http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0031
13
Sehhügels an der Bildung des Ventrikelbodens erklärt. Die zuerst angeführten Worte desselben Forschers sind
aber gleichwohl positiver, wenn er auch nicht zu einer ganz klaren Ueberzeugung gekommen war.
Schwalbe, welcher die embryonalen Formveränderungen und Lagenverschiebungen der Thalami erforschte,
suchte in ihnen das Verständniss der sog-. Verwachsung, die er nicht anerkennen wollte.
His1 dagegen hat offenbar eine zutreffende Anschauung gehabt und die Erklärung gefunden. Er äussert
Folgendes: »Die zunehmende Ausdehnung der hinteren Hemisphärenhälfte hat zur Folge, dass sich ein grosser
Theil der medialen Wand seitlich dem Sehhügel anlagert. Die Adergeflechtsfurche kommt zum grösseren Theil,
die Ammonsfurche vollständig neben den letzteren zu liegen. Zwischen diesen beiden Furchen einerseits und
dem Stiel des Streifenhügels andererseits ist ein halbmondförmig umgrenztes Blatt der medialen Wand ausgespannt,
welches, vom Umschlagsrande des Sehhügels sich abbiegend, die Spalte zwischen Seh- und Streifenhügel ursprünglich
frei durchsetzt, Noch vor Ende des zweiten Monats verwächst dies halbmondförmige Blatt mit den
anstossenden Gebilden. Die Berührungsfläche zwischen Seh- und Streifenhügel umfasst nun weit mehr als das
blosse Stielgebiet des Streifenhügels, und aus der Furche, welche den oberen Theil der beiden Hügel trennt,
erhebt sich als Rest des früher ausgedehnteren Wandstreifens ein dünnes Blatt, das sich in den hinteren Theil
der Adergeflechtplatte fortsetzt. Die Furche auf der Grenze von Seh- und Streifenhügel bleibt übrigens, wie
man weiss, im fötalen Gehirn durch lange Zeit hindurch sehr tief und füllt sich erst nachträglich mit jenem
Gewebe aus, das die Grundlage der Stria Cornea bildet. Mit Rücksicht auf die spätere Umbildung dieser Gegend
kann man die Furche zwischen Seh- und Streifenhügel als den Sulcus Striae corneae und den aus ihr hervortretenden
Wandsaum als Limbus Striae corneae bezeichnen.»
Es ist indessen Hociistetter's 2 Verdienst, diese Thatsache zuerst klarer und genauer horvorgehoben und
beschrieben zu haben. Sowohl bei Embryonen von der Katze, wie vom Menschen zeigte er, dass sich zwischen
der Wurzel des Plexus chorioideus und dem Sulcus terminalis von der Hemisphärenblasenwand eine rein
ependymatöse Partie ausdehnt. Der Zwischenraum zwischen der Wurzel des Plexus chorioideus und dem Sulcus
terminalis, in dessen Bereiche sich das erwähnte Ependymblatt ausspannt, entspricht offenbar jener Zone der
Wandung des Seitenventrikels des Erwachsenen-Gehirns, welche scheinbar vom Thalamus opticus gebildet wird.
Hochstetten opponirt sich gegen die Angabe von His, dass eine Partie der Hemisphärenblasenwand schon vor
Ende des 2. Monates »mit den anstossenden Gebilden» verwachse. Ebenso dagegen, dass der tiefe embryonale
Sulcus terminalis nur durch das die Stria Cornea bildende Gewebe ausgefüllt werde. Das Obige gilt nach
Hochstetter jedenfalls von dem grössten Theil jener Zone des Thalamus, deren directe Beziehung zum Seitenventrikel
behauptet worden ist. Ob es aber auch bezüglich der gegen den Seitenventrikel gewendeten, dem
Foramen Monroi unmittelbar benachbarten Partie des Thalamus gilt, möchte er, sagt er, vorläufig auf Grund
einer von ihm gemachten Beobachtung bezweifeln. Endlich hat His neulich (1895) in seinen Bemerkungen zu
dem Namenverzeichniss der Nom.-Commission diese Frage in Kürze noch einmal berührt. »Die Lamina affixa»,
sagt er u. A., »ist, wie dies neuerdings auch Hochstetter betont, gleich dem Epithel des lateralen Adergeflechts
und gleich dem Fornix und dem Septum pellucidum ein Rest der medialen Hemisphärenwand.»
Bei genauer Durchmusterung einer lückenlosen Reihe frontaler Serien schnitte von einem menschlichen
Embryokopfe vom Anfang des 4. Monates überzeugte ich mich schon vor mehreren Jahren (1890) von dem
Vorhandensein einer dünnen Hirnwand, welche lateralwärts über die embryonale obere Thalamusfläche gegen die
tiefe, zwischen Thalamus und Corpus striatum einschneidende Furche hinzog und in dieselbe eindrang. Ich liess
rinc Reihe von Abbildungen davon machen und fand zugleich an Golgipräparaten, dass das Ependym mit der
im Gehirn gewöhnlichen Anordnung von langen, feinen, parallel verlaufenden Fasern auch an beiden Seiten der
tiefen Furche nachzuweisen war. Bei Durchmusterung der Litteratur traf ich dann die Angaben von His und
erfuhr also, dass die Thatsache schon erledigt war, weshalb ich die weitere Behandlung der Frage auf die Seite schob,
um sie zusammen mit meinen übrigen Untersuchungen in der Morphologie des menschlichen Gehirns zu besprechen.
Ich theile also die oben erwähnten Abbildungen mit (Taf. VII) und schliesse mich der Hauptsache nach vollständig der
Ansieht von Iiis und Hochstetter an. Es wäre in der That sonderbar, wenn das Zwischenhirn, der Thalamus, hier am
Seiten Ventrikel auftauchte. Wo wäre dann die betreffende mediale Hirnwand zu suchen? Sollte sie ganz verschwunden,
eliminirt oder aufgelöst sein? Die Untersuchung der embryonalen Verhältnisse geben uns nicht nur über diese
1 W. Iiis, Die Formentwickelung des menschlichen Vorderhirns vom Ende des ersten bis zum Beginn des dritten Monats. Abb. d.
mathem. phys. Classe d. K. Sachs. Gesellseb. d. Wissensch., Bd 15 N:o VIII, 1889.
- F. Hochstetter, üeber die Beziehung des Thalamus opticus zum Seitenventrikel der Grosshirnhemisphären. Anatomischer Anzeiger,
Bd, X, 9, 1894.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0031