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wiegenden Theile nicht lappischer Herkunft war, wenn auch einzelne Schädel auf eine Verwandtschaft mit
einem lappischen, resp. finnischen Volke hinzudeuten scheinen. Beweise für ein sehr südliches Hinabdringen
der Lappen in Skandinavien in sehr früher Zeit und in grösserer Anzahl giebt es im Ganzen nicht. Es ist
vielmehr wahrscheinlicher, dass sie sich als Volk mit ihren Eennthieren stets nur in den eigentlichen Gebirgs-
regionen des Landes aufgehalten haben, obwohl sie in früheren Zeiten etwas südlicher als jetzt .herumgewandert
sind und vielleicht in vereinzelten Schaaren hin und wieder die südlicheren Gegenden besucht haben können.
Die sprachlich mit den Lappen verwandten Finnen, deren Ankunft in ihrer jetzigen Heimath an der
Ostsee und Ansiedelung in diesen Gegenden noch in mehreren Hinsichten dunkel geblieben ist — man kennt
weder sicher die Zeitperiode, wo dieses geschehen ist, wahrscheinlich jedoch im 7. oder 8. Jahrhunderte unserer
Zeitrechnung, und jedenfalls nach dem Anfang derselben, noch weiss man sicher, aus welchem Landgebiete
sie gezogen kamen sind offenbar theilweise von Nordost her über die nördlichen Gegenden Schwedens
allmählig in das Land eingewandert. Aber auch über die Ostsee kamen Verbindungen zwischen den Bevölkerungen
der schwedischen und der rinnischen Länder zu Stande, und zwar, wie die Funde von alten Geräth-
schaften und Waffen von skandinavischem Typus darthun, schon in dem Steinzeit-, dem Bronzezeit- und
dem Eisenzeitalter; in den ersten Perioden des Christenthums in Schweden machten schwedische Könige und
Heerführer über die Ostsee Einfälle in das südliche Finnland, um die finnischen Heiden zu taufen und das
Land zu erobern. Allmählig wurde Finnland hierdurch eine schwedische Provinz und blieb es, in etwas
grösserer oder geringerer Ausdehnung, bis es im J. 1809 mit Kussland vereinigt wurde. Während der langen
Periode, wo es unter der Botmässigkeit der schwedischen Könige stand, war die Verbindung zwischen den
Schweden und den Finnen eine sehr innige, und zwar sowohl im Frieden, als auch bei den gemeinsamen
Fehden, wo die finnischen Soldaten in den schwedischen Kriegsheeren, z. B. in den grossen continentalen
Kriegen, eine bedeutende Rolle spielten. Viele Schweden Hessen sich in Finnland nieder, und viele Finnen
siedelten nach Schweden über. Hierdurch entstand eine in Betreff der jetzigen anthropologischen Verhältnisse
der beiden Länder sehr zu beachtende Mischung der beiden verschiedenen Volkselemente. Ausserdem
ist aber noch ganz besonders hinzuzufügen, dass unter den schwedischen Königen im 16. u. 17. Jahrhundert
ganze Kolonien von Finnen nach den mittleren Theilen von Schweden übergeführt wurden. Schon
der König Gustaf I Vasa überliess Finnen im J. 1559 zur Ansiedelung die meisten Wälder im nördlichen
VärmJand, welche Ansiedelung erst durch die Bestimmung des Herzogs Carl im J. 1552, durch die eine
sechsjährige Steuerfreiheit und dann stetiges Besitzrecht gegen Steuer den in diesen Wäldern sich Ansiedelnden
vers]»rochen wurde, zur Ausführung kam; Herzog Carl liess nun aus Finnland eine Menge Colonisten einladen
, welche durch die inneren Streitigkeiten in ihrem Lande gezwungen waren, neue Bauplätze aufzusuchen;
der Tradition nach geschah diese Einwanderung hauptsächlich aus den Provinzen Savolaks und Karelen; auf
welchem Wege die Einwanderung geschah, ist nicht ganz klar; wahrscheinlich fand sie theils über die Ostsee
(Alands Meer), theils über Norrland statt. Die finnische Einwanderung setzte sich während der Regierungs-
periode Gustaf II. Adolphs und auch der zunächst folgenden Könige fort. Am Ende des 17. Jahrhunderts
landen sich überall in diesen Waldgebieten, von Ramsberg und Ludvika bis an die nordische Grenze Wärmlands
, Finnen angesiedelt, und auch so weit nach Süden wie in Langserud und Silbodal, bis an die nördlichen
Grenzen Dalslands, waren sie hier und da zu finden. Etwa um das J. 1600 wurde von ihnen die norwegische
Grenze überschritten, und dann breiteten sie sich bald gegen Norden nach Trysild und gegen Süden
nach Sitskogen in Höland aus; gegen Westen nahmen sie alle unbebauten Wälder bis an den Beina- und den
Dramsfluss ein. Bald traten aber zwischen den finnischen Colonisten und den schwedischen und norwegischen
Nachbarn feindliche Verhältnisse ein, und die finnische Bevölkerung wurde lange Zeit sehr verfolgt. Im letzt
verflossenen Jahrhundert wurden aber die Verhältnisse friedlicher, und jetzt sind die Finnen und die Schweden
so innio- mit einander vermischt, dass man nunmehr kaum oder wenigstens nur mit Schwierigkeit echt finnische
Volkselemente zu entdecken vermag. Als ich im J. 1874 diese Gegenden zusammen mit Dr Erik Nordenson
bereiste, und zwar gerade um die finnischen Elemente aufzuspüren, trafen wir in den entlegensten Ortern
und Dörfern nur ganz schwache und geringe Spuren der früheren finnischen Bevölkerung und ihrer alten
Kultur; einzelne, besonders ältere, Individuen konnten noch die finnische Sprache sprechen, und ihre Sitten
und Häuser hatten ein finnisches Gepräge; im Ganzen war aber die Mischung mit der umgebenden schwe-
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