Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., TF 2014/21
Retzius, Gustaf
Anthropologia Suecica: Beiträge zur Anthropologie der Schweden; nach den auf Veranstaltung der Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie in den Jahren 1897 und 1898 aufgeführten Erhebungen; mit 130 Tabellen, 14 Karten und 7 Proportionstafeln in Farbendruck, vielen Kurven und anderen Illustrationen
Stockholm, 1902
Seite: 29
(PDF, 50 MB)
Bibliographische Information
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Anatomische Literatur

  (z. B.: IV, 145, xii)



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Schliesslich hat J. Baeth !) eine genaue Untersuchung der alten norwegischen Schädel, v. A. derjenigen
aus der Vikingerzeit und dem Mittelalter ausgeführt und hinsichtlich dieser Schädel gezeigt, dass sie
sehr oft einen ausgeprägt dolichocephalen Typus (den Vikinger-Typus) darbieten, welcher als der urgermanische
betrachtet werden muss und in Norwegen noch sehr reichlich repräsentirt ist.

Was die Schädelformen unseres südlichen Nachbarlandes, Dänemark, betrifft, so ist dort noch keine
statistisch-anthropologische Untersuchung ausgeführt worden. Wie oben hervorgehoben wurde, hat Anders
Eetzius im Jahre 1856 u. A. geäussert, dass die Dänen, wie er bei Besichtigung einer grossen Anzahl von
Kranien und lebenden Individuen gefunden, ihre germanische dolichocephalische Schädelform sehr gut beibehalten
haben. Feed. Schmidt, welcher 27 und 56 (= 83) dänische Schädel untersuchte, fand als Mittelindex
dieser Serien resp. 74,4 und 75,i. E. Viechow äusserte im J. 1869 in Zusammenhang mit der Darstellung
seiner Befunde hinsichtlich der prähistorischen dänischen Schädel: »Im Allgemeinen habe ich den Eindruck
gewonnen, dass der neudänische Typus sich am meisten den Borreby-Schädeln annähert, also mesocephal mit
Neigung zur Brachycephalie ist, und ich möchte daher annehmen, dass in der That schon zur Steinzeit die
Ahnen der jetzigen Bevölkerung im Laude gewohnt haben. Nirgends ist in Europa eine solche Annahme
durch die geographischen und historischen Verhältnisse des Landes mehr gerechtfertigt.» In Betreff der prähistorischen
Schädel fand Yiechow bei den Steinzeitschädeln als Mittelzahl einen Längen-Breiten-Index von
77,3; im Uebrigen zeigten sie nicht unbedeutende Unterschiede, so dass eine ganze Gruppe mehr Neigung
zur Dolichocephalie, eine andere mehr zur Brachycephalie darbot. Die wenigen Bronzezeit- und Eisenzeitschädel
zeigten aber sämmtlich eine ausgeprägte Dolichocephalie.

Es ist sehr zu bedauern, dass seitdem keine ausführlichere Beschreibung der vielen in Dänemark eingesammelten
prähistorischen Schädel und keine statistisch-anthropologische Untersuchung des dänischen Volkes
stattgefunden hat. Für den Vergleich mit den anthropologischen Verhältnissen in Schweden und Norwegen
würde es nämlich von grossem Interesse sein, die entsprechenden Verhältnisse in Dänemark kennen zu lernen.

Aus den hier oben zusammengestellten Daten und Ansichten der verschiedenen Forscher, welche die
Probleme der physischen Anthropologie der Schweden und der skandinavischen Völker im Allgemeinen mehr
oder weniger eingehend behandelt haben, geht im Ganzen hervor, dass diese Völker als dolichoceplial und als
von echt germanischem Stamme herrührend betrachtet worden sind.

Hierbei entsteht aber wiederum die alte Frage: Welcher ist eigentlich der germanische Stamm?

In meinem Werke Crania suecica antiqua habe ich diese Frage etwas näher besprochen, daher ich
mich hier darauf beschränken werde, zu betonen, dass sich die Forscher in dieser Hinsicht im Allgemeinen
dahin geeinigt haben, als in anthropologischem Sinne »germanisch» die Theile der arischen Easse zu bezeichnen
, welche, wenigstens so weit wie die Geschichte reicht, im nördlichen Europa gewohnt haben, dolichoceplial
(resp. mesocephal) und orthognath sind und eine hohe Statur, helle Augen, helle Haut und blondes
Haar besitzen. Dass dieser nordeuropäische arisch-germanische Stamm früher tiefer hinab in Europa gewohnt
hat, zeigen die Eeihengräber im südlichen Deutschland, in welchen Schädel von ganz ähnlicher, dolichocephaler
Form, wie die der jetzigen echten Germanen, in relativ grosser Anzahl gefunden worden sind. Diese Germanen
des südlichen Deutschlands sind aber schon längst allmählig von einer brachycephalen, schwarzhaarigen, braunäugigen
und brünetteren Easse von kleinerer Statur so verdrängt worden, dass nur ein geringerer Theil der
]etzigen Bevölkerung echt germanischen Stammes ist und im Allgemeinen meistens nur in Mischformen vorkommt
. Eine ähnliche Verdrängung der alten Germanen scheint zum grossen Theil auch im mittleren und
nördlichen Deutschland stattgefunden zu haben, wo leider bisher keine ausführlichen statistisch-anthropologischen
Untersuchungen über den Kopfindex ausgeführt worden sind. Auch im östlichen Europa scheint eine
ähnliche Verdrängung einer älteren dolichocephalen Bevölkerung durch eine brachycephale stattgefunden zu

x) Justus Barth. Xorronaskaller, Crania antiqua in parte orientali Xorvegise meridionalis inventa, Christiania, 1896.


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