http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0051
33
selten Fälle vor, in welchen man an der einen Hemisphäre die Furche ausgeprägt findet und an der anderen
nicht einmal eine wirkliche Anlage von ihr entdeckt.
Im Ganzen herrscht in Betreff der Zeit des Auftretens der Furchen und Windungen der Tnsula eine grosse
Wechselung, so dass sich kaum bestimmte Regeln aufstellen lassen. Indessen kann man wohl sagen, dass die
Furchen im Allgemeinen im 7. und 8. Monate angelegt werden und im 9. ein ganz charakteristisches Gepräge
annehmen, welches sie dann das ganze Leben hindurch behalten. In der Fig. 17 der Taf. XLIII habe ich eine
Insula nebst ihrer Umgebung aus dem 7. Monat wiedergegeben, und zwar von einem Gehirn, an welchem bei
der Härtung die Opercula ausgebogen worden sind. In der Fig. 16 derselben Taf. habe ich dasselbe Gehirn mit
noch in situ ansitzenden Arterien zeichnen lassen, um die auffallende Uebereinstimmung in der Anordnung der
Gefässe und der Furchen zu zeigen. In der Fig. 18 derselben Taf. ist ein etwas älteres (aus dem 8. Monate), in
ähnlicher Weise behandeltes Gehirn abgebildet, Man sieht in diesen Abbildungen nicht nur den Sulcus centralis
insulce, sondern hinter ihm auch eine Furche, welche ihm entweder ungefähr parallel, als einheitliche Furche
folgt, oder auch aus 2—3 kleinen, schief gegen ihn gerichteten Furchenstücken zu bestehen scheint; es ist dies
der sogen. Sulcus postcentralis. Nach vorn vom Sulcus centralis sind dann noch 2—3 kürzere, vom Pole nach
oben hin radiirende P'urchen angelegt, welche den von Guldberg und Eberstaller beschriebenen entsprechen.
Ich spare indessen die nähere Beschreibung dieser Furchen und der zwischen ihnen liegenden Windungen bis zu
der Darstellung der Verhältnisse beim erwachsenen Gehirn auf, wo ich auch den sogen. G)tus transversus insulae
von Eberstaller und den von demselben Forscher beschriebenen Gyrus brevis accessorius, welche ebenfalls schon
beim reiferen Foetus nachweisbar sind, eingehender besprechen werde. Ich kann indessen nicht umhin, noch
einmal auf die auffallende Uebereinstimmung in der Anordnung der Furchen und der Arterien an der Insula Reili
hinzuweisen. Gerade so, wie hier die Anordnung der Arterien wechselt, so wechselt auch die der Furchen.
Man frägt sich deshalb gerne, ob nicht im Ganzen diese durch jene bestimmt wird. Diese Frage ist bekanntlich
von den Anatomen in verschiedener Weise beantwortet worden; Einige haben den Einfluss der Gefässe angenommen
, Andere nicht. In der That fand ich nun, dass, wenn ich an demselben Gehirn (vom 7. Monate) vor der
Härtung auf der einen Seite die weiche Haut nebst den Gefässen vorsichtig von der Insula entfernte, die Oberfläche
der Insula sich nach der Härtung in Kali-Bichromat-Lösung glatt und furchenlos zeigte, während die
andere Insula, wo die Haut mit den Arterien in situ geblieben war, in gehärtetem Zustande die gewöhnliche
Furchenanordnung darbot. Dies scheint nun sehr für eine künstliche Hervorrufung der Furchen bei der Härtung
durch den Druck zu sprechen, den die gespannten Arterien auf die durch die Härtungsflüssigkeit stattfindende
Anschwellung der weichen Hirnsubstanz ausüben. Und doch ist die Sache nicht so einfach. Theils konnte ich
nämlich schon an der frischen, von der Hirnhaut und den Arterien entblössten Insula deutliche Andeutungen der
Furchen wahrnehmen, welche in der Härtungsflüssigkeit bald ganz verwischt wurden, theils sind bei Gehirnen
aus dem 7.—9. Monate, wenn sie durch Injection von Chrom-Essig-Osmiumsäure von den Nabelgefässen oder
dem Herzen aus gehärtet werden, wobei sicher keine Anschwellung, sondern eher eine geringe Schrumpfung der
Substanz stattzufinden scheint und die Härtung sofort eintritt, an der Insula in der Regel Furchen in der charakteristischen
Anordnung nachweisbar; theils ist ja die Anordnung der Furchen an foetalen Gehirnen vom 7.—9.
Monate dieselbe wie an Gehirnen von geborenen Kindern und Erwachsenen. Ich bin in Folge dessen, nach
langer Prüfung und vielfacher Untersuchung, geneigt anzunehmen, dass die Furchen, welche man bei foetalen
Gehirnen (v. 7. Monat an) an der Insula trifft, in der That der Natur entsprechen, obwohl sie durch die in Folge
der Einwirkung der Härtungsflüssigkeit eingetretene Anschwellung der Hirnsubstanz verstärkt sein können und
ursprünglich, wenigstens theilweise, von den Arterien hervorgerufen sind. Diese meine Erfahrungen stehen also
ziemlich im Einklang mit Marchand's, der an sämmtlichen gut gehärteten Gehirnen vom 5. bis 6. Monat keine
Spur von bleibenden Furchen finden, sich aber zuweilen davon überzeugen konnte, dass die stärkeren Arterien-
stämmchen, besonders in der Nähe des Inselpoles, aber auch die aufwärts davon belegenen, deutliche Spuren
hinterlassen können, welche der Lage nach zum Theil mit bleibenden Furchen übereinstimmen, ohne sich jedoch
mit diesen ganz identifiziren zu lassen. Und bei der Untersuchung eines frisch herausgenommenen Gehirns eines
Foetus von der 24. Woche konnte March and sich aufs Deutlichste davon überzeugen, dass die Oberfläche der
Insel noch vollkommen glatt war. Ich betone hier, dass auch nach meinen Erfahrungen die Furchen der Insula
C—■ ' o
sich im 5. und 6. Monate in der That stets äusserst schwach angelegt zeigen und oft ganz fehlen, dass sie
aber vom 7. Monate an gewöhnlich stärker markirt sind, doch auch zuweilen noch einige Zeit fehlen können.
Es kommt in Betreff der Zeit ihres Auftretens gewiss eine recht grosse Wechselung vor, was auch Marchand
zugiebt, indem er sagt, dass man wohl das Vorkommen individueller Differenzen annehmen könne.
5
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0051