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einige seichte Grübchen, die wohl als die Anlagen der zweiten Schläfen furche betrachtet werden müssen. Ausserdem
bemerkt man hin und wieder am hinteren Ende des Occipitallappens noch die eigentümliche, schief nach
aussen hinabsteigende, offenbar transitorische Furche Bischoff's (Fig. 7, 9 und 10 der Taf. X). An der unteren
Fläche des Gehirns sieht man noch immer die Anlagegrube des Sulcus collateralis, die Andeutung der sagittalen
Furche des Lobus hippocampi und den Sulcus semiannularis. Ferner sieht man hier die Sulci olfactorii in weiterer
Entwicklung und die Anlagen der Sulci orbitales (Fig. 8 der Taf. XI). An der Grenze zwischen der oberen
Frontallappen- und der Orbitalfläche erkennt man nicht selten eine scharfe quere Furche, welche als »Vorläufer» des
Sulcus fronto-marginalis betrachtet werden muss (Fig. 8 und 10 der Taf. X und Fig. 8 und 10 der Taf. XI). An
der medialen Fläche erkennt man nunmehr nicht nur die Fissura calcarina, die Fissura parieto-occipitalis und die
Fissura prima, sondern auch oft deutliche Anlagen des Sulcus cinguli (Fig. 11 der Taf. XI), und zwar in der
Gestalt von einer Reihe schmaler Furchen. Es kommt aber oft vor, dass die Anlagen dieser Furchen an der
einen Hemisphäre des Gehirns deutlich ausgeprägt sind, an der entgegengesetzten aber beinahe fehlen (Fig. 11
und 12 der Taf. X).
So weit sind in der Regel die Furchen in der ersten Hälfte des 6. Monats entwickelt. Variationen kommen
zwar vor, und dies — um mit Ecker zu reden — sowohl »in Betreff der Art, als der Zeit der Entstehung», doch
lässt sich das Typische unschwer herausfinden. Ich werde jetzt als Repräsentanten des Gehirns von der Mitte des
6. Monats das in Fig. 3, 4 und 5 der Taf. XIV abgebildete anführen. Man findet hier in der Ansicht von oben
(Fig. 5) die Central furchen mit ihren medialen grubenartigen Vertiefungen und die Präcentraifurchen mit queren
Spalten versehen; die Postcentralfurchen setzen sich nach hinten direct in die Interparietalfurchen fort; am Hinterlappen
sieht man links die BiscnoFF'sche Furche deutlich, rechts nur angedeutet (eben angelegt oder schon
obliterirt?); am linken Schläfenlappen ist die kurze primäre Furche des Sulcus temporalis primus und nach vorn
davon noch eine andere Furche zu sehen, welche wohl dem späteren vorderen Ende dieses Sulcus oder auch der
zweiten Schläfenfurche entspricht. Derselben Periode gehören auch die auf der Taf. XIII abgebildeten Seitenansichten
dreier Gehirne, Fig. 1, 2, 3, 4 und 5 an, auf deren Analyse ich kaum einzugehen brauche: ich will nur auf die
in Fig. 3 und 4 sichtbare Anlage des Sulcus fronto-marginalis hinweisen. (Vergl. die Fig. 8 und 10 der Taf. XI).
In den Fig. 1 — 4 der Taf. XII ist ebenfalls, obwohl nur in Contouren, ein Gehirn aus der Mitte des 6.
Monates wiedergegeben; die BisCHOFF'schen Furchen des Hinterhauptes treten hier eigenthümlicher Weise auf die
untere Fläche über, sind aber von kleineren Einkerbungen umgeben und haben im Ganzen das Aussehen von
transitorischen Furchen.
Aus der zweiten Hälfte des 6. Monates habe ich in den Tafeln XIV, XV, XVI, XXII und XXVI,
mehrere Beispiele abbilden lassen. Ich hebe aber hervor, dass das Endstadium des 6. und das Anfangsstadium
des 7. Monates so intim in einander übergehen, dass sie kaum getrennt von einander besprochen werden können,
weshalb ich auf das letztere übergreifen muss. Es würde mich indessen zu weit führen, eine eingehende Analyse
aller dieser Fälle zu geben, und es wäre dieses auch überflüssig, da die Figuren die Thatsachen besser darlegen,
als Worte es können. Ich beschränke mich also auf einige kurze Bemerkungen. Die Centraifurche hat an Schärfe
und Tiefe gewonnen; sie ist dem Mantelrande näher gerückt, ohne ihn zu erreichen; ihre Biegungen sind ausgeprägter
geworden; sie ist auch weiter nach unten hin gerückt, ohne den Opercularrand zu erreichen. Die Präcentral-
und Postcentraifurchen sind in ihrer Ausbildung weiter gekommen und zeigen schon in ihren Anlagen an verschiedenen
Hemisphären die Varianten, welche bei dem erwachsenen Gehirn bekannt sind. Die obere Frontalfurche
tritt in dieser Periode auf, und zwar gewöhnlich in Verbindung mit der medialen Partie der Präcentraifurche; nach
vorn von dem mächtigeren Hinterstück zeigen sich in ungefähr sagittaler Reihe zwei bis drei andere Gruben oder
Furchen, welche die vorderen Glieder der Frontalfurche sind. Jetzt, oder schon früher, fängt auch die untere Frontalfurche
an, in Gestalt von einer oder ein paar Gruben hervorzutreten. Der Sulcus fronto-marginalis ist bald vorhanden
(Fig. 2, 3 und 12 der Taf. XIII; Fig. 2 und 4 der Taf. XVI), bald nicht; ich muss aber gestehen, dass diese
Furche, wenn sie sich im 5. und 6. Monate zeigt, das eigentümliche, eingekerbte Aussehen einer transitorischen
Furche darbietet, so dass ich eher geneigt bin, sie als einen »Vorläufer» zu betrachten. Was die Postcentral-
furche und die Interparietalfurche betrifft, so verweise ich auf die mitgetheilten Abbildungen (Taf. XV, Fig. 1,
4, 7 und 10; Taf. XVI, Fig. 1, 3 und 4; Taf. XXVI, Fig. 1, 3 und 4; Taf. XIII, Fig. 8, 12—15). Wie man
aus diesen Figuren ersieht, tritt die Postcentraifurche bald als eine einheitliche und selbstständige, der Centraifurche
ungefähr parallele Furche auf, bald entsteht sie in der Gestalt zweier gesonderter Gruben, einer lateralen
und einer medialen; bald hängt sie schon von Anfang an oder früh mit dem Sulcus interparietalis zusammen,
und zwar entweder als eine einheitliche, oder als eine aus zwei Stücken zusammengesetzte Furche mit mehr
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