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Es giebt aber unter den Bildern eine recht grosse Anzahl, die als Meisterstücke bezeichnet werden müssen,
und ich benutze hier die Gelegenheit, den hervorragenden Künstlern, dem Herrn Photographen C. Westphal
und dem Vorsteher des Photographischen Ateliers der Lithogr. Anstalt des Generalstabs hierselbst Herrn G.
Askberg, für das Interesse und die grosse Ausdauer und Sorgfalt, womit diese Herren die oft geduldprüfende
Arbeit ausgeführt haben, meinen besten Dank auszusprechen.
Aber nicht nur die directe Photographie in natürlicher Grösse, sondern auch in 2—4-facher Vergrösserung
wurde versucht, und zwar mit bestem Erfolg. Unter den Figuren der Tafeln trifft man solchergestalt eine Reihe
durch directe Photographie in Lichtdruck vergrösserter Einzelpartien des Gehirns (s. z. B. einige Abbildungen
der Rautengrube), welche als meisterhaft bezeichnet werden dürfen. Die durch directe Photographie hergestellten
Abbildungen geben ja die Natur selbst, wie sie ist, wieder; man kann an ihnen, gewissermassen wie an den
Photographien des Sternhimmels, noch Studien machen.
Im Ganzen halte ich gerade die Tafelserie für den Schwerpunkt dieser Arbeit, und ich hoffe, dass andere
Forscher auf diesem Wege fortsetzen werden, so dass wir allmählig eine befriedigende bildliche Darstellung des
Menschenhirns erhalten. Im Allgemeinen habe ich mich, wie oben schon gesagt worden ist, bemüht, nur
gute Präparate abbilden zu lassen. Bei der gewöhnlich angewandten Methode, die Gehirne bei der Härtung in
Baumwolle einzubetten, sinkt das Gehirn in der Regel zusammen, wobei es sich mehr oder weniger gegen den
Boden oder die Wände des Gefässes abplattet. Deshalb machte ich schon vor mehreren Jahren den Versuch,
das herausgenommene, von seinen Häuten noch umgegebene Gehirn, durch einen Faden an der Arteria basilaris aufgebunden
, in der Flüssigkeit schioebend zu halten. Dieser Versuch fiel so gut aus, dass ich nun schon seit
mehreren Jahren alle meine Gehirne in dieser einfachen Weise härte. Von den Collegen, welche diese Methode
nach meiner Anweisung geprüft haben, wird sie ebenfalls gerühmt. Auch Thiergehirne lassen sich in dieser
Weise mit Vortheil in ihrer natürlichen Gestalt härten. Herr Director H. Bolau hat die Güte gehabt, seit einigen
Jahren für meine Rechnung eine Anzahl von Thiergehirnen in der genannten Weise in Formollösung härten zu
lassen, Avelche Gehirne — unter denen sich sogar ein grosses Elephantenhirn findet — eine sehr naturgetreue
Gestalt darbieten. Man lässt bei der Härtung die weiche Haut ansitzen; nimmt man sie vorher ab, so sinkt das
Stirnhirn durch seine Schwere leicht zu weit hinab.
In Betreff der Abbildungen dieses Werkes wird man vielleicht die Bemerkung machen, dass in den meisten
von ihnen Specialbezeichnungen fehlen. Es war von Anfang an meine Absicht, die Gyri und Sulci mit den
üblichen Buchstaben zu versehen. Es zeigte sich aber, dass dies mit grossen Schwierigkeiten verbunden war.
Viele der Lichtdrucktafeln — und oft die besten — sind in der Handpresse gedruckt worden, wodurch die
Figuren nicht immer an ganz derselben Stelle des Papieres zu stehen gekommen sind, was den Eindruck der
Bezeichnungen ausserordentlich erschwert. Da nun diese Arbeit nicht für Anfänger in der Hirnanatomie bestimmt
ist, so sind solche Schulbuchbezeichnungen weniger nöthig. Jeder Sachkundige wird sich in den Photographien
ohne besondere Schwierigkeit und fast eben so gut, wie am natürlichen Präparate, zurecht finden. Auf einigen
Tafeln, welche hierfür besondere Schwierigkeiten darbieten, sind jedoch Bezeichnungen eingedruckt. Die Tafeln
sind im Ganzen von ausführlichen Beschreibungen begleitet; zwar konnte in diesen Beschreibungen keine vollständige
Analyse des betreffenden Gehirns geliefert werden, denn eine solche würde stets zu einer ganzen Abhandlung
anwachsen, aber eine derartige Analyse ist auch nicht nöthig, denn, da die wichtigeren Furchen angegeben
sind, lässt sich das übrige leicht herausfinden.
In Betreff der Darstellung der Furchen und Windungen habe ich mich, wie hinten, in dem hierauf bezüglichen
Kapitel, eingehender besprochen worden wird, bemüht, dieses Problem statistisch zu behandeln. Aus
meiner Gehirnsammlung sind, ohne Auswahl, 100 Hemisphären herausgenommen und deren wichtigeren Furchen-
und Windungsanordnungen sodann, um eine mehr übersichtliche Anschauung der verschiedenen Furchen- und
Windungscomplexe und der Typen zu erhalten, tabellarisch zusammengestellt worden. Dass in diesen Tabellen,
wie überhaupt in den Beschreibungen der Gehirne, die Furchen mehr als die Windimgen die Hauptrolle spielen,
hängt eigentlich von der Bequemlichkeit ab; die Furchen lassen sich nämlich leichter und kürzer beschreiben; in
der Beschreibung der Furchen liegt aber implicite grösstentheils auch die der Windungen.
Was schliesslich das zu diesen Untersuchungen angewandte Material betrifft, so ist es hier, beim Abschluss
der Arbeit, mein lebhafter Wunsch, den Herren Collegen, die mich gütigst damit versehen haben, meinen herzlichsten
Dank auszusprechen.
Dem Herrn Kartographen Paul Berndt, welcher mit der ihm eigenen Sorgfalt das Manuscript und die
Correcturbogen durchgelesen und corrigirt hat, bin ich hierfür ebenso sehr verbunden.
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