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medialer (Fig. 1 d. Taf. XXVI), oder mehr lateraler (Fig. 1 der Taf. XVI) Verbindung. Die mediale Partie der
Postcentraifurche kann bei stärkerer Ausbildung des Sulcus interparietalis und seiner Verbindung mit ihrer
lateralen Partie sehr spät auftreten und lange als seichte Grube bestehen bleiben (Fig. 1 der Taf. XVI). Der
Sulcus interparietalis kann zwar als einheitliche Furche auftreten, doch entsteht er viel häufiger als ein zusammengesetztes
System von 2—4 Gruben, und zwar entweder aus einer vorderen starken, in der Regel mit
der lateralen Partie der Postcentraifurche verbundenen, und einer hinteren, ebenfalls starken, direct zum
Occipitallappen ziehenden, oder aus einer vorderen stärkeren und 2—3 hinteren schwächeren Gruben. Offenbar
finden sich hier schon im foetalen Zustande die verschiedenen Anordnungen angelegt, welche später beim erwachsenen
Gehirn anzutreffen sind. Als die BisciiOFF'sche verticale Occipitalfurche muss ich noch die Furche an
dem in den Fig. 3 und 4 der Taf. XVI abgebildeten Gehirn ansehen. Ob die starke Einkerbung, welche sich an dem
in Fig. 2, 3 und 4 der Taf. XXVI abgebildeten Gehirn findet, als ein Rest der BiscHOFF'schen Furche zu betrachten
ist, lasse ich dahingestellt sein, um so viel mehr, als sich diese Einkerbung auf der unteren Fläche fortsetzt; sie
hat jedenfalls eine gewisse Aehnlichkeit mit der späteren Incisura prasoccipitalis. Eine noch merklichere Einkerbung
oder Furche zeigt das in Fig. 2 der Taf. XXII abgebildete Gehirn, wo von der medialen Verbindung
der Fissura pa.rieto-occipitalis und der Fissura calcarina aus eine tief einschneidende Furche quer über den
Occipitallappen (den Cuneus) nach aussen hin verläuft, um an die Aussenseite der Hemisphäre zu treten und
dort eine Strecke weiter zu ziehen; in der Fig. 8 der Taf. XIII ist dasselbe Gehirn in der Ansicht von aussen
abgebildet, und in Fig. 9 derselben Tafel findet sich der Occipitallappen, von oben gesehen, wiedergegeben.
Bevor ich den Furchencomplex des Parieto-Occipitallappens verlasse, will ich auf eine interessante Erscheinung
aufmerksam machen, welche ich einige mal an foetalen Gehirnen beobachtet habe, nämlich auf die schon
von früheren Hirnforschern beschriebene Unterbrechung des Sulcus centralis in seiner oberen Partie. In der
Fig. 4 der Taf. XXI habe ich ein solches Gehirn von oben-hinten abgebildet. Die innere, abgetrennte oder vielmehr
separat entstandene Partie lässt sich als ein CuNNiNGHAM'sches mediales Furchenstück aufTassen. Es ist ein
seltenes Vorkommniss, dass sich dieses Stück noch am Ende des 6. Monates abgetrennt hält, und es lässt sich
vermuthen, dass bei dem fraglichen Gehirn, falls es sich weiter entwickelt hätte, die Separation bestehen geblieben
wäre, indem die abtrennende Brücke so stark ausgebildet war. Das eigentlich Interessante in diesem Falle liegt
indessen noch mehr in dem Verhalten der dicht hinter der Brücke belegenen Postcentraifurche. Ich hebe dies
hier hervor, weil es ein auffallendes Beispiel von einem der wichtigeren, bei den Furchen- und Faltenbildungen
geltenden Gesetzen giebt, das ich als das Compensationsgesetz bezeichnen will. Ich komme weiter hinten auf
diese Frage zurück und berühre deshalb diese Thatsache hier nur flüchtig.
Indessen will ich hier ein ähnliches, wenn auch in der genannten Hinsicht etwas weniger prägnantes Beispiel
dieses Verhaltens anführen. Es betrifft das in der Fig. 13 der Taf. XXII abgebildete Gehirn eines 37 Cm.
lang, männl. Foetus (Ende des 6. Monats), dessen Furchen und Windungen übrigens sehr typische Anordnungen
darboten. Leider wurde dies Gehirn in Folge unzureichender Härtung in Kali bichromicum und zu frühem Auswuschen
etwas beschädigt, indem die inneren Theile anschwollen und einige Risse an der Oberfläche entstanden
(s. hinten an der angeführten Fig.); sonst hätte ich dies Gehirn als ein für das Ende des 6. Monates ausserordentlich
typisches und charakteristisches aufgeführt und von mehreren Seiten abbilden lassen. Die beiden Sulci centrales
bieten indessen interessante und erläuternde Verhältnisse dar, weshalb ich auf die angeführte Figur hinweise.
An der linken Hemisphäre ist die Centraifurche einheitlich, ohne besonderes mediales CüNNiNGHAM'sches Stück;
auf der rechten ist dagegen ein solches Furchenstück vorhanden, das mit der eigentlichen Hauptfurche nur durch
ei tu: seichte Rinne (eine Tiefenbrücke) zusammenhängt. Hinter dieser Brücke findet sich nun eine tiefe obere
Postcentraifurche (eine echte Compensationsfurche); eine solche Furche fehlt dagegen links, wo keine Unterbrechung
der Centraifurche vorhanden ist.
Am Temporallappen hat sich der Sulcus temporalis superior weiter entwickelt, und zwar sowohl nach oben-
hinten, als nach vorn-unten hin; in letzterer Hinsicht bleibt er aber noch lange Zeit weit vom Vorderende des
Lappens entfernt, und dieses ist im Ganzen lange glatt oder nur mit einigen seichten Furchenstücken versehen.
Indessen sieht man schon in der Mitte des 6. Monates am unteren Umfang des Lappens andere, zuweilen aus
mehreren Stücken bestehende Furehenpartien entstehen und sich nach vorne hin verbreiten, welche Partien offenbar
der zweiten Schläfenfurche angehören (Taf. XIV, Fig. 6; Taf. XV, Fig. 4 und 6; Taf. XIII, Fig. 12—14;
Taf. XXVI, Fig. 4).
An der unteren Seite des Gehirns ist der Gewöhnlich noch aus zwei oder drei unreo-elmässifi'en Stücken
zusammengesetzte Sulcus collateralis in seiner Entwicklung weiter gekommen und auch vertieft. Am vorderen
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