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Sphären habe ich sie fast nie ganz vermisst, obwohl sie zuweilen nur seicht vorkommt; in den meisten Fällen ist
sie deutlich ausgesprochen, in manchen ist sie sehr scharf, tief und typisch.
Das schwach gewölbte untere Gebiet des G}7rus hippocampi, welches sich medialwärts von der Fissura
rhinica findet und keine anderen Furchen aufweist, als den oben beschriebenen Sulcus inferior rhinencephali, ist
durch eine eigenthümliche Beschaffenheit seiner Oberfläche ausgezeichnet, wovon ich bei den Autoren nichts
erwähnt gefunden habe. Dieselbe ist nämlich constant mit dicht gedrängten Wärzchen übersäet, welche ihr
ungefähr das Aussehen einer Amphibien-Haut geben. In der Fig. 14 der Taf. L ist diese warzige Beschaffenheit
gezeichnet und in Fig. 5 der Taf. LI durch directe Photographie schön in doppelter Vergrösserung wiedergegeben.
Ich werde diese eigenthümlichen Gebilde, die ich an gut gehärteten Präparaten, aber auch im frischen Zustande stets
schon mit blossem Auge, besser aber noch mit der Loupe entdecken konnte, als Verrucae gyri hippocampi bezeichnen.
Ich komme jetzt zu der Darstellung des Gyrus hippocampi selbst und aller ihn angrenzenden merkwürdigen
Bildungen. Eigentlich ist es gewissermassen zu beklagen, dass dieser Gyrus den Namen »hippocampi» bekommen
hat. Wenn man mit der Nomenclatur-Commission für »das Ammonshorn» die alte Bezeichnung »Hippocampus» behält
und »Ammonshorn» verwirft, so hat die Benennung »Fissura hjppocampi» auch ihre gute Berechtigung, da diese
Spalte in den Hippocampus einschneidet. Dagegen kann der Name »Gyrus hippocampi», da diese Bildung mit dem
Hippocampus selbst nur wenig zusammengehört, keinen eigentlichen Sinn haben und bei dem Unterricht leicht
zu Verwechselungen Anlass geben, um so viel mehr, als die Commission auch der Fascia dentata und der Fimbria
den Beinamen »hippocampi» gegeben hat. Ich werde jedoch — so verlockend es auch sein mag — keinen Versuch
machen, neue Bezeichnungen vorzuschlagen, sondern möglichst die vererbten und schon angenommenen anwenden.
Bekanntlich wird der Gyrus hippocampi, als unterer Arm, zusammen mit dem Gyrus cinguli, als oberer
Arm, unter dem Namen Gyrus fornicatus als ein einheitlicher Windungszug aufgefasst, welcher die einzelnen
Theile des ursprünglichen Randbogens in einem vorn-unten offenen Bogen umfasst. Der Gyrus hippocampi wird
innen durch die Fissura hippocampi, aussen durch die Fissura rhinica und den vorderen Theil der Fissura collateralis
(occipito-temporalis), sowie durch den Stamm der Fissura calcarina, abgegrenzt. Der Gyrus cinguli ist innen durch
den Sulcus corporis callosi, aussen durch den Sulcus cinguli (Raums subparietalis und Ramus marginalis) begrenzt.
Dieser bogenförmige Windungszug bildet, wie schon längst nachgewiesen worden ist, gewissermassen
einen Stammring, aus welchem eine Reihe andere Windungen, nach aussen hin radiirend, ausstrahlen. Oder es
findet sich, wenn man die Sache lieber so auffassen will, zwischen demselben und den nach aussen hin befindlichen
Windungen eine Reihe von Brücken oder Verbindung sgyri.
Am Gyrus hippocampi kann man also in der Regel schon vorne an seinem vorderen dicken Theil, dem
Caput gyri hippocampi, welcher sich medialwärts rings um das vordere Ende der Fissura hippocampi nach hinten
hin in den sogen. Uncus oder Gyrus uncinatus umbiegt, zwischen der Incisura temporalis und der Fissura collateralis
, wenn nämlich die Fissura rhinica auf dieser Strecke fehlt oder sehr schwach entwickelt ist, eine breite,
zum Gyrus temp. polaris führende Brücke {Gyrus rhinencephalo-temporalis anterior) wahrnehmen, über die gewöhnlich
nur eine ganz seichte Furche zieht; gewöhnlich ist diese Brücke jedoch durch eine stärker entwickelte Fissura
rhinica hinabgedrückt. Wenn die Fissura rhinica weit nach hinten reicht, ohne mit der Fissura collateralis zusammenzuhängen
, so bleibt etwas weiter hinten eine andere, mehr oder weniger breite, nach vorn-aussen ziehende
Brücke bestehen, welche den Gyrus hippocampi mit dem Gyrus fusiformis verbindet — was eine recht gewöhnliche
Erscheinung ist; diese Brückenwindung, die ich Gyrus rhinencephalo-fusiformis nenne und die ich bei 100
Hemisphären 60 mal angetroffen habe, kann zuweilen noch durch eine Furche in zwei nebeneinander verlaufende
Windungen getheilt sein.
Nach hinten von dieser Brücke zeigt der Gyrus hippocampi gewöhnlich eine Strecke weit einen freien Rand.
Wenn man ihn aber von dem Gyrus fusiformis abbiegt, sieht man in der Regel an seiner lateralen Seite eine
Reihe eigentümlicher, schmaler, strangförmiger, querer Tiefenwindungen in die Tiefe der Fissura collateralis
hinablaufen und an der anderen Seite der Fissur ihnen entsprechende Windungen emporsteigen. Es kommen
Fälle vor, wo diese Windungen oberflächlich geworden sind und also Brücken bilden können, doch scheint dieses
selten zu sein. Ich traf nämlich bei 100 Hemisphären nur 1 mal einen solchen Fall.
Weiter nach hinten aber, ungefähr unter oder hinter dem hinteren Ende des Thalamus opticus, findet sich eine
beinahe constante Brückenverbindung, indem das zugespitzte Vorderende des Gyrus lingualis mit dem Gyrus hippocampi
von hinten her in spitzem Winkel zusammenläuft. Diese Brückenwindung lässt sich als Gyrus rhinencephalo-
lingualis bezeichnen. In der Regel kommt vor derselben noch eine solche Brückenwindung vor, welche jedoch ge-
Avöhnlich tief bleibt, In Ausnahmefällen können die Rollen getauscht werden und die hintere Windung tief bleiben.
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