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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0013
iii

Gebiete, welche schon genau untersucht und geschildert worden sind, nur in so weit berühren, als es für das
Verständniss der eingehender besprochenen Partien und der Tafeln erforderlich ist.

Ich habe mich, wie ich gestehen muss, oft darüber verwundert, dass in der makroskopischen Morphologie
des Menschenhirns noch recht viele Lücken vorhanden und noch mehrere nicht unwichtige Befunde zu machen
sind. Ich habe hierbei weniger die Kenntniss der Furchen- und Windungsanordnungen, obwohl auch in dieser
Hinsicht Lücken vorhanden sind, sondern vielmehr die der Hirnbasis und der Wände der Hirnhöhlen im Auge.
Sogar die von Tausenden von Beobachtern untersuchte Rautengrube des vierten Ventrikels bietet Verhältnisse
dar, die nicht bekannt sind. Und am Boden des dritten Ventrikels finden sich Bauanordnungen, die es verdienen
, genau eruirt zu werden.

In Folge dessen habe ich einige Partien ausführlicher bestimmt und benannt. Vielleicht werden Einige
meinen, dass ich in dieser Richtung zu Aveit gegangen bin. Nach meiner Ueberzeugung ist dies nicht der Fall.
Das Menschenhirn ist ein Organ, das mehr als andere Naturgegenstände erforscht werden muss. Auch die
feinsten Details im Bau eines solchen Organs, v. A. wenn sie sich als constant vorkommend erweisen, sind für die
morphologische Wissenschaft von wesentlichem Interesse, und speciell für die histologische Wissenschaft, die gewiss
immer mehr die Erforschung des feineren Baues des nervösen Centraiorgans als eines ihrer Hauptziele aufstellen
wird, ist eine sehr detaillirte Kenntniss der makroskopischen Morphologie der Hirnoberfläche erforderlich. Es
scheint mir sogar, als ob man in der Erforschung gewisser Partien des menschlichen Gehirns nicht die nöthige
Ausdauer gezeigt hätte. Man hat sich u. A. zu wenig der Loupenvergrösserung bedient. Es giebt hier eine
Reihe von Bauverhältnissen, welche mit dem blossen Auge nicht deutlich genug wahrgenommen werden, die aber
durch die Loupe gesehen gut hervortreten. Gerade diesem einfachen Mittel verdanke ich mehrere nicht unwichtige
Befunde.

Für das eingehende Studium der makroskopischen Hirnmorphologie ist es aber dringend nöthig, gute
Härtungsmethoden anzuwenden. Ich habe mich auch schon seit vielen Jahren bemüht, die besten Methoden aus-
zuprobiren. Wie oben hervorgehoben wurde, fand ich, dass die Härtung des foetalen Gehirns mittelst der Injektion
von Chrom-Osmium-Essig säure (oder nur Chrom-Essigsäure) durch die Nabelgefässe oder die Aorta die
Methode ist, welche die schönsten und naturgetreuesten Präparate liefert; für Gehirne von Embryonen aus den
ersten Monaten erwies sich aber die 3—4 % Kalibichromatlösung als noch vorteilhafter, obwohl die mit dieser
Lösung gehärteten Gehirne etwas spröde sind. Bei embryonalen und foetalen Gehirnen ist es indessen von
Gewicht, ganz frisches Material zur Verfügung zu haben; die nicht frischen, mehr oder weniger »macerirten»
Gehirne geben, auch bei Anwendung der besten Härtungsmethoden, stets spröde und schlechte Präparate.

Was die Härtung des erwachsenen Gehirns anbelangt, so habe ich von den älteren Härtungsflüssigkeiten
die Kalibichromatlösung (von 2—4 %) als die entschieden beste gefunden; dieselbe liefert auch für das Studium
der Oberflächen-Architektonik im Ganzen sehr gute und naturgetreue Präparate, und ich habe mich ihrer vielfach
bedient.

Inzwischen wurde die zuerst von Blum erfundene Formolhärtung der Organe eingeführt. Ich prüfte dieses
Mittel schon früh für das Gehirnstudium und besitze nun über seine Anwendbarkeit bald eine dreijährige Erfahrung,
und zwar in recht grosser Ausdehnung. Da ich mich über die mit ihm erhaltenen Befunde schon zu wiederholten
Malen in den Verhandl. d. Schwed, Gesellsch d. Aerzte in den Jahren 1894 und 1895 geäussert habe, so werde
ich hier nur kurz erwähnen, dass ich dieses Mittel in mancher Hinsicht für die Härtung des erwachsenen Gehirns
ausgezeichnet finde; die Gehirne schwellen aber im Ganzen ziemlich stark (um lh ihres Volumens) an; da aber die
Kalibichromatlösung eine fast ebenso grosse Anschwellung verursacht und die Alkoholhärtung eine noch grössere
Schrumpfung hervorruft (um Ve des Volumens), so ist die Formolhärtung in dieser Hinsicht wohl eben so vorteilhaft
, wie die anderen erwähnten Methoden. Dagegen tritt bei ihrer Anwendung zuweilen eine eigenthümliche
Auflockerung der Oberfläche (der grauen Substanz) ein, so dass dieselbe gewissermassen gelatinös wird. Für das
Studium der feineren Oberflächen-Architektonik des Gehirns, v. A. der Wände der Hirnhöhlen, steht also die
Formolhärtung im Ganzen der Kalibichromathärtung entschieden nach. Ausserdem will ich hier betonen, dass
ich die Formollösung für die Härtung embryonaler und foetaler Gehirne sehr schlecht gefunden habe. Diese
Gehirne schwellen sehr stark an und werden fast durch und durch gelatinös, lose und brüchig. Ich kann deshalb
diese Methode für die Härtung embryonaler und foetaler Gehirne nicht empfehlen.

Seit etwa zwei Jahren habe ich eine Combination der Kalibichromat- und Formollösung angewandt und
damit ausgezeichnete Resultate erzielt. Eine 3—4 % Kalibichromatlösung mit Zusatz von l/a—1 % Formol hat
mir im Ganzen die besten Präparate gegeben. Das Gehirn wird durch diese Behandlung nicht so dunkel, wie


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