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Celitrum mit der Immigration der Vallonen in Verbindung zu setzen ist, scheint wohl berechtigt zu sein.
Wovon aber die bedeutende Anzahl der Brachycephalen an der Ostküste herrührt, ist dagegen schwerer zu
o
verstehen. Indessen hat man darauf hingewiesen, dass gerade an dieser Küste der nächste Weg über Alands
Meer nach Finnland seit alten Zeiten gelegen ist, und dass es nahe liegt anzunehmen, dass schon seit lange
her auf diesem Wege Finnen nach Schweden eingewandert sind. Diese Erklärung hat viel Ansprechendes.
In der That sollen noch Spuren finnischer Colonisation in Uppland zu finden sein; sogar finnische Ortsnamen
sind dort nachgewiesen. Doctor Erik Dahlgeen weist ferner auf den stattgefundenen Verkehr von Landarbeitern
aus Livland und die nicht seltenen Besuche estländischer Bauer in Boslagen hin. Der Verkehr zwischen
der Bevölkerung der Ostküste der Ostsee und der schwedischen Küsten, namentlich der Küste von Uppland
und Södermanland, ist wahrscheinlich schon seit lange her ein ziemlich reger gewesen.
Es ist deshalb recht möglich, und sogar wahrscheinlich, dass die hohe Prozentzahl der Brachycephalen
in Uppland in zweierlei Weise zu deuten ist; die Brachycephalen Upplands stammen demnach der Hauptmasse
nach aus zwei ganz verschiedenen ethnischen Quellen, nämlich aus Belgien und aus Finnland; die
Belgier (Vallonen) sind wesentlich im 16. und 17. Jahrhundert immigrirt; die Finnen haben wahrscheinlich
noch früher, unter dem ziemlich lebhaften Verkehr mit Schweden, begonnen, in unseres Land, und nicht
am wenigsten in die Provinz Uppland, einzuwandern, und haben lange, bis in die neuere Zeit, damit fortgesetzt.
Weitere Specialuntersuchungen werden hoffentlich einmal über diese interessanten Bevölkerungsfragen
ein vermehrtes Licht werfen können.
AVas die Provinz Smäland betrifft, wünschten wir zu ermitteln, ob etwa die Bevölkerung der Küstengegend
in anthropologischer Hinsicht Verschiedenheiten von derjenigen des Binnenlandes darbietet. Wir
haben deshalb die betreffenden Verhältnisse in Kalmar Län und in Kronobergs Län zusammen mit Jon-
köpings Län besonders untersucht, und zwar mit Bezug auf die Prozentzahl der echten Dolichocephalen, der
Mesocephalen und der Brachycephalen. Es erwies sich, class sich die fragliche Prozentzahl folgendermas-
sen verhielt:
In Kalmar.................................Län 23 % echte Dolichoc, 60 %" Mesoc, 16,4 % Brachyc.
» Kronobergs und Jönköpings » 26,7 » » » 57,9 » » 15,4 » »
Also fanden sich im Ganzen in der Küstengegend, Kalmar Län, 83 % Dolichocephalen und 16,4 %
Brachycephalen. In den anderen beiden Läne, welche das Binnenland repräsentiren, beliefen sich die Dolichocephalen
auf 84,6 % und die Brachycephalen auf 15,4 %. Der Unterschied ist demnach nicht auffallend,
indem sich in dem Küstenland die Brachycephalie nur 1 % höher als in dem Binnenland zeigte. Es ist aber
hierbei auch zu bemerken, dass sich in dem Küstenland die Prozentzahl der echten Dolichocephalen auf 3,7 %
weniger als im Binnenland belief , und sich demnach die Mesocephalie im Küstenland ebenso viel höher zeigte.
Also scheint im Küstenland eine gewisse Tendenz zur höheren Brachycephalie vorzuliegen, was vielleicht durch
eine seit alter Zeit stattgefundene stärkere Immigration fremder (deutsch-slavischer) Elemente in der Küstengegend
, v. A. in den Städten derselben, zu erklären ist.
Eine entsprechende Untersuchung haben wir auch hinsichtlich der Bevölkerung von Västergötland ausgeführt
, gerade um zu erfahren, ob die Küstengegend (der Göteborg'sehe und der angrenzende Bohuslän'sche
Theil von der Provinz Västergötland) von der übrigen Provinz anthropologische Verschiedenheiten darbietet.
Es zeigte sich bei der Untersuchung des Schädelindex, dass die genannte Küstengegend, der Göteborg—
Bohuslän'sche Theil, folgende Prozentzahlen aufwies:
32,7 % e. Dolichoc, 57,o % Mesoc, 10,3 % Brachyc, wührend das Binnenland, Skaraborgs und Elfsborgs
Län, folgende Zahlen darbot: 30,3 % e. Dolichoc, 58,i % Mesoc, 11,6 % Brachyc.
Die Brachycephalie scheint zwar in der Küstengegend eine etwas geringere Prozentzahl zu zeigen; die
Differenz ist aber zu klein, um aus diesem Verhältniss wirkliche Schlüsse ziehen zu können; indessen
ist zu bemerken, dass gleichzeitig damit die echte Dolichocephalie eine mehr als zwei Prozent (2,4 %) höhere
Zahl darbot.
Die dritte Gegend, wo wir eine Specialuntersuchung ausführten, war die nördliche Provinz Västerbotten.
Diese Provinz theilten wir quer über in zwei Theile, Västerbotten und Xorrbotten, wie es in dem vom Sta-
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