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I fz), in welche von der häutigen Wand her die Nervenfasern eintreten. An die Oberfläche des Nervenepithels
mit ihren oberen Enden emporragend stehen die Haarzellen (Fig. 1 Jiz) und senden ihre langen Haare ins Ampullenlumen
frei hinaus (Fig. 1, 2, 3, 8, 9). Die Höhe des Cristaepithels beträgt 0,04—0,05—0,055 Mm. Durch
Isolation der Elemente bekommt man, wie gewöhnlich, zwei ganz verschiedene Zellenarten zur Ansicht, die Fadenzellen
und die Haarzellen. Die Fadenzellen (Fig. 10 fz, Fig. 28) stellen lange schmale, fast fadenförmige Zellen
dar, welche von der häutigen Wand vertical bis zur Oberfläche des Epithels ragen; sie sind am unteren und am
oberen Ende ein wenig, gewöhnlich dreieckig, erweitert, tragen den Kern sehr oft am unteren Ende (— die Basalzellen
Max Schultze's), oft aber etwas höher empor (= die Fadenzellen Max Schültze's), nie aber über ihrer Mitte.
Gregen den Rand der Crista hin sind sie, wie das ganze Nervenepithel, niedriger (Fig. 10 fz); nach dem Inneren
der Crista hin dagegen viel länger (Fig. 28). Von der freien Oberfläche des Nervenepithels betrachtet, zeigen die
Fadenzellen, wie beim Kaninchen, eine unregelmässig polygonale Fläche mit Rändern, welche eine schöne Zeichnung
gelbglänzender, stark lichtbrechender Körner enthalten (Fig. 11 fz). Zwischen diesem Fadenzellenmosaik
sieht man die in ziemlich regelmässiger Anordnung eingestreuten oberen rundlichen Enden der HaarzeUen (Fig.
II hz), umgeben von den Rosetten der Fadenzellen. An der Mitte der Oberfläche dieser Haarzellen bemerkt man
die Hörhaare, die im optischen Durchschnitt als rundliche oder ovale Haufen von Körnern erscheinen, welche den
Fäden entsprechen, aus denen die Hörhaare zusammengesetzt sind; die Hörhaare, welche an der Basis breit, nach
oben hin aber spitz auslaufen, bestehen nämlich auch beim Kaninchen aus mehreren dicht und parallel an einander
gelagerten geraden Fäden, die sich durch verschiedene Präparationsweisen, vor Allem durch Ueberosmiumsäure,
leicht von einander trennen, oft abbrechen und büschelförmig hervorragen (Fig. 8, 9, 12, 18, 22). Hin und
wieder scheint es, als ob sie in ihrer Länge eine bestimmte Abstufung zeigten (Fig. 21); ein solcher Bau erklärt
die zugespitzte Form der Haare und kann vielleicht für ihre Function von grossem Werth sein. Die Haare sind
im Glänzen recht steif und biegen sich gerne winklig (Fig. 23) oder brechen ab. Zuweilen trifft man an ihnen,
wie längst beschrieben worden ist, tropfenförmige Anhängsel, welche in verschiedener Weise gedeutet worden sind;
bei genauer Betrachtung kann man den Verlauf des Haares durch den Tropfen verfolgen (Fig. 20 aJc); diese
Anhängsel stellen offenbar nur zufällige Bildungen dar, sind wahrscheinlich »Albumintropfen» o. d., welche postmortal
aus dem Epithel ausgetreten sind und den Haaren anhaften. Früher nahm ich an, dass die Haare abgeplattet
sind; dies ist, wie Hensen hervorgehoben hat, nicht richtig; wenigstens an der Wurzel sind sie rundlich
oder oval im Durchschnitte (Fig. 11); indessen deuteten mir mehrere Bilder an, dass die Haare höher oben mehr
abgeplattet sind — eine Frage, die ich jedoch nicht sicher zu entscheiden vermochte. Die längsten Haare, die ich
hier gemessen habe, waren 0,066 Mm. lang; es ist aber wahrscheinlich, dass sie länger sein können. Wie beim
Kaninchen und den übrigen Wirbelthieren, sieht man nach gewissen Behandlungsweisen die bekannte Cupulabildung,
welche nach Hensen künstlich entstanden ist. Das obere Ende der Haarzellen, von welchem die Haare entspringen,
hat bekanntlich einen stärkeren Grianz als die übrige Zellsubstanz und ist gewissermassen als eine Scheibe von ihr
etwas differenzirt, jedoch ohne scharfe Grenze gegen sie. Die Haarzellen haben die bekannte flaschenförmige Gre-
stalt mit dem grossen sphärischen Kern in der Nähe des unteren Endes; ihre Substanz ist im frischen Zustande
hell und etwas glänzend, nach Erhärtung zeigt sie sich körnig, jedoch scheint es, als ob sie im Inneren der Zelle
mehr homogen sei und die Körnigkeit eher der im allgemeinen etwas rauhen Zellenoberfläche angehöre; das untere
Ende der isolirten Haarzellen erscheint in der Regel körnig, uneben, oft mit fadigen Anhängseln versehen (Fig.
24, 26). Uebrigens sieht man im Innern der Haarzellen keine weitere Differenzirung, keinen Faden o. d.; das
Hörhaar lässt sich nicht in die Zellsubstanz hinab verfolgen u. s. w., wie von einigen Autoren angegeben ist.
Wie verhalten sich dann die Nervenfasern im Nervenepithel? Gerade bei der Katze habe ich mich viel
bemüht, diese wichtige Frage endgültig zu entscheiden und ich bin auch in gewisser Beziehung zum Ziel gelangt.
Die Resultate stimmen im Ganzen vollständig mit den oben beschriebenen von dem Alligator, der Taube und dem
Kaninchen überein. Bei der Katze erhielt ich eine ganze Menge überzeugender, unzweideutiger Präparate hierüber
und habe eine Reihe derselben aufbewahrt. Einige dieser Präparate sind in den Fig. 12—19 (Taf. XXIX)
abgebildet. Wenn man von dem mit verdünnter Müllerscher Lösung einige Tage behandelten Material mittelst
einer feinen Scheere verticale Schnitte der Crista macht und die oberen Theile derselben mit einer feinen Nadel
vorsichtig abhebt, sieht man die aus der häutigen Wand austretenden Nervenfasern (Fig. 12—15 n), nachdem sie
ihre Markscheide und ihre Schwannsche Scheide kurz vorher abgegeben haben, als blasse streifig-körnige Axen-
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