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gegen den Frontalpol hin abgelenkte. Diese Furche ist nach Eberstaller meistens tiefer als die anderen sagittalen
Stirnfurchen, aber durch Tiefenwindungen, welche, zahnradartig alternirend, in ihr liegen, sich andere Male aber
zu oberflächlichen Brücken erheben, manchmal verseichtert. Es kommt vor, dass diese Furche nicht auf die
vordere Stirnhälfte beschränkt ist, sondern schon eine Windungsbreite vor der Präcentraifurche beginnt, ja sogar
aus ihr entspringen und als mächtigste Stirnfurche ununterbrochen an die Orbitalkante reichen kann (Vierwindungstypus
des Stirnhirns»). Es unterliegt indessen, sagt Eberstaller, manchmal Schwierigkeiten, die mittlere Stirnfurche
sofort herauszufinden; nicht desto weniger sind ihre Elemente in jeder Hemisphäre vorfindlich. Der
vordere Querast fällt übrigens mit dem Sulcus fronto-marginalis von Wernicke zusammen.
Nach der Durchmusterung einer grösseren Anzahl von Gehirnen muss ich zwar Cunningham darin Recht
geben, dass die Variationen dieser Furche mannigfach sind und ihre Conhguration dadurch oft unbestimmt und
unsicher wird, so dass man sie zuweilen nur in künstlicher Weise zu demonstriren vermag. Wenn man sich
aber Zeit giebt und sich darin geübt hat, die Furche aufzusuchen, so gelingt dies indessen in den allermeisten
Fällen.
Sie hängt zwar oft (nach Eberstaller in 44 Proc. der Fälle) mit dem Sulcus frontalis superior zusammen,
theils wird sie durch Brückenwindunsren verwischt und verschoben, so dass man ihre Einheitlichkeit nicht eben
leicht zu erkennen vermag. Das hintere Querstück kann fehlen oder abgelöst sein; das vordere kann ebenfalls
abgelöst sein oder sich durch eine hinter dem Sulcus fronto-marginalis belegene, ihm parallele Furche vertreten
zeigen (s. die Fig. VIII, S. 103).
Wenn man aber von der Fronto-marginalfurche ausgeht, gelingt es in der That am besten, die nicht selten
intricate, von Tiefenwindungen eingenommene und deshalb nicht so besonders tiefe Furche zu demonstriren.
Es giebt indessen eine Reihe von Fällen, wo der Sulcus frontalis medius typisch und schön ausgebildet ist,
gerade so wie ihn Eberstaller dargestellt hat, und es ist gewiss ein besonderes Verdienst dieses um die Erforschung
der Furchen und Windungen des Stirnhirns sehr verdienten Hirnanatomen, das Vorkommen und den
Verlauf dieser Furche in ihrer wechselnden Gestalt nachgewiesen zu haben.
In meinen 100 Hemisphären fand ich den Sulcus frontalis medius in seiner ganzen Ausdehnung zusammenhängend
in 33 %; in einem Gehirn fehlte die Furche vollständig;
durch oberflächliche Windungen in der Mittelpartie unterbrochen in 65 %;
durch eine hintere oberflächliche Windung von dem hinteren queren Ast getrennt in 44 %;
durch eine vordere Querwindung von dem Sidcus fronto-marginalis abgetrennt in 24 %;
mit dem Sidcus prcecentralis inferior durch die Vermittelung des Ramus horisontalis desselben verbunden
in 13 %\
mit dem Sulcus frontalis superior vereinigt in 31 %.
Der Sulcus frontalis inferior.
Auch diese Furche hat »ein sehr wechselndes Gepräge» (Eberstaller). »Das kommt», sagt er, »von den
vielen Tiefenwindungen, die sie durchsetzen, von denen bald die eine, bald die andere, manchmal auch mehrere
zugleich oberflächlich werden und dadurch das einheitliche Furchenbild stören.» Ich kann zwar hierin nur einstimmen
, doch hat die Windung in den meisten Fällen einen recht ausgeprägten Typus, was v. A. davon
abhängt, dass sie eine scharfe untere Begrenzung besitzt.
In den meisten Fällen — in meinen 100 Hemisphären in 77 % — geht sie hinten von der unteren
Präcentraifurche aus — die aber auch (also in 23 %) von ihr abgetrennt sein kann — und zieht in mehr sagittaler
Richtung, um vorne in eine mehr transversale umzubiegen und vor dem Ramus anterior ascendens fissuraa Sylvii
zu enden, wobei sie auch oft zweigetheilt ist.
Die Furche trennt die mittlere von der unteren Stirnwindung, das Operculum frontale superius und inter-
medium nach oben hin begrenzend. Man kann mit Eberstaller in ihr drei Tiefenwindungen unterscheiden,
nämlich eine hintere, wo die untere Frontalfurche mit der Präcentraifurche zusammenhängt: obwohl vorhanden bietet
sie aber, wie ich oben hervorgehoben habe, oft keine besondere, abtrennende Beschaffenheit dar; wenn sie oberflächlich
ist, trennt sie die beiden Furchen ganz von einander (nach Eberstaller in 24, nach mir in 23 % der
Fälle); ferner eine mittlere, die relativ selten oberflächlich wird, und schliesslich eine vordere, welche von der
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