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Lange ist v. A. die mediane Partie der Bodenplatte frei, nicht angewachsen, und man sieht dann von unten her
(Fig. 5 der Taf. XXI) eine sehr dünne, durchsichtige Haut, welche von dickeren Strängen eingerahmt ist und in
der Medianlinie einen nach unten hervorragenden strangartigen Kiel oder eine Firste enthält, von welcher aus
die Seitenflächen abfallen oder, richtiger, nach oben-aussen ansteigen. In der Fig. 8 der Taf. XLVI habe ich diese
Partie genauer abbilden lassen. Hebt man diese dünne Bodenlamelle auf, so blickt man in die Balkenhöhle hinein.
Nun kommt es ja zuweilen vor, dass die hintere Partie der Balkenhöhle noch im erwachsenen Zustande
zurückgeblieben ist (Verga'scher Ventrikel), welche Bildung sich leicht aus der Entwicklungsgeschichte erklären
lässt. Unter 100 Gehirnen von Erwachsenen fand ich eine solche Höhle 3 mal.
Bekanntlich bleibt bei der Obliteration des Cavum corp. callosi an der unteren Fläche des Splenium eine
umgebogene, auf dem Sagittalschnitt dreieckig zugespitzte Lamelle bestehen, welche sich in die frühere, nunmehr
dem Balken angelöthete Bodenfläche fortsetzt, sich aber oft ein wenig abheben lässt und gewissermassen mit dem
zurückgezogenen Schwänze oder Abdomen eines Krebses verglichen werden kann; diese Partie, welche ich als
Cauda corporis callosi bezeichne, lässt sich nicht nur bei älteren Foetus, sondern auch bei Erwachsenen nachweisen.
Vorn läuft, wie bekannt ist, das nach unten hin umgebogene, während der Entwicklung in der Regel nicht
besonders dicke Ende des Balkens, das Genu corporis callosi, in eine Lamelle, das Rostrum, aus. Diese Rostral-
lamelle bleibt lange verhältnissmässig dünn und lang (s. z. B. Fig. 3 der Taf. XX) und erhält sich zuweilen
in dieser Gestalt auch bei Erwachsenen.
Nachdem ich hier beiläufig das den Randbogen der Quere nach durchdringende und ihn grossentheils
verdrängende Corpus callosum besprochen habe, gehe ich zu den übrigen Theilen des Randbogens über, mit
deren Untersuchung ich mich, da es sich gerade bei ihnen gezeigt hat, da.ss, trotz der Arbeiten von Anders
Retzius, Zuckerkandl und Giacomini, noch Manches nicht hinreichend erörtert ist, ja sogar noch irrige Auffassungen
herrschen, mit besonderer Vorliebe beschäftigt habe.
Schon in verschiedenen Figuren (Fig. 13—23) der Taf. IV erkennt man auf den Medianschnitten des embryonalen
Gehirns, dass auf dem in der Entwickelung begriffenen Balken ein Strang von vorn nach hinten zieht,
welcher hinten gewöhnlich dicker ist und sich am Splenium nach unten hin umbiegt. Auf den Medianschnitten,
von denen der Hirnstamm mit den Ganglien abgetragen worden ist, lässt sich nun der Randbogen in seiner
Entwicklungsweise vollständig übersehen. Auf der Taf. V habe ich eine ganze Reihe von Abbildungen solcher
Präparate zusammengestellt. Schon in der Fig. 1, welche ein Gehirn vom Anfang des 3. Monats in doppelter
Grösse wiedergiebt, lässt sich der ganze Verlauf des Randbogens um die Fissura choroidea herum verfolgen;
seine äussere Begrenzung wird von der äusseren Bogenfurche, Fissura lii'pyocani'pi, gebildet; und auf dem Bogen
selbst erkennt man schon eine ihn in zwei Längsfirsten theilende Furche, die von P. Martin als Fissura gyri
dentati und von Dejerine als »sillon fimbrio-godronne» bezeichnet worden ist; vorn und hinten gehen diese beiden
Längsfirsten, der äussere und den innere Randbogen, noch direct in einander über, indem die zwischen ihnen
befindliche Fissur allmählio; verwischt wird.
In dem in Fig. 2 (Taf. V) abgebildeten Gehirn, von der Mitte des 3. Monats, sieht man am hinteren unteren,
etwas weiter umgebogenen Ende des Randbogens schon'einen höckerigen Ansatz am Uebergang in den Gyrus hippo-
campi. In der Fig. 3 ist die untere Umbiegung der beiden Randbögen in einander deutlich erkennbar, was bei
mehreren der folgenden Figuren (Fig. 6, 7, 8, 9, 11, 12 etc.) in immer höherem Grade und dazu in einer Weise
der Fall ist, welche an das Verhalten dieser Bögen bei vielen makrosmatischen Säugethieren erinnert. Dabei verbreitert
sich allmählig die obere Partie des inneren Bogens, welcher immer mehr die spätere Gestalt des Gewölbes annimmt,
während sich der äussere in seiner hinteren-unteren Parlie immer mehr zu der Fascia dentata entwickelt; sogar die
Dentitionen, G}Tuli, fangen an, sich zu zeigen (Fig. 5, 7, 8, 9 etc.). Mit der allmähligen Entwicklung des Balkens nach
hinten und des Schläfenlappens nach unten-vorn hin verändert sich bekanntlich die Lage des Randbogens, indem die
hintere Umbiernmo; immer mehr nach hinten und das untere Ende immer mehr nach vorn verschoben wird, wodurch
sich die ganze Gestalt des Bogens verändert; die ursprüngliche Ringform geht allmählich in eine Ovale über.
Das untere Ende des Randbogens zeigt immer interessantere Verhältnisse. Während sich das untere Ende
des Gyrus hippocampi allmählig umbiegt, um den Uncus zu bilden, setzt sich der Randbogen immer mehr gegen den
Uncus ab. In den Fig. 7, 9 und 10 (Taf. V) ist dies schon deutlich sichtbar. Noch schärfer und ausgeprägter tritt es
aber in den Fig. 12, 14, 15, 18, 19, 21, 22 und 24 hervor. Der innere Randbogen breitet sich wie eine Mütze über
das Uncusende aus und nimmt es in sich auf, und das untere Ende des äusseren Randbogens, die Anlage des
Limbus Giacomini, bildet am Unterende des inneren Bogens gleichsam einen Kragen, ein Gebräme. In den Flg.
16 und 20 habe ich, nach Abtragung einer Partie des Gyrus hippocampi, die genaueren Verhältnisse in etwas
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