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ihr Verhalten zu und ihr Zusammenhang mit den umgebenden Theilen aber lassen sich dadurch nicht gut
erledigen.
Am frischen Gehirn bekommt man dagegen durch Emporheben der Opercula eine Uebersicht sowohl über
die Insel, als die sie umgebenden Flächen. Es lässt sich ein solches Präparat aber auch recht gut in situ härten,
und es liegt mir jetzt eine ganze Reihe derartiger Präparate zur Durchmusterung vor.
Die dritte Methode ist die Untersuchung von Schnittserien des ganzen Gehirns, v. A. von frontal gelegten
Schnitten.
Die Entwicklung der Insula ist schon oben besprochen worden, daher ich hier direct zur Darstellung des
erwachsenen Zustandes übergehe.
Was die zuletzt erwähnte Methode der Untersuchung der Insula betrifft, so habe ich sie diesmal nur beiläufig
angewandt; ich verweise deshalb alleine auf die Fig. 1 und 2 der Taf. XLVIII, wo die Insula, in Fig. 1,
etwas hinter ihrer Mitte und, in Fig. 2, noch mehr nach hinten hin getroffen ist.
Nach der zweiten Methode ist das in Fig. 1 der Taf. XCII wiedergegebene Gehirn präparirt, Man sieht
hier die Insula nach Abtragung sämmtlicher Opercula blossgelegt.
Schliesslich sind in Fig. 2 der Taf. LI, Fig. 3 der Taf. XCIII und Fig. 1—4 der Taf. XCIV einige
meiner Präparate mit emporgehobenen und zurückgezogenen Opercula abgebildet.
Die Insel ist fast ringsum von einer tiefen Furche, der Bodenfurche der ursprünglichen Fossa Sylvii, umgeben
. Schwalbe hat diese Furche als Sulcus circularis insulce bezeichnet. Zwar ist sie nicht eigentlich circulär,
sondern vielmehr dreieckig, auch findet sich unten-vorn eine Oeffnung des Zirkels. Die aus anderen Gebieten
für die Anatomie geholten Bezeichnungen sind indessen nur selten adaaquat; deshalb werde ich diesen Namen behalten
, obwohl es nicht schwer wäre, einen etwas zutreffenderen zu finden. An dieser Zirkelfurche sind aber
einige besondere Abtheilungen zu unterscheiden: die Sulcus anterior, superior und inferior. Der Sulcus anterior
grenzt die Insel von dem Operculum orbitale, der Sulcus superior von dem Operculum fronto-parietale und
der Sulcus inferior von dem Operculum temporale ab. Diese Furchen, wie auch der ganze Sulcus circularis,
verlaufen nie geraden Wegs, sondern immer in winkligen, zickzackartigen Biegungen, indem sie zwischen den
Füssen der Windungen hinstreichen.
Seitdem Guldbehg und Ebekstaller darauf hingewiesen haben, dass an der Insel eine vordere und eine
hintere Abtheilung zu unterscheiden sind, welche durch eine stärkere, von unten-vorn nach oben-hinten verlaufende
Furche, den Sulcus centralis Guldberg's, von einander abgegrenzt sind, hat man sich allgemein einer
derartigen Anschauung angeschlossen. Ja man ist zuweilen so weit gegangen, dass man eine »Insula posterior»
von der »Insula anterior» unterscheidet. Falls man nun gerne die hintere Partie von der vorderen scharf scheiden
will, ist es wohl angemessener, hier, wie beim Parietallappen, zwei Inselläppchen zu statuiren, nämlich einen
Lobullis insulce anterior und einen Lobulus insulce 'posterior, welche Läppchen durch den Sulcus centralis von
einander getrennt werden. Ich werde diese Eintheilung amvenden.
Der Lobus insuke ist indessen nicht, wie er früher oft beschrieben wurde, nur von einer dreickigen Gestalt,
sondern es lassen sich an ihm auch drei Flächen nachweisen. Marchand1 hat dieses am genausten präcisirt.
An der menschlichen Insel», sagt er, »kann man drei Flächen unterscheiden, welche sich in dem Pol der Insel —
der Spitze der stumpfen dreiseitigen Pyramide vereinigen: eine untere (hintere), welche dem Operculum posterius
des Schläfenlappens anliegt, eine schräg nach aufwärts gerichtete obere, welche der überhängenden medialen Fläche
des Operculum superius und eine nach vorn geneigte vordere, welche dem Operculum anterius anliegt. Die
Configuration dieser Flächen hängt augenscheinlich zum Theil von der der gegenüberliegenden Opercula ab,
wovon man sich bereits beim foetalen Gehirn überzeugen kann, am deutlichsten an der oberen Fläche, welche
flache Vertiefungen und dazwischen leistenförmige Vorsprünge, genau entsprechend den Erhabenheiten und Furchen
der anliegenden Fläche des Operculum, erkennen lässt (besonders an dem gehärteten Gehirn).» »Ausser den
flachen Eindrücken», fügt er hinzu, »sind aber wirkliche Furchen zu unterscheiden.»
Wenn man an einem frischen Gehirn die Insel blosslegt, sinkt die Substanz mehr oder weniger ein, und
die drei Flächen gehen ohne Grenzen in einander über. An den mit ansitzenden Häuten gehärteten Gehirnen
erhält sich dagegen die natürliche Gestalt der Insel. Wenn man sie an solchen gehärteten Gehirnen entblösst,
findet man, dass sie in der That einer dreiseitigen Pyramide entspricht, deren Spitze stark nach aussen gerichtet
ist; die obere Fläche, welche die grösste ist, steht nach oben-aussen, die untere, kleinere nach unten-aussen und
1 Marchaxd, Die Morphologie des Stirnlappens und der Insel der Anthropomorphen, 1893.
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