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nen, obwohl der Name »Leraniscus diagonalis» von Broca auch berechtigt sein kann. Nachdem es mit seinem hintereninneren
Rande innen die Fovea lateralis areas terminalis begrenzt hat, stösst es dem Tractus opticus an und bildet
mit ihm eine Furche, den Sillens preeopticus, welche sich zwischen dem Tractus und dem Gyrus hippocampi nach
hinten hin fortsetzt und sich hinten sehr vertieft, indem sie in die Fissura chorioidea übergeht. Zwischen dem
Tractus opticus und dem Gyrus hippocampi schiebt sich an der Hinterseite des diagonalen Bandes ein kleines
dreieckiges Feld ein.
Nach vorn von dem diagonalen Bande befindet sich schliesslich die eigentliche durchlöcherte Partie der
Substantia perforata anterior, und es wäre gewiss richtig, diese vordere Partie nur mit diesem Namen zu bezeichnen
. Diese Substanz ist bekanntlich bei den Makrosmatikern sehr voluminös und jederseits zu einem breiten
grauen Höcker, dem Tuberculuin olfactorium, ausgebildet. Beim Menschen, wo diese Partie sehr reducirt ist, lässt sich
indessen gewöhnlich ebenfalls eine, wenn auch nur geringe, höckerartige Erhebung wahrnehmen, und zwar auf dem
inneren Gebiete, hinter dem Trigonum olfactorium. Ich habe hier sogar nicht selten eine ganz distinete, quergestellte
, etwas unebene, länglich-ovale Erhabenheit gefunden (Fig. 10 der Taf. XXXII; Fig. 5 der Taf. XLVI), welche
wohl als »Tuberculum olfactorium^ bezeichnet werden könnte. Indessen lässt es sich auch vertheidigen, diesen
grauen Rindentheil des Rhinencephalons als einen Gyrus aufzufassen. Ich habe schon oben kurz die Frage berührt
, ob es richtig sei, auch bei dem Rhinencephalon für die Erhabenheiten und Furchen der Oberfläche die eigentlich
vom Pallium herrührenden Bezeichnungen »Gyrus» und »Sulcus» anzuwenden, indem das Rhinencephalon und
das Pallium in mehrerer Hinsicht von Anfang an von recht verschiedener Natur und Bedeutung sind. Ich bin
aber zu der Ueberzeugung gekommen, dass es sich kaum durchführen lässt, für diese beiden Theile des Gehirns
besondere Termini technici aufzustellen. Wenn dieses richtig ist, so muss man auch bei dem Rhinencephalon alle
distineten, Nervenzellen führenden Erhabenheiten der Rindenoberfläche als Gyri und die sie trennenden Furchen
als Sulci bezeichnen.
In Uebereinstimmung mit dieser Regel wäre die Substantia perforata anterior als Gyrus perforatus (oder
intermedius) rhinencephali aufzuführen, um so viel mehr, als sie Nervenzellen enthält und, wie ich oben hervorgehoben
habe, oft, wenigstens in ihrer medialen Partie, eine bemerkenswerthe Erhabenheit darbietet. An der
lateralen, vorn von dem vorderen Arme des Gyrus olfactorius lateralis begrenzten, sich hinten in das diagonale
BROCA'sche Band fortsetzenden Partie, die am stärksten von Gefässlöchern durchdrungen ist, bemerkt man jedoch
keine eigentliche Erhebung der Oberfläche. Es wäre von Interesse, zu erfahren, ob die beiden Partien in ihrer
Structur Verschiedenheiten darbieten, was ich wegen Mangel an Zeit noch nicht untersuchen konnte.
Nachdem ich also die dem vorderen Schenkel des Gyrus olfactorius lateralis hinten und innen angrenzenden
Theile des Rhinencephalons nebst ihrer nächsten Umgebung besprochen habe, gehe ich zur Darstellung des hinteren
Schenkels und der übrigen Partien des Riechhirns über.
Wie oben erwähnt wurde, biegt sich im Angulus lateralis (am Limen insular) der Gyrus olfactorius lateralis
scharf geknickt nach innen-hinten, um in das Vorderende des Gyrus hippocampi hinüberzulaufen. Beim
5-monatlichcn Foetus war er noch an beiden Seiten scharf begrenzt; beim älteren Foetus und bei Erwachsenen
ist seine äussere Grenze verwischt, während die innere vom Sulcus arcuatus rhinencephali, der sich hinten-innen
in den Sulcus pneopticus einsenkt, stets scharf angezeigt ist.
A\ enn man an dem frischen oder an dem in einem weichen Zustande erhärteten Gehirne von Erwachsenen
das Vorderende des Schläfenlappens vom Frontalpole vorsichtig abhebt, so erkennt man an der vorderen-inneren
Fläche des Vorderendes des Gyrus hippocampi constant zwei bisher unbeachtet gebliebene Erhabenheiten von ganz
typischer Gestalt. Ich habe oben bei der Darstellung der Entwicklungsvorgänge dargethan, dass diese Gebilde
schon bei dem 4-monafliehen Foetus auftreten, also zu derselben Zeit, wie die Gyri olfactorii (lateralis und me-
dialis), und somit früher, als fast alle gyrusartigen Bildungen am Pallium. Dies ist aber auch ganz natürlich, da
das Rhinencephalon phylogenetisch eine frühere Partie des Gehirns, als das Pallium darstellt. Deshalb finde ich
in dem frühen Auftreten der fraglichen Erhabenheiten keinen Grund, dieselben nicht als »Gyri» anzuerkennen.
Im 5. und 6. Monate entwickeln sich diese Erhabenheiten (s. oben das betreff. Kapitel sowie die Fig. 2—4 der
Tat'. XXXII) noch weiter, und es zeigt sieh dann ihre Verbindung mit dem hinteren Ende des Gyrus olfactorius
lateralis. Es theilt sich beim Foetus dieser Gyrus gewissermassen in zwei Klauen, von denen die laterale in einem
Bogen um die mediale, halbmondförmig gestaltete läuft. Ich bezeichnete schon oben die mediale Klaue als Gyrus
semilunaris rhinencephali. die laterale als Gyrus ambiens rhinencephali und die diese Gyri trennende Furche als
Sillens semiamiidaris. In dem folgenden Foetalleben bilden sich diese Theile in ihrer schon von Anfang
angelegten typischen Gestalt aus: v. A. bleibt aber die Form des Gyrus semilunaris ziemlich unverändert. In
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