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als neu entstandene Furchen zu betrachten, die sich zuweilen bis zum Ende des 6., ja sogar bis in den 7. Monat
hinein erhalten können, dann aber stets verschwinden, also auch transitorisch sind. Man kann zwar in ihnen
zuweilen einen Rest der »vorderen Bogenfurche» erblicken, doch macht ihre oft so complicirte Beschaffenheit in
den meisten Fällen (wie z. B. in dem in Fig. 18 der Taf. IV abgebildeten Gehirn) eine derartige Herkunft im
höchsten Grade unwahrscheinlich. Wenn man so will, kann man diese Furchen als »Vorläufer des Sulcus calloso-
marginalis betrachten, doch stimmen meine Erfahrungen vollständig mit denen Cunningham's darin überein, dass
ein wirklicher Zusammenhang dieser letzteren Furche mit den transitorischen, sei es mit der »vorderen Bogenfurche
», wie gewöhnlich angenommen wird, oder mit den oben von mir beschriebenen complicirten transitorischen
Furchen, nicht vorkommt. In der Kegel glättet sich nämlich im 5. Monate die mediale Wand des Gehirns vollständig
aus, und es entsteht dann der Sulcus calloso-marginalis als eine ganz neue Bildung, welche sich in der
Kegel von mehreren »Centren» in getrennten Gliedern ausbildet. Ich werde auf diese Frage bei der Darstellung
der Fntstehungsweise der permanenten Furchen zurückkommen.

Was die Anzald der transitorischen Radiärfurchen der medialen Hirnwand betrifft, so haben die Autoren
schon die Wechselung derselben hervorgehoben. Vor Allem hat Cunningham diese Frage genauer behandelt.
Meine Erfahrungen stimmen auch in dieser Hinsicht mit den seinigen im Grossen und Ganzen überein, insofern
er nämlich 8 Furchen als die gewöhnliche Anzahl angiebt. Zuweilen sind nur 3, 4 oder 5, gewöhnlich aber
6, 7 oder 8 Furchen vorhanden, doch habe ich in der Regel 7 oder 8 angetroffen. Gewöhnlich treten die Furchen
an den beiden Hemisphären desselben Gehirns in ungefähr derselben Anzahl auf.

In Betreff der Entstehungsweise und der Bedeutung der Furchen stimmen die meisten Autoren, welche sie
als natürliche Bildungen betrachten, darin überein, dass sie durch mechanische Ursachen hervorgerufen werden,
indem die noch dünne Hirnwand, um im Schädelraum Platz zu finden, in Folge des stärkeren Zuwachses in longi-
tudinaler Richtung gezwungen ist, sich der Quere nach einzufalten. Dies hängt mit der Entwicklung des Gehirns
nach dem Occipita.lpole hin eng zusammen. Dass sich dabei die mediale Wand regelrechter faltet, rührt wohl
von ihrer dünneren Beschaffenheit her. Indessen sind bekanntlich bei allen solchen Faltungen anwachsender
Organe nicht nur »rein mechanische» Ursachen in Betracht zu ziehen, sondern auch in bedeutendem, aber sehr
schwer zu verfolgendem Masse auch die verschiedene Entwicklungsenergie der einzelnen Theile des Organes selbst.
Dies gilt jedoch offenbar in höherem Grade von der Entstehungsweise der permanenten, als der transitorischen
Furchen, auf welche Frage ich unten zurückkommen werde. Ob die von Richter angegebene pulsatorische Auftreibung
der Hirnwand bei dem Entstehen der Furchen mitwirkt, ist sehr schwer zu entscheiden; jedenfalls lässt
sich eine derartige Einwirkung als mitwirkende Ursache mit Recht diskutiren.

Was die Obliteration der transitorischen Furchen der medialen sowohl als der lateralen Wand betrifft, so
ist wohl v. A. eine Ausglättung der Hirnwand durch das Aufsteigen des Bodens der Furchen nach der Oberfläche
hin als die wahrscheinlichste Ursache des Verschwindens der Furchen zu betrachten. Hierbei spielen vielleicht
sowohl Zug, wie partiell stärkerer Zuwachs eine hervorragendere Rolle, als die von Cunningham hervorgehobene
»Absorption» der Wandung. Dass das Verschwinden oder, richtiger gesagt, die Ausglättung der Falten mit dem
Auftreten und der Entwicklung des Corpus callosum zusammentrifft, ist wohl, wie der zuletzt genannte Forscher
bemerkt, eine interessante Thatsache, besonders wenn man in Betracht zieht, dass ein Bestehenbleiben der medialen
Radiärfurchen, wie er nachgewiesen hat, abnormer Weise gerade bei dem Fehlen des Corpus callosum vorzukommen
scheint.

7. Die Entwicklung der permanenten Furchen und Windungen der Hemisphären.

(Taf. VIII—XXXI).

Es liegt bekanntlich nunmehr eine recht bedeutende Anzahl von Untersuchungen über die Entstehung und
Ausbildung der bleibenden Furchen und Windungen der Grosshirnhcinisphären des Menschen vor. Obwohl es
sich durch diese Untersuchungen herausgestellt hat, dass in mancher Hinsicht bestimmte Regeln obwalten, dass
sich die Furchen, v. A. in den frühen Stadien, recht gesetzmässig entwickeln, so hat man doch erfahren, dass
überall eine Wechselung der Verbältnisse vorkommt, Man hat sich deshalb eifrig bemüht, aus allen Variationen
und Verschiedenheiten das Typische herauszufinden und festzustellen.


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