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dem medialen, sich stark erhebenden Rande des Gyrus transversus primus eine wallartige Erhebung nach vorn
und dann nach innen hin aus, welche der Mantelkante ziemlich parallel folgt; bald ist aber dieser Wall abgeflacht
und verwischt. Wenn man ,von einem Gehirn das fronto-parietale Operculum abträgt (Fig. 4 der Taf. XCII),
so findet man in der That, dass diese medialwärts von dem erwähnten Walle belegene Partie der oberen Fläche
des Temporallappens der Insel direct anliegt, und zwar dem vorderen-unteren Theil des hinteren und dem unteren
Theil des vorderen Inselläppchens. Wenn man dann ein Gehirn, an dem von innen her die Insel abgetragen
worden ist, von der medialen Seite untersucht (Fig. 2 der Taf. XCII), so erkennt man, dass die Sylvische Spalte
den aus dessen verschiedenen Theilen zusammengesetzten Operculum-complex diagonal durchsetzt; die unter der
Diagonale belegene Partie gehört dem temporalen Operculum an. Diese Thatsache geht noch deutlicher aus der
Betrachtung eines Gehirns hervor, an welchem nur der Gyrus temporalis superior abgetragen worden ist (Fig.
3 der Taf. XCII).
Die insulare Abtheilung.
An dieser der Insel eng angelagerten Fläche trifft man Furchen und Windungen an, welche gewisser-
massen als eine vordere Fortsetzung der HEsCHi/schen Gyri transversi imponiren und deshalb auch von Schwalbe
als Gyri temporales transversi anteriores bezeichnet worden sind. Diese Furchen und Windungen stellen indessen
eine ganz andere Abtheilung dar, indem sie hauptsächlich den Windungen und Furchen der Insel angepasst sind.
Der Name »transversus» scheint mir auch hier nicht besonders glücklich gewählt zu sein, da diese Gebilde nach
vorn hin mehr sagittal gestellt sind. Da sie aber zu dem Gyrus temporalis superior selbst in der Quere geordnet
sind, lässt sich die Benennung gleichwohl rechtfertigen, warum ich keine neue vorschlagen werde. Die Windungen
und Furchen der hinteren Abtheilung sind dann als posteriores aufzuführen. Die Anzahl und die Gestalt der
vorderen Windungen und Furchen bieten keine ganz constanten Verhältnisse dar. In der Regel unterscheidet
man vier, bald aber auch drei oder fünf Windungen — man kann sie also als primus, secundus, tertius u. s. w.
bezeichnen —, welche nach aussen und vorn hin breiter werden und oft eine unebene, höckerige Beschaffenheit
darbieten. Auf den Tafeln LXXXIII—LXXXIX sind sie in ihren verschiedenen Variationen wiedergegeben.
Die hinteren dieser Windungen liegen innen der Insel, aussen dem Operculum frontale superius, die vorderen
dem orbitalen Operculum dicht an; aus diesem Grunde ist die Wechselung und v. A. die Unregelmässigkeit
der Gestalt leicht erklärlich.
Diese Windungen laufen nun nach vorne mit dem Gyrus temporalis polaris zusammen, welcher gewisser-
massen als eine Fortsetzung des Gyrus temporalis superior zu betrachten ist. Medialwärts wird die obere Temporalfläche
durch den unteren Arm des sogen. Sulcus circularis Reili von der Insel und weiter vorn durch die
Fissura rhinica von dem Rhinencephalon, resp. dem Gyrus olfactorius lateralis, abgegrenzt.
Der Lobus insularis.
Die seit Alters her als Insula Reili oder als Stammlappen bezeichnete Partie der Rindenfläche des Gehirns
bildet einen so scharf abgesetzten Lappen, dass kaum einer der übrigen Lobi des Gehirns für eine specielle Beschreibung
so geeignet ist wie dieser. Und doch hat es lange gedauert, bis man die Configuration der Insel nur
annähernd genau erkannt hat. Dazu hat wohl v. A. ihre tiefe, versteckte Lage beigetragen. Durch Henle und
Schwalbe, v. A. aber durch Guldberg, Eberstaller, Cunningham und Marchand wurde eine nähere Kenntniss
von dieser interessanten Rindenpartie theils angebahnt, theils vervollständigt.
Ich habe mich auch bemüht, den Insularlappen eingehender zu studiren und seine Verhältnisse zu den
umgebenden Theilen genauer festzustellen. Es lassen sich hierbei drei Untersuchungsmethoden wählen.
Die, welche gewöhnlich angewandt wird, ist die Blosslegung der Insel durch Abtrayen, d. h. Wegschneiden,
der Opercula am gehärteten Gehirn. Hierdurch bekommt man wohl eine gute Uebersicht über die Insula selbst.
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