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Die Innenfläche des Operculum frontale.
Bevor ich den Stirnlappen verlasse, habe ich noch eine ihm angehörige Partie zu besprechen, welche im
Allgemeinen sehr wenig berücksichtigt worden ist: die versteckt liegende Fläche des Operculum frontale. Diese
Flache enthält jedoch eine bedeutende Rindenpartie, welche sicherlich auch eine wichtige physiologische Dignität
besitzt, und zwar nicht nur an ihrem unteren Rande, sondern auch an ihrer Innenfläche.
Wie oben bemerkt wurde, hängt das frontale Operculum, dessen Entwicklung schon oben besprochen worden
ist, hinten direct mit dem parietalen zusammen, weshalb man von einem Operculum fronto-parietale — der
oberen Klappe — gesprochen hat. Bei genauerer Analyse muss man jedoch in morphologischer Hinsicht das
Operculum parietale, als zum Scheitellappen gehörig, vom Operculum frontale streng absondern. Das untere
Ende des Sulcus centralis ist auswendig als die Grenze zwischen beiden aufzuführen, und diese Grenze ist als
nach unten und innen hinausgezogen zu denken.
Am Operculum frontale habe ich oben drei Abtheilungen unterschieden: das Operculum frontale superius,
das Operculum frontale intermedium und das Operculum frontale anterius oder orbitale.
Eigentlich dürfte zum Operculum, wenn man es als anatomisch bestimmte Partie auffasst, wohl auch ein
Theil der Aussenfläche der an der Insel vorhängenden Rinde des Gehirns zu rechnen sein. Dies wäre aber de-
scriptiv kaum anders möglich, als dass der Gyrus frontalis inferior zu dem Operculum frontale geführt würde,
was in der That viel für sich hätte. Indessen ist es wohl einfacher, diese Windung zusammen mit den anderen
dorsalen Frontalwindungen zu behandeln und die eigentliclie operculare Partie von der Mantelkante oder vom Rande
der Sylvischen Spalte her zu rechnen; es gehört also zu ihr nur die versteckt liegende Fläche des Vorhangs.
Das Operculum frontale superius.
Das Operculum frontale superius besitzt, wenn man es in der angegebenen Weise auffasst, eine untere und
eine innere Fläche. Diese Flächen differenziren sich in der zweiten Hälfte der Foetalzeit. So lange das Operculum
frontale noch nicht das Operculum temporale erreicht hat, besitzt das erstere einen halbcylindrisch abgerundeten
Mantelrand. Nachdem sie aber einige Zeit dicht an einander gelegen haben, findet am frontalen sowohl
wie am parietalen Operculum die Differenzirung in eine innere, der Oberfläche der Insula anliegende, und
in eine untere, dem Temporallappen angelagerte Fläche statt. Diese beiden Flächen bilden sich bei der folgenden
Entwicklung immer mehr aus. Beim Erwachsenen kann man deshalb am Operculum frontale superius constant
eine untere Fläche, die ich als Superficies inferior bezeichnen will, von einer inneren (medialen), welche ich
Superficies interna nenne, unterscheiden. Diese Flächen sind gegen einander stets scharf abgesetzt, und zwar in
einem starken, zuweilen soo'ar geraden Winkel.
Die Superficies inferior operculi frontalis superioris.
Die untere Fläche (Taf. LXXXIII, Fig. 3 und 4, 7 und 8; Taf. LXXXIV, Fig. 3—5; Taf. LXXXV, Fig. 3—6;
Taf. LXXXVI, Fig. 4—6; Taf. LXXXVII, Fig. 3—6 u. s. w.), welche die Autoren kaum berücksichtigt haben, ist
von rectangulärer Gestalt und im Grossen und Ganzen recht eben und horizontal gestellt, nur mit einer schwachen
Neigung nach innen-unten; hinten ist sie etwas breiter, sodass sie dort ungefähr 2.5—3 Cm. misst, vorn etwa
0.5 Cm. schmäler. An ihr kommen zuweilen einzelne, ihr selbst angehörende Furchen vor, und zwar in der Gestalt
kleiner, quer oder schief gestellter, oft auch verästelter Kerben. In der Regel trifft man aber an ihr keine
anderen Furchen als solche, die von der äusseren oder der inneren auf die untere Fläche übergetreten sind und in
den Kanten derselben Einschnitte verursacht haben. An der äusseren Kante, der Mantelkante, sind die Einschnitte
besonders durch zwei Furchen verursacht, den oben erwähnten Sulcus diagonalis und den Sulcus subcentralis
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