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iv
durch die einfache Kalibichromathärtung, sondern hellgrün gefärbt; die Härtung erfordert eine geringere Zeit
(2—3 Wochen), und die Architektonik der Oberfläche, v. A. die der Wände der Höhlen bleibt oft wundervoll
schön erhalten. Ich besitze eine ganze Menge solcher Präparate, und ein grosser Theil meiner Abbildungen ist
nach ihnen ausgeführt. Diese Methode erweist sich jedoch nur bei Gehirnen von Erwachsenen und Kindern als
recht vortheilhaft. Für Gehirne von Foetus aus den letzten Monaten ist sie zwar auch anwendbar; für Gehirne
von jüngeren Foetus aber passt sie entschieden nicht, weil die Substanz derselben durch diese Behandlung sehr
brüchig wird. —
Wenn man die Hirnlitteratur durchmustert, kann man nicht umhin, darüber zu erstaunen, dass die Abbildungen
des Menschenhirns im Grossen und Ganzen so schlecht ausgeführt sind. Meistenteils sind sie schematisch
gehalten und hauptsächlich für den Unterricht bestimmt. Manche Partien des Gehirns sind bisjetzt wenig
naturgetreu wiedergegeben. Dies ist z. B. mit den Innenflächen der Ventrikel — den vierten nicht ausgenommen
—, den ineisten Partien der Basalregion, dem Limbus Giacomini u. s. w. der Fall. Im Ganzen bekommt man
bei der Durchmusterung der Hirnfiguren den Eindruck, dass die abgebildeten Präparate nicht in gutem Zustande
gewesen sind. Viel haben dazu aber auch die angewandten Reproductionsmethoden beigetragen. Die besten
Zeichnungen können nämlich in der Lithographie oder der Xvlographie schlecht ausfallen. Es sind hier ausserordentlich
grosse Schwierigkeiten zu überwinden, von denen sich nur derjenige eine Vorstellung bilden kann,
welcher in dieser Hinsicht eigene Erfahrungen besitzt. Ich habe diese Schwierigkeiten, da ich die verschiedenen
Reproductionsmethoden geprüft, in allen ihren Phasen kennen gelernt.
Da, Avie gesagt, ein solches Organ, wie das Menschenhirn, es doch verdient, in allen seinen Theilen und
Variationen gut und genau abgebildet zu werden, war ich schon von Anfang an darauf bedacht, von
ihm eine hinreichende Anzahl sorgfältig ausgeführter Abbildungen herstellen zu lassen. Mit der Beihülfe einer
hervorragenden Künstlerin, des Fräulein Sigrid Andersson, jetzt Frau Doctor Rissler, gelang es mir auch,
eine ansehnliche Sammlung ausgezeichneter Abbildungen des Menschenhirns, v. A. des embryonalen und foetalen,
zusammenzubringen. Diese Abbildungen sind aber in Bleistiftzeichnungen ausgeführt. Für ihre Reproduction
versuchte ich nun v. A. die Lithographie, sowohl die Kreide-* wie die Gravuremanier, den Kupferstich und den
Lichtdruck. In keiner dieser Methoden konnte ich aber die seltene Schönheit der Zeichnungen wiedergegeben
erhalten, und hier und da wurden die feinen Nuancen der Architektonik von den reproducirenden Künstlern —
welche ersten Ranges waren — nicht ganz genau aufgefasst und wiedergegeben. Am Genauesten gab natürlicherweise
der Lichtdruck die Zeichnungen wieder, doch wurden sie gröber und verloren auch hierdurch viel von ihrer
Schärfe und Modellirung. Nach verschiedenen Versuchen blieb ich bei der Lithographie und liess in derselben
eine Reihe von Tafeln ausführen, von denen hier eine Auswahl von 6 Stück (Taf. XXVI—XXXI) veröffentlicht wird,
welche offenbar als solche als musterhaft bezeichnet werden dürfen. Allmählig wandte ich mich aber wieder dem
Lichtdruck zu, und in den letzten Jahren habe ich ihn nun für eine bedeutende Anzahl von Tafeln angewandt.
Die Gehirne sind (zum Theil unter Wasser) direct photographirt, und die Photographien dann in Lichtdruck wiedergegeben
worden. Die feineren Details dagegen habe ich (meist in vergrössertem Massstab), und zwar sowohl von
Frau Sigrid Andersson-Rissler, wie von Fräulein Hilma Bundsen, Fräulein Ebba Flodman und Herrn Gustaf
Wennman zeichnen lassen, welche alle diese Menge von Abbildungen mit vorzüglichem Talent und grosser
Genauigkeit ausgeführt haben. Diese Zeichnungen wurden dann in Lichtdruck wiedergegeben, und wenn sie auch
dadurch einen Theil ihrer ursprünglichen Schönheit und Schärfe verloren haben, so glaube ich doch, dass sie, wie
sie hier vorliegen, einen bedeutenden Fortschritt in der bildlichen Darstellung der Morphologie des Menschenhirns
bezeichnen.
Was die durch directe Photographie in Lichtdruck wiedergegebenen Gehirne und Gehirntheile betrifft, so
glaubte ich, da die Proben gut ausfielen, dass es für unsere Wissenschaft nützlich sein dürfte, wenn ich eine ganze
Reihe von Gehirnen in dieser Weise abbilden liess; denn es giebt ja am Gehirn eine Menge von Variationen,
die, in directer Photographie wiedergegeben, mit einander mit Erfolg verglichen werden können. Es hat mir
zwar, da zu solchen Photographien nur schöne und unbeschädigte Präparate angewendet werden konnten, die ich
selbst bereiten musste, und ich auch, um die Präparate in der richtigen Lage aufzustellen, die Grösse der Bilder
zu bestimmen u. s. w. genöthigt war, beim Photographiren zugegen zu sein, die Herstellung aller dieser Bilder
viel Zeit und nicht unbedeutende Aufopferungen gekostet, doch hoffe ich, dass die darauf angewandte Zeit und Mühe
nicht vergebens geopfert sein werden. Zwar sind nicht alle Bilder gleich gut ausgefallen. So z. B. sind die
unter Wasser photographirten Präparate im Ganzen im Lichtdruck mehr monoton, weniger scharf und effectvoll
wie die in der Luft photographirten ausgefallen.
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