Hensen betonte Thatsache hinzu, dass die Schnitte selten vollständig radiär ausfallen,
weshalb auch hierdurch Abweichungen (Fehler) entstehen. In Folge dieser Verhältnisse ist es deshalb nothwendig
, die Messungen und Abbildungen nur mit Vorsicht zu benutzen, als approximativ zu betrachten. Jedoch lassen
sich aus denselben mehrere Resultate als sicher oder auch als höchst wahrscheinlich ziehen. Beim neugeborenen
Thiere (Fig. B 1, B 2, B 3) stehen die beiden Pfeilerzellen noch nebeneinander fast senkrecht, mit schwacher
Neigung des oberen schmalen Endes nach aussen; besonders die innere Zelle hat eine breite Basis, welche eine
dünne Fussplatte nach innen hin sendet; diese Platte erreicht aber nicht die Habenula perforata, sondern lässt
offenbar einen Zwischenraum nach derselben hin frei. Bei dem 2-tägigen Kaninchenjungen (C 1, C 2, C 3) erscheinen
die äusseren Enden der Pfeilerzellen noch mehr nach aussen hin gebogen; die unteren Enden sind in
radialer Richtung breiter geworden; besonders die innere Zelle ist nach innen, nach ihrer Fussplatte hin verbreitert
und nach der Habenula zu gerückt. Beim 7-tägigen Kaninchen ist dies, am wenigsten noch in der Spitzenwindung
, weiter fortgesetzt, so dass die inneren Ränder der inneren Pfeilerzellen ganz nahe an der Habenula perforata
stehen, was in den folgenden Stadien noch mehr vollendet wird. Diese von Middendorp und Boettcher längst
bestätigte Entdeckung Hensen's trifft also auch beim Kaninchen vollständig zu. Schwieriger ist es aber, die Verschiebung
der äusseren Pfeilerzellen genau zu verfolgen. Beim neugeborenen Thiere ist die Verschiebung derselben
kaum begonnen; dann geben beim 2-tägigen Thiere die Messungen eine Verrückung ihrer inneren Ränder nach
innen hin an — eine Thatsache, die man wohl nur mit Vorsicht aufnehmen kann — um endlich beim 7-tägigen
Thiere und in den folgenden Stadien eine ausgeprägte Verrückung nach aussen hin zu zeigen, und zwar, wie es
scheint, am meisten in den oberen Windungen, weniger in der Basalwindung, wo die Pfeilerzellen kürzer sind und
die »Spannweite des Bogens» kleiner ist; ich wage aus den vorliegenden Zahlen in dieser Hinsicht nicht nähere
Schlüsse ziehen. Gleichzeitig mit der Verrückung der Fussplatten der Pfeilerzellen tritt nun die ebenfalls von
Hensen entdeckte veränderte Stellung der »Lamina reticularis» ein, wodurch dieselbe, statt zuerst nach aussen hin
abschüssig und dann der Basilarebene ungefähr parallel zu sein, ihre beim erwachsenen Thiere constant vorhandene
Neigung nach innen gewinnt. Ob die Lamina hierbei, wie Hensen zu beweisen sucht, nach innen unter dem
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