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meinen von den Autoren nicht ganz richtig dargestellt worden. Da ich ineine erwähnte vorige Darstellung durch
spätere Beobachtungen stets bestätigt gefunden habe, werde ich hier aus derselben Folgendes anführen:
»Bei der Durchmusterung der vielen Beschreibungen und Abbildungen dieser an jedem Gehirn so offen und
klar vorliegenden Gebilde habe ich mich oft darüber verwundert, dass sie so selten naturgetreu dargestellt sind.
Fast immer findet man sie als zwei rundliche Erbsen oder ovale Bohnen wiedergegeben, die durch eine offene
Spalte von einander getrennt sind. Dies ist aber an gut erhaltenen Präparaten nie der Fall. Die Körperchen
Tili nein vielmehr zwei dicht gegen einander gedrückten Birnen, deren schmälere Enden nach aussen und etwas
nach vorn hin gerichtet sind. Jedes dieser Körperchen ist nämlich nur in seinem inneren, hinteren und vorderen
Umfange scharf begrenzt, und nach aussen hin läuft es in eine schmälere Partie aus, welche sich der Area per-
forata lateralis zuwendet und sich in derselben allmählig verliert, Dieser Stiel des Körperchens, das ich als
Brachium corporis mammillaris bezeichnen werde, ist zwar bei den verschiedenen Individuen, wie das Körperchen
selbst, von etwas wechselnder Ausbildung, nämlich bald breiter, bald schmäler; er ist aber stets vorhanden und
zeigt sich oft weisslich, um nach aussen hin mehr grau zu werden; beim Uebergang des Körperchens in den
Stiel trifft man hin und wieder eine kleine Querfurche, welche gewissermassen eine äussere Abtheilung des Körperchens
abzugrenzen scheint, Dieses laterale Körperchen kann nämlich auch eine äussere Abgrenzung darbieten,
wodurch ein besonderer lateraler Höcker entsteht. Solche »laterale Körperchen» sind, wie schon längst von v. Gudden
dargestellt worden ist, bei den Thieren zuweilen vorhanden, so z. B. beim Kaninchen .... Die beiden Körperchen
liegen, wie ich oben hervorgehoben habe, mit ihren medialen Flächen dicht an einander gedrückt ; diese beiden
Flächen sind deshalb gegen einander abgeplattet, obwohl vorn, unten und hinten ein medianer Sulcus zwischen
sie eindringt.»
Diese Darstellung, der ich einiges über die Variationen hinzufügen habe, kann ich jetzt aufrecht erhalten.
Auf der Taf. XXXIII habe ich eine Reihe von Abbildungen zusammengestellt, in welchen die betreffenden Verhältnisse
in verschiedenen Varianten wiedergegeben sind. In der Fig. 1 sieht man die Corpora maramillaria in
ihrem noch frühen Entwicklungsstadium des 4. Monats (3-mal vergrössert); in Fig. 2 sind sie aus dem 5. Monate,
in Fig. 3 aus clems. Monat (in doppelter Grösse); in Fig. 5 (in natürlicher Grösse) aus dem 6. und in Fig. 4
ans dem 7. Monate dargestellt. Die Fig. 6 zeigt die Corpora im Stadium des 7. Monates, und zwar 3-mal vergrössert
, In den übrigen Figuren (Fig. 7—19) sind die Verhältnisse beim erwachsenen Gehirn wiedergegeben,
und zwar zum Theil in natürlicher (Fig. 7—12 und 18), theils in doppelter Grösse (Fig. 13—17 und 19). In
allen diesen Figuren erkennt man die Corpora mammillaria in der oben beschriebenen Birnenform und mit nach
aussen-vorn ziehenden Brachia; es können aber sowohl die Corpora selbst bald mehr gestreckt, bald mehr gedrungen
und rundlich, wie auch die Seitenarme mehr oder weniger ausgeprägt sein. Der mediane Sulcus schneidet
im Ganzen zwischen die beiden Corpora tief ein und lässt, wie aus Medianschnitten ersichtlich ist, zwischen seinem
Boden und der von innen (vom Ventrikel) her in den Hirnkammerboden einschneidenden, inneren Medianfurche
mir einen schmalen, ziemlich dünnen, dreieckig gestalteten Wandstreifen zurück, durch welchen der Ventrikel
abgeschlossen ist.
An der Oberfläche der Körperchen sieht man zuweilen weisse Streifen und Ränder verlaufen, welche von
verschiedener Ausbildung und Anordnung sind. In meiner vorigen Abhandlung äusserte ich hierüber: »Die einzige
, diese Verhältnisse betreffende genauere Angabe, die ich in der Literatur angetroffen habe und die wohl
auf die Stiele der Corpora mammillaria zu beziehen ist, fand ich — wenn ich von einer kurzen, wahrscheinlich
hierauf bezüglichen Bemerkung von v. Gudden absehe — in M. v. Lenhossek's Mittheilung über diese Körperchen
(Anat. Anzeiger, 2. Jahrg. N:o 14, 1887). In einer gewissen Anzahl von Fällen sah er am hinteren Abhang
eines der Corpora mammillaria, und zwar gewöhnlich des Corpus sinistrum, einen kaum 1 Mm. breiten weissen
Streifen, die Stria alba tuberis, entspringen, sich hierauf nach vorn wenden, sich der lateralen Seite des Corpus
saumartig eng anlegen, sie sodann verlassen und, das Tuber cinereum schräg durchsetzend, nach vorn und lateral-
wärts ziehen, um unter dem Tractus opticus zu verschwinden; er beschrieb diesen Streifen aber als eine in typischer
Form nicht constante Erscheinung (in 9 Fällen von 30, und fast immer auf der linken Seite) und, wie
es scheint, als in der Ebene des Tuber cinereum belegen, also nicht als eine Erhabenheit an demselben.»
Die v. lenhossek'sche Stria alba tuberis ist also nicht mit den von mir beschriebenen Brachia corp. mam-
mill. zu verwechseln, obwohl die Stria, wenn sie vorkommt, in einem Brachium verlaufen kann. An gehärteten Gehirnen
sind diese Stria? schwer mit Sicherheit nachzuweisen, weshalb ich sie an einer Anzahl frischer Gehirne
verfolgt habe. Ich habe sie auch in mehreren Fällen gut ausgebildet gefunden, und zwar bald an der rechten,
bald an der linken Seite, bald auf beiden Seiten zugleich. Sie bietet aber ein etwas wechselndes Verhalten dar.
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