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der obere?! oder der unteren dieser Furchen communiciren; in diesem Falle bildet der übrige mediale, resp. der
laterale Theil der Furche eine besondere kleine, ziemlich seichte Furche. Wie oben erwähnt wurde, anastomosiren
am öftesten alle drei Furchen, und dann entsteht ein wirklicher »Vortex» von Furchen, ein »Furchenstern» mit
divergirenden Strahlen, aus dessen Mitte, wie ich mehrmals gesehen habe und wie Eberstaller und Andere
angeben, zuweilen eine rundliche Furcheninsel, ein Gyrus insulatus auftaucht, welche scheinbar keine Verbindung
mit der nächsten Umgebung hat, sich bei genauer Untersuchung aber in der Tiefe mehrfach durch Tiefen Windungen
mit den angrenzenden Partien verbunden zeigt. In der That giebt es nämlich an den versteckten Seitenwänden
dieser Furchen, resp. der sie begrenzenden Gyri, stets Nebenwindungen derselben Art, wie am Frontallappen
. Es sind zahnradförmig angeordnete Windungen, welche, unten schmäler, oben breiter, regelmässig mit
einander alterniren; am reichlichsten und stärksten sind diese Windungen an der eigentlichen Vereinigungsstelle
der Furchen vorhanden. Dagegen muss ich mich gegen die gewöhnliche, auch von Eberstaller und Cunningham
umfasste Ansicht aussprechen, dass man hier in der Regel bestimmte, tiefe Brücken bildende Tiefenwindungen
nachweisen könne. Hier und da kommt dieses wohl vor; zumeist sind aber nur die gewöhnlichen zahnrad- oder
zickzackartigen Querwindungen ohne bestimmte Brückenbildungen da. Bisweilen trifft man indessen, wie gesagt,
wirkliche Brücken an, welche etwas mehr über den Furchenboden emporragen und in diesem Falle wahre Ueber-
gangsformen zu den zuweilen an der Oberfläche vorkommenden echten Brückenwindungen bilden. Solche Windungen
kommen nun, wie Eberstaller und später auch Cunningham hervorgehoben haben, in dieser Furche
hauptsächlich an drei Stellen vor, nähmlich erstens an der Postcentraifurche, und zwar entweder gegen beide
Furchen, die dann unter sich zusammenhängen, oder nur gegen eine von ihnen hin; zweitens sieht man sie ungefähr
an der Mitte der Furchenlänge, wobei die nach vorn von der Fissura parieto-occipitalis befindliche Brücke querüber
von dem Lobulus parietalis inferior zum Lobulus parietalis superior führt, und drittens am hinteren Ende,
wodurch der Sulcus occipitalis transversus abgetrennt wird. Es können von diesen Brücken sogar zwei oder drei
gleichzeitig vorkommen. Dann wird die ganze Furche so zerschnitten, dass man sie kaum zu erkennen vermag.
Zuweilen trifft dabei auch eine Art Verdoppelung der Furche ein, indem der abgeschnittene vordere Theil sich
lateral von der übrigen Furche eine Strecke fortsetzt und ebenfalls mit einer Bifurcation endigt.
Wenn die mittlere Brückenwindung vorhanden ist, wird der hintere Theil, der sogen. »Occipitaltheil» der
Furche, abgelöst, was nicht selten eintrifft. Dieser Furchentheil stellt in der That, wie Wilder und in neuerer
Zeit Kükenthal und Ziehen hervorgehoben haben, ein in mehrerer Hinsicht selbstständiges Furchenelement dar.
Beim Foetus tritt er in der Regel als besonderes Stück auf, und zwar entweder zu gleicher Zeit mit der vorderen
Furchenpartie, oder bald etwas früher oder später als sie, im Ganzen aber stets am Ende des 6. oder am Anfang
des 7. Monats des Foetallebens. Dieses Furchenstück bildet, wie oben bemerkt wurde, ein eclatantes Beispiel der
compensirenden Querwindungen, welche neben dem Ende anderer stärkerer Furchen auftreten; es bildet hier die
dorsale compensatorische Furche der Fissura parieto-occipitalis und stellt regelmässig einen Halbring um sie dar.
Die Halbringsform ist in der Regel noch beim Erwachsenen nachweisbar; man hat den vorderen Schenkel gewöhnlich
als einen Seitenast der »saggittalen» Interparielfurche selbst beschrieben. Oft bleibt indessen beim
Erwachsenen diese Halbringfurche vom vorderen Furchenstück getrennt; dahingegen können diese Theile auch
beim Foetus früh mit einander in Verbindung treten. Hier, wie fast überall im Gebiete der Furchen und Windungen
des Menschenhirns, sind zahlreiche Wechselungen und Variationen zu verzeichnen.
Von der Interparietalfurche können verschiedene kleinere Seitenäste ausgehen, durch welche sie auch mit
Nachbarfurchen, z. B. mit dem Sulcus parietalis superior und dem Raums ascendens des Sulcus temporalis superior,
oder des Ramus ascendens des Sulcus temporalis medius oder sogar der Fissura Sylvii in Verbindung treten kann.
Nicht selten verbindet sich mit ihr auch der Sulcus intermedius primus, welcher dann als ihr Ast erscheint.
.(S. die Fig. X und XI, S. 122, 123).
Der Sulcus parietalis superior.
An der Dorsalseite des Lobulus parietalis superior kommt beim erwachsenen Menschen eine interessante
Furche vor, welche bisher nicht, oder nur sehr wenig die Aufmerksamkeit der Hirnanatomen gewonnen zu haben
scheint; und doch gehört sie zu den constanten Furchen.
In den Abbildungen des Gehirns von oben her findet man sie zuweilen angegeben; so z. B. in Bischoff's
Figuren und in Eberstaller's Figur (Das Stirnhirn, 1890). Diese Furche, welche gewöhnlich schon am Ende
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