Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., TF 2014/21
Retzius, Gustaf
Anthropologia Suecica: Beiträge zur Anthropologie der Schweden; nach den auf Veranstaltung der Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie in den Jahren 1897 und 1898 aufgeführten Erhebungen; mit 130 Tabellen, 14 Karten und 7 Proportionstafeln in Farbendruck, vielen Kurven und anderen Illustrationen
Stockholm, 1902
Seite: 60
(PDF, 50 MB)
Bibliographische Information
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Anatomische Literatur

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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welche Bohuslän eingeschoben ist, sowie dass erst danach Dalsland, Västergötland u. s. w. kommen. Ganz
merkwürdig ist es auch, dass eine so echt germanische Bevölkerimg wie die von Södermanland nur 61,1 %
Grosse darbietet und dass die von Dalarne (58,4 %) eine kleinere Prozentzahl als die von ganz Schweden-
(59,2 %) aufweist. Ferner ist es von ganz besonderem Interesse zu constatiren, dass unsere wohlhabendsten
Provinzen, Skäne und Ostergötland, eine noch geringere Prozentzahl von Grossen, resp. 55,:} % und 55,o .%",
besitzen. Dagegen ist es im Zusammenhang mit den übrigen anthropologischen Charakteren verständlich,
dass Västerbotten und Lappland so niedrige Zahlen (54,c % und 46,o %) darbieten.

Was im Ganzen die Ursachen der Verschiedenheit in der mittleren Körpergrösse und der Anzahl der
Grossen in den einzelnen Landschaften betrifft, so lässt sich, wie schon oben hervorgehoben wurde, auf dem
jetzigen Standpunkt unserer Kenntniss darüber kaum etwas Sicheres eruiren. Nur so viel ist zu bemerken,
dass im nördlichen Schweden die dort lebenden zahlreichen Finnen und, in kleinerem Masse, die Lappen,
welche beide von geringerer mittlerer Körpergrösse als die eigentlichen Schweden sind, zu einer Senkung der
fraglichen Mittelzahl beigetragen haben. Welche Einflüsse aber im südlichsten Schweden, Skäne, Hailand
und Blekinge, ebenso in Ostergötland und Västmanland, eine solche Senkung bewirkt haben, ist recht schwer
zu verstehen. Zwar sind fremde Elemente, v. A. aus Dänemark und Deutschland, eingewandert; dies reicht
aber keineswegs hin, den fraglichen Unterschied zu erklären, um so weniger, als wir die mittlere Grösse
der Dänen und der Norddeutschen noch nicht durch ausgedehnte statistische anthropologische Messungen
genauer kennen.

Ebenso wenig geben die Naturverhältnisse eine Erklärung. Man findet ja, wie die Karten und
Tabellen zeigen, dass einerseits an einander grenzende Gebirgsgegenden, andererseits auch Landschaften, welche
eben und bebaut sind, verschiedene Mittelzahlen der Körpergrösse darbieten. Härjedalen, Hülsingland, Bohuslän
und Gottland haben alle eine Mittelzahl von mehr als 172 Cm., Jämtland, Ängermanland, Medelpad,
Grästrikland, Dalsland, Västergötland, Södermanland und Oland von mehr als 171. Cm.; alle übrigen Landschaften
aber (abgesehen von Lappland mit 169 Cm.), zeigen eine Mittelzahl von etwas mehr als 170 Cm.
— also ein ganz buntes Grewirr von ebeneren und gebirgigen Gegenden. Auf die Körpergrösse der Schweden
scheint die Natnrbescliafienheit der verschiedenen Landschaften • - die Höhe über dem Meere, die Küsten- oder
Binnenlandnatur u. s. w. keinen Einfluss ausgeübt zu haben.

Ebensowenig scheint die verschiedene Beschäftigung der Bevölkerung A'erschiedenheiten in der Körpergrösse
hervorgerufen zu haben. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Einwirkung der Vermögens- und
der Lebensverhältnisse. Wir rinden in den ärmeren Provinzen Härjedalen und Hülsingland, eine höhere
Mittelzahl der Körpergrösse, als die viel wohlhabenderen Provinzen Ostergötland und Skäne darbieten u. s. w.
Auch mag darauf hingewiesen werden, dass die ärmere Bevölkerung Smälands eine höhere Mittelzahl darbietet,
als die wohlhabendere von Ostergötland und Skäne. Diese Befunde scheinen gegen die Annahme zu sprechen
, dass die Körpergrösse bei besseren Lebensverhältnissen zunimmt; zwar ist wohl ein Einfluss derselben
auf die Avachsende Jugend nicht auszuschliessen, auf erwachsene oder beinahe erwachsene Männer, d. h. auf
die schliessliche Zahl der Körpergrösse, scheinen sie aber nicht wesentlich einzuwirken. Es ist dies von
bedeutendem Interesse, und zwar sowohl im Allgemeinen, als auch besonders mit Hinsicht auf die neueren
anthropometrischen Befunde, nach welchen man in den letzteren Jahren in Schweden und anderswo eine
Zunahme der Körpergrösse gefunden zu haben glaubt, die man den verbesserten Lebensumständen zuschreibt.

Bis auf Weiteres dürfte man sich aber darauf beschränken müssen, anzunehmen, dass jedenfalls die
Rassencharaktere für die verschiedene Körpergrösse das wesentlich bestimmende sind, dass die Umgebungen,
die Naturbeschaffenheit des Landes u. s. w. dagegen auf dieselbe kaum einen Einfluss haben. Ob nun auch
die besseren oder schlechteren Lebensverhältnisse, v. A. die Nahrung, auf die schliessliche Körpergrösse - d.
h. auf die der erwachsenen Individuen, und nicht nur auf die wachsende Jugend, die dadurch schneller wächst
und früher die Normalgrösse erreicht - - Einfluss haben, muss bis auf Weiteres als eine offene Frage betrachtet,
werden. Vor Allem wäre es von besonderem Interesse zu erfahren, ob Avährend einer längeren Periode die
schwedische Bevölkerung in dieser Hinsicht Veränderungen erlitten hat. Durch die Untersuchung einer
grösseren Anzahl von Skelettknochen aus den verschiedenen historischen und prähistorischen Perioden liesse
sich wohl eruiren, ob in der Grösse der Bevölkerung grössere Veränderungen eingetreten sind. Leider ist


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