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die vordere, ebenfalls kleinere, nach vorn-unten. Oft kann man noch eine kleine vierte Facette unterscheiden,
welche zwischen der unteren und der vorderen Flüche eingekeilt ist und stark nach unten und etwas nach
aussen zieht; sie entspricht ungefähr dem Linien insulce (Schwalbe); durch diese kleine Fläche würde also die
Pyramide »vierseitig» werden; dieselbe ist aber von so unbedeutender Grösse, dass sie nur als eine kleine Facette
betrachtet werden kann und am besten zu der unteren Fläche gerechnet wird, obwohl ihre Ebene in der Regel
von der der letzteren etwas abweicht. Die Spitze der Pyramide, die man den Inselpol genannt hat, ist nach
aussen und etwas nach vorn-unten gerichtet. Die vordere, die obere und die vordere-untere Fläche gehören vollständig
dem Lobulus anterior an; die hintere-untere wird von dem Lobulus posterior eingenommen.
Der Lobulus posterior insulae.
An dem Lobulus posterior, welcher durch den Sulcus (terminalis) inferior insulie von der oberen Fläche des
Schläfenlappens und nach vorn durch den Sulcus centralis insulaa von dem Lobulus anterior insuke getrennt ist,
unterscheidet man in der Regel zwei Windungen, welche constant durch eine lange, der Centraifurche parallele
Furche getrennt sein sollen. Es ist gerade diese letztere Furche, welche Marchand als die am ersten auftretende
und wichtigere betrachtet; er fügt aber selbst hinzu: »Beim Erwachsenen ist die Furche nicht selten undeutlicher,
abgeflacht, in anderen Fällen stark ausgeprägt, und bis in die Nähe der Inselschwelle reichend.»
Ich habe mich oben gegen Marciiand's Ansicht von der Bedeutung dieser Furche ausgesprochen, und zwar
erstens aus dem Grunde, dass die Furche sich beim Embryo in der Regel später und weniger stark entwickelt,
als der Sulcus centralis, und dass sie sich dabei oft nicht einheitlich, sondern aus getrennten Furchenstücken
ausbildet, obwohl zugegeben werden soll, dass es einzelne Fälle giebt, in welchen sie ebenso stark wie der Sulcus
centralis sein kann; zweitens aber auch deswegen, weil sie auch beim Erwachsenen in der Regel der Centraifurche
in der Ausbildung und Tiefe weit nachbleibt und ebenfalls in der Regel aus mehreren getrennten seichteren
Stücken besteht. Es kommen zwar eine Anzahl von Fällen vor, in welchen sie auch einheitlich und recht
stark ausgeprägt vorhanden ist; in den meisten Fällen aber ist sie aus zwei, drei oder auch vier getrennten,
sogar nicht einmal in einer Flucht belegenen Furchenstücken zusammengesetzt (Taf. LXXXVIII, Fig. 6 und 7; Taf.
LXXXIX, Fig. 1 und 2; Taf. XC, Fig. 2, 3 und 8; Taf. LI, Fig. 2 etc.), oder auch hat sie einen sehr gewundenen,
gezackten Verlauf; in anderen Fällen wird sie nur durch eine seichte Grube repräsentirt oder auch kann sie sogar
vollständig fehlen; endlich kommt es auch vor, dass statt einer Furche zwei parallelle Furchen vorhanden sind und
der Lobulus posterior also drei parallel verlaufende Windungen enthält.
Die fragliche Furche wird gewöhnlich im Verhältniss zum Sulcus centralis insulae als Sulcus postcentralis
insulce bezeichnet. Ich Averde diesen Namen lieber beibehalten, als den neuen Namen Marchand's »Sulcus lon-
gitudinalis insula?» aufnehmen.
Durch diesen Sulcus postcentralis wird also der Lobulus posterior in der Regel in zwei Windungen getheilt,
obwohl die sie trennende Furche oft aus so diskreten Elementen besteht, dass man lieber von drei schiefen, als
von zwei der Centraifurche parallelen Windungen reden kann (Fig. 8 der Taf. XC). Die vordere, zwischen der
Centraifurche und der Postcentraifurche belegene Windung wird Gyrus centralis posterior genannt; die hintere hat
Eberstaller als »Gyrus posterior secunclus» bezeichnet. Marchand hat die beiden Windungen »obere und untere
Längswindung der Insel» genannt. Wenn man nun, mit Recht, den Namen »centralis posterior» beibehält, so lässt
sich, da die Windungen offenbar sehr innig zusammengehören, diese Bezeichnung auf beide appliciren, und man
hat dann nur »anterior» und »posterior» oder »primus» und »secundus» hinzuzufügen. Da Eberstaller für die
hinterste Windung schon die Bezeichnung »secundus» gebraucht hat, werde ich sie auch anwenden und also die
vordere Windung »primus», die hintere »secundus» benennen; ich werde also von einem Gyrus centralis posterior
primus und einem Gyrus centralis posterior secundus sprechen.
Wenn wir nun nachsehen, wie sich diese Windungen oben und unten verhalten, so finden wir, dass sie
oben stets zu einer ziemlich breiten Partie verschmelzen, welche dem Gyrus transversus primus des parietalen
Operculums entspricht, indem derselbe, hinter diesen beiden insularen Windungen mit einer Spitze entspringend,
sich nach vorn über ihre Wurzel legt und also auch hier eine breite vordere Wurzel bekommt; in der Regel
lässt dieser Gyrus transversus primus jedoch nach oben eine kleine vordere Partie dieser Windungen übrig,
welche der Wurzel der hintersten Windung des frontalen Operculums entspricht. Zuweilen findet sich hier oben,
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