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IV.
Die Gestalt des Kopfes bei den Schweden.
Von
GUSTAF RETZIUS.
In der ersten, geschichtlichen Abtheilung — der Einleitung — dieses Werkes ist schon angegeben
worden, was man bisher hinsichtlich der Kopfform des schwedischen Volkes gewusst hat.
Die bisherige Kenntniss der betreffenden Verhältnisse besteht, wie dort etwas ausführlicher angeführt
worden ist, aus den ÄVcmie^-Messungen und Beschreibungen, welche in der Mitte des verflossenen Jahrhunderts
(1840—1860) in erster Linie von Anders Retzius ausgeführt wurden. An diese Untersuchungen
reihten sich die kurzen Angaben Gr. von Düben's über seine Kranienmessungen, welche sonst leider nicht
veröffentlicht wurden. Endlich sind auch mehrere Ergebnisse von Untersuchungen alter schwedischer Schädel
mitgetheilt worden, und zwar theils von Sven Nilsson, Anders Retzius, N. Gr. Brüzelius, Gr. von Düben,
Gustaf Retzius und Edvard Clason, von denen sich die des letztgenannten Forschers auf Schädel nicht nur
der ältesten Perioden, sondern auch des Mittelalters und der späteren historischen Zeit erstrecken.
Anders Retzius stellte zuerst fest, dass die Schädelform der Schweden dolichocephal ist, und zwar mit
einem mittleren Längen-Breiten-Index von 77,3, dass sie also der mesocephalen Abtheilung der Dolicho-
caphalie angehört. Dieser Index ging aus der directen Messung von fünf von ihm als typisch ausgewählten
Schädeln (4 männl., 1 weibl.) hervor; er betont aber, dass er ausserdem zugleich eine Nachprüfung an einer
grösseren Anzahl von Schädeln ausgeführt und dabei ausgeschieden hat, was nicht constant oder allgemein ist.
Gr. von Düben fand bei den jetzt lebenden Schweden einen mittleren Längen-Breiten-Index von 77,87
und bei 12 Steinaltersschädeln von 73,i; bei einer späteren Gelegenheit (1874) gab er diesen Index bei den
Männern der jetzigen Schweden zu 76,73 und den Frauen zu 77,ss an.
Edvard Clason, welcher (1897) die ovale (mesocephale) Schädelform von der elliptischen (dolichoce-
phalen) unterschied, fand bei den ovalen Schädeln folgenden mittleren Index: bei Schädeln aus dem Steinzeit-
alter 75,o, aus dem Mittelalter und der späteren historischen Zeit 74,7 — 76,7 und aus der jetzigen Zeit 77,3;
bei den elliptischen aber respective 71,i, 71,2—73,9 und 75,4; er meint, dass in Schweden sowohl die Meso-
cephalie, als die Dolichocephalie allmählig abgenommen hat.
In meiner Arbeit über die Crania suecica antiqua (1899 und 1900) zeigte ich, dass die bei weitem
überwiegende Anzahl der Schädel aus den drei heidnischen Perioden echt dolichocephal oder meso-dolicho-
cephal ist und dass nur wenige dieser Schädel der Brachvcephalie angehören.
Eine Massenuntersuchung, eine statistische Erhebung, welche sich über die heutige Bevölkerung der
verschiedenen Landestheile Schwedens erstreckte und den Kranialindex betraf, Avurde indessen bekanntlich
erst in den J. 1897 und 1898 ausgeführt.
In einem kurzen vorläufigen Bericht über diese statistisch-anthropologischen Erhebungen aus den J.
1897 und 1898 tkeilte ich im J. 1899 mit, dass aus ihnen hervorzugehen scheint, wie noch in unserer Zeit
die Dolichocephalie in einem höchst bedeutenden Grade überwiegt, obwohl das Verhältniss in den verschiedenen
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