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Flächen des keilförmigen, einen verschiedenen Umfang zeigenden Läppchens gehen dann sowohl nach vorn, als
nach hinten Tiefenwindungen aus, welche in der üblichen zahnradartigen Weise mit ähnlichen Windungen
der gegenüberstehenden Flächen des Scheitel- und Occipitallappens alterniren. Nach unten, gegen den Gyrus
cunei hin, senken sich die Flächen des keilförmigen Lobulus allmählig, um früher oder später in die Nachbarflächen
überzugehen.
Durch die Hinzufügung der beiden soeben beschriebenen Rindenpartien, derjenigen des Operculum parietale
und der von der Fissura parieto-occipitalis begrenzten Hinterfläche, wird die Zusammensetzung und Gestalt des
Scheitellappens complicirter und umfangreicher als sie oben zuerst beschrieben wurde. Der Lobus parietalis besteht
dann aus:
1. Gyrus postcentralis.
2. Lobulus superior, welcher aus folgenden Theilen besteht:
a. Prmcuneus mit
1. Gyrus anterior prcecunei,
2. Gyrus posterior prcecunei;
b. Gyrus arcuatus anterior,
c. Gyrus arcuatus medius,
d. Gyrus arcuatus posterior.
3. Lobulus inferior, an dem folgende Windungen zu unterscheiden sind:
a. Gyrus supramarginalis,
b. Gyrus angularis,
c. Gyrus parietalis inferior posterior.
4. Operculum parietale, an welchem sich folgende Theile unterscheiden lassen:
a. Gyrus transversus primus,
b. Gyrus transversus secundus,
c. Gyrus transversus tertius.
5. Superficies posterior lobi parietalis mit 1—4 Tiefenwindungen: Gyrus cuneo-prascuneus superior etc.
Ich kann aber diese Darstellung des Scheitellappens nicht abschliessen, ohne noch einmal auf ein Verhält-
niss hinsichtlich seiner Configuration die Aufmerksamkeit zu lenken, nämlich dass die beiden dorsalen Lobuli aus
je drei Bogenioindungen zusammengesetzt sind, deren geschlossene Bogen sich zu zweien gegen einander angeordnet
zeigen. Wenn man die Fissura interparietalis öffnet, so findet man indessen in der Regel, dass von diesen Bogen
quer durch den Boden der Furche tiefe Brückenwindungen ziehen, welche die Bogen mit einander verbinden.
Wenn diese tiefe Brücken Windungen oberflächlich geworden sind, bekommt es den Anschein, als ob der
ganze Scheitellappen aus einer Reihe frontal — oder quer — angeordneter, einander parallel gestellter Windungen
und nicht aus mehr sagittal angeordneten Windungszügen bestehe (Fig. XI, 12 u. 13 S. 123). Was das gewöhnliche
Verhalten des Sulcus interparietalis anbetrifft, besonders dann, wenn er einheitlich ist, so könnte man mit
einem gewissen Recht die Frage aufstellen, ob es nicht richtiger wäre, das Gebiet des Temporallappens bis zu
dieser Furche zu rechnen, anstatt die oberen-hinteren Enden der mit seinen Windungen und Furchen direct zusammenhängenden
Bogen Windungen, dem Gyrus supramarginalis, Gyrus angularis und Gyrus par. inf. posterior,
resp. die drei Rami ascendentes der Furchen, quer abzuschneiden und zum Scheitellappen hinzuführen. Die Bestimmungen
der Hirnmorphologie ruhen indessen in mancher Hinsicht auf conventioneilen Gründen, und man
schlägt ungerne ohne Noth grosse Veränderungen vor. Deshalb ist es wohl bis auf Weiteres am besten, möglichst
bei den schon eingebürgerten Eintheilungen zu bleiben. Ich werde auch im Grossen und Ganzen diesem
Grundsatze huldigen und nur solches hinzufügen, das mir zu wenig berücksichtigt zu sein scheint, oder wo mir
die vorhandenen Beschreibungen mangelhaft oder gar fehlerhaft vorkommen.
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