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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0113
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bringen. An den gegeneinander gekehrten, versteckten Flächen der Hauptwindungen scheint der gegenseitige
Druck in dem engen Furchenraurae die Ausbildung der wachsenden kleinen Querwindungen in ihre Gestalt
hervorzurufen und zu befördern; wahrscheinlich ist dann diese Form durch die Vererbung der fraglichen Windungen
eine typische geworden.

In der hinteren Partie der Fissura Sylvii findet man ebenfalls eine Anordnung von Tiefenwindungen, der
Gyri (und Sulci) transversi, welche nach demselben Typus geformt sind; und auch die medialen Windungen der
Opercula und der Insula ähneln diesem Typus in mehrerer Hinsicht.

Nach der Besprechung dieser Erscheinungen, welche ich, obwohl sie ganz verschiedenartig sind, als Producte
des Compensationsgesetzes zusammenführe, werde ich nur noch Einiges über die soeben berührten Brückenverbindungen
der Windungen hinzufügen. Es können in der That bei allen Furchen des Palliums der menschlichen
Hemisphären, obwohl bei den verschiedenen Furchen verschieden oft, Unterbrechungen vorkommen. Jede Furche
— sogar der Sulcus centralis — kann in zwei oder mehr Theilstücke zerfallen, und jede Furche kann sich mit
den Nachbarfurchen verbinden.

Hierdurch entsteht eigentlich grösstenteils die auffallende Variabilität in der Anordnung der Furchen und
Windungen des menschlichen Gehirns. Das Studium der Windungstypen beschäftigt sich auch in ganz besonderen
Masse mit der Erforschung der verschiedenen Combinationen der Furchen und Windungen, welche durch dieses
Auflösen und Anastomosiren der einzelnen Furchen, dieses Zerschneiden und Verbinden der einzelnen Windungen
entstehen. Aber nicht nur die eigentliche Thatsache des Vorkommens der einzelnen Combinationen zu constatiren,
ist ein Ziel der morphologischen Forschung: nicht nur dass sie vorkommen, sondern auch wie oft dieses geschieht
hat sie festzustellen, wie dies auch durch die Untersuchungen von Giacomini, Sernoff, Eberstaller und Cun-
ningiiam schon in ziemlich ausgedehntem Masse geschehen ist. Die Erforschung des iceshalb, der Ursache des
Entstehens der verschiedenen Combinationen, sowohl im Allgemeinen, wie im einzelnen Falle, wäre natürlicher
Weise ein noch höheres Ziel der Biologie, das aber noch in weiter Ferne liegt.

Bei diesen Forschungen wäre aber noch zu berücksichtigen, dass sämmtliche Windungen und Furchen eines
jeden Gehirns eine Einheit darstellen, dass vielleicht gewisse Typen, gewisse Combinationen zusammengehören.
Man sollte eigentlich die einzelnen Furchenvariationen nicht nur losgerückt, jede für sich, sondern in Zusammenhang
mit einander und mit dem Typus des ganzen Gehirns behandeln. Diese Untersuchung ist jedoch eine sehr
intricate; sie erfordert viel Material und viel Geduld. Bekanntlich sind indessen die beiden Hemisphären eines
Gehirns einander nie gleich. In der Regel lässt sich jedoch für die beiden Hälften gewissermassen ein gemeinsamer
Allgemeintypus feststellen; die Combinationen der Furchen- und Windungsverbindungen sind aber oft
recht verschieden.

Ich habe nun mit der Aufstellung einer derartigen Statistik der combinirten Variationen der Windungen
und Furchen einen Anfang gemacht, Ich nahm, ohne Wahl oder Ausschliessung gewisser Formen, von
meinen zwei Hundert Hemisphären von Erwachsenen 100, an denen die Windungen und Furchen noch wohl
untersucht werden konnten, und führte in Tabellen alle ihre wichtigeren Anordnungsverhältnisse resp. Variationen
auf. Diese 100 Hemisphären wurden in rechte und Unke und in männliche und weibliche gesondert, so dass sie
also in vier Tabellen (s. unten am Ende des Textes) zusammengestellt sind.

Alle diese Gehirne gehörten Individuen aus der niederen Standesklasse, Arbeitern, Handtwerkern, Dienstmädchen
u. s. w., an. Es standen mir nämlich nur wenige Gehirne von intellectuell höher entwickelten Individuen,
v. A. von solchen Individuen zur Verfügung, deren verschiedene intellectuelle oder im Ganzen hirnfunctionelle Eigenschaften
mir bekannt waren. Deshalb muss ich diesmal jedenfalls davon abstehen, eine Untersuchung hinsichtlich
des Zusammenhanges der Windungsanordnung und der Entwicklung der intellectuellen Functionen vorzunehmen.

Alle die von mir jetzt untersuchten Gehirne gehören Schweden an; die Ergebnisse können also auch in
ethnologischer Beziehung als für Schwedenhirne einigermassen massgebend und als ein Beitrag zur Rassenanthropologie
betrachtet werden.

Indessen muss hier betont werden, dass man bei einer jeden derartigen Statistik — wie es auch sonst bei
statistischer Behandlung von Naturgegenständen so oft der Fall ist, auf recht grosse Schwierigkeiten stösst, und
/war gerade wegen der vielen Abstufungen der Formenvariationen. Es giebt in der Gestaltung der Hirnwindungen
leider keine fixe Typen, sondern sie fliessen mittelst mancherlei Gradationen in einander über: »Panta rei».
Es hängt also in jedem einzelnen Falle von Uebergangsformen von der Beurtheilung des Untersuchers ab, wo
er die zweifelhaften Formen hinfuhren soll. Ich habe mich nun in allen derartigen Fällen bemüht, so consequent,
als mir möglich war, d. h. nach denselben Prinzipien, zu handeln. Bei sehr schwacher Entwicklung in einer


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