http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1896-1/0164
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Der Gyrus temporalis medius.
Die mittlere Schläfenwindung hat in der Regel eine breitere, mächtigere sichtbare Oberfläche als die obere.
Ihre obere Begrenzung ist scharf ausgeprägt, ihre untere dagegen, wie aus dem Verhalten der mittleren Schläfenfurche
hervorgeht, durch die mehrfachen Verbindungen mit der unteren Schläfenwindung unterbrochen und verwischt
. Es ist schwer, hier ein typisches Verhalten zu erkennen. Wie oben angegeben wurde, trifft man vorn
an der Furche gewöhnlich ein längeres sagittales Stück; nach hinten von ihm kommen oft zwei vertikale Brückenwindungen
mit einer sie trennenden vertikalen Furche, dann ein sagittales Stück, das auch in zwei Stücke getrennt
sein kann, und schliesslich der Ramus ascendens vor. Es sind also hier stets mehrere oberflächliche Brückenwindungen
hinüber zum Gyrus temporalis inferior vorhanden. Ausserdem kommen an der mittleren Windung oft in verschiedener
Richtung laufende und verschieden lange Furchen vor, die ihre Oberfläche in wechselnder Weise überkreuzen
und sich kaum eingehender beschreiben lassen.
Vorn läuft die mittlere Windung, wie die obere, in den Pol aus.
Der Gyrus temporalis inferior.
Die untere Schläfenwindung nimmt die unterste Partie der äusseren Oberfläche des Schläfenlappens ein und
erstreckt sich, über die Mantelkante hinaus, ein wenig auf die untere Fläche des Lappens hinüber.
Die sie medialwärts begrenzende untere Schläfenfurche, durch welche sie vom Gyrus fusiformis getrennt
wird, ist schon oben besprochen worden. Wie dort bemerkt wurde, ist diese Furche gewöhnlich in mehrere
einzelne Stücke zerlegt. Brüchenwindungen sind deshalb, besonders an dem vorderen und hinteren Umfang der
Furche, zwischen der unteren Schläfenwindung und dem Gyrus fusiformis vorhanden.
Das Verhalten der unteren Schläfenwindung zum Gyrus hippocampi ist ebenfalls schon oben geschildert
worden.
An dem Temporalpol läuft die Windung mit den beiden anderen Schläfenwindungen zusammen. In dieser
Weise entsteht an diesem Pole, ungefähr wie am Stirnpole, eine besondere Bindenoberfläche, welche zu keiner der
drei Schläfenwindungen gehört und offenbar als eine besondere WTinclung aufgeführt zu werden verdient. Am
Frontalpole bezeichnete Eberstaller die entsprechende Partie als »Anastomosis», offenbar deshalb, weil die Frontalwindungen
sich auf der Orbitalfläche fortsetzen. Hier liegt in dieser Hinsicht ein anderes Verhalten vor. Ich
Averde diese Polpartie des Temporallappens darum nicht als eine Anastomosis, sondern als eine besondere Windung
aufführen.
Der Gyrus temporalis polaris.
Dieser Gyrus ist durch die Fissura rhinica vom Gyrus hippocampi getrennt und nimmt den vorderen polaren
Umfang des Schläfenlappens ein; er stellt eine furchen- und windungslose, gewölbte Rindenpartie dar, welche
unter dem Truncus fissuraj Sylvii und dem mittleren Theil des hinteren Orbitalgebietes hervorschiesst. Nach
hinten hin nimmt er an seiner äusseren-unteren Seite die vorderen Enden der inneren Schläfenwindungen in sich
auf, so dass er gewissermassen als der Sammelpunkt mehrerer Windungen und der sie begrenzenden Furchen
betrachtet werden kann.
Wenn aber der eine oder andere der Sulci und Gyri temporales der äusseren Oberfläche den Pol nicht
erreicht, sondern von ihm durch eine getrennte Querfurche abgesondert ist, bildet diese Querfurche die hintere
äussere Begrenzung der temporalen Polarwindung; nach hinten von der Querfurche kann dann noch eine vertikal
gestellte Querwindung vorhanden sein, in welche die temporalen Längsfurchen und die temporalen Windungen
auslaufen. Diese hintere Querwindung werde ich, um für sie nicht den Namen »transversus» anzuwenden, der
schon für die heschl'schen Windungen annectirt worden ist, als Gyrus temporalis postpolaris bezeichnen.
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