http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1902/0145
117 —
3. Die Gesichtsform.
Tab. XXXIII—XXXVII.
Zu den wichtigeren anthropologischen Merkmalen gehört gewiss die Form des Gesichtes, und zwar
vor Allem die Gesammtform desselben. Hierbei sind sowohl die Verschiedenheiten in dem Hervorragen der
Kieferpartien (Prognathie und Orthognathie), als diejenigen in der Höhe und Breite der Gesichtstheile zu.
berücksichtigen. Aber auch die Form, die Grösse und die Stellung der einzelnen Gresichtstheile, — der Stirn,
der Augenspalten, der Nase, des Mundes, des Kinns — sind Charaktere, die von Belang sein können. Diese
letzteren Charaktere, obwohl theilweise von recht grossem Interesse, sind aber durch Masse recht schwer festzustellen
; jedenfalls lassen sie sich bei einer derartigen statistischen Massenuntersuchung wie der hier bei
uns ausgeführten kaum mit Frfolg ermitteln.
Was das Hervorragen der Kieferpartien betrifft, so wäre es in diesem Falle von keinem besonderen
Vortheil gewesen, dasselbe zu erforschen. Die schwedische Bevölkerung gehört ja, wie die Europäer im
Allgemeinen, den Orthognathen an, und die eigentliche, ausgesprochene Prognathie ist, wenn sie bei ihr vorkommt
, im Ganzen als eine nur seltene Ausnahme zu betrachten. Dies gilt auch hinsichtlich der zuweilen
vorkommenden schiefen Stellung der Augenspalten.
Dagegen entschlossen wir uns bei der Planirung dieser Erhebungen die Gestalt des Gesichtes nicht
ausser Acht zu lassen. Es galt dabei v. A. zu eruiren, in wie weit die ovale oder die runde Gesichtsform
bei den Schweden überwiegt. Mir schien es aber dabei auch wichtig zu sein, die Höhe und die Breite des
Gesichtes .durch Masse festzustellen. Bei den von mir selbst ausgeführten Erhebungen in den Provinzen
1 >alarne und Västmanland habe ich deshalb die Jochbogenbreite und die Gesichtshöhe (von der Nasenwurzel
bis zum Kinn) gemessen. Die übrigen Untersucher haben dagegen leider, wie schon oben erwähnt ist, in
Folge der Instruction und der Tabellenblanketten, keine Masse, sondern nur ihre Ansicht von der ovalen oder
runden Form des Gesichtes in den Tabellen angeführt. Es können zwar diese letzteren Angaben auch von
einem gewissen Werth sein. Da aber an diesen Erhebungen so viele Untersucher betheiligt waren, lässt es
sich kaum hoffen, dass ihre Beurtheilung nach ganz denselben Prinzipien geschah. In dieser Weise ausgeführt
, enthalten deshalb die fraglichen Angaben recht viel Subjectives. Indessen ist es von Interesse, die
Tabellen der beiden Contingente (für 1897 und 1898) zu vergleichen; im Ganzen sind die Ergebnisse derselben
auch in den Details von einander nicht viel abweichend. Ich glaube deshalb, dass man auch diese
subjectiven Angaben benutzen kann. Wie schon oben erwähnt wurde, beziehen sich dieselben auf das Gesicht
und die Stirn als ein Ganzes.
Die Tabelle XXXIII (s. 120) enthält eine Zusammenstellung dieser Angaben hinsichtlich der Bevölkerung
der einzelnen Provinzen und <ranz Schwedens.
Von 42,113 untersuchten Individuen wurde nur bei 8,430 die runde und bei 33,683 die ovale Gesichtsform
angetroffen; im Ganzen fand sich also die runde Form nur bei etwa einem Fünftel der Gesammtzahl.
W enn man nun die Verhältnisse in den verschiedenen Provinzen betrachtet, so findet man zwar im
Allgemeinen die ovale Form weit überwiegend, aber in sehr verschiedenem Grade. Wenn man von den kleinen
Contingenten (Härjedalen, Lappland etc.), wo keine weiteren Schlüsse gezogen werden können, absieht, so
findet man aber auch bei den grösseren recht sonderbare Verhältnisse; so z. B. in Västerbotten unter 2,060
Indiv. nur 224 und in Värmland unter 3,223 Ind. nur 486 mit rundem Gesicht, Dassen sind in Skäne
unter 5,723 Ind. nicht weniger als 2,370 mit rundem Gesicht angetroffen worden. Dass hierbei die subjec-
tive Auffassung der verschiedenen Untersucher mit in Eechnung zu bringen ist, erscheint mir als selbstredend.
Jedenfalls dürfte aber doch eine bestimmte Verschiedenheit in den Bevölkerungen der einzelnen Provinzen
bis auf Weiteres nicht auszuschliessen sein. Es würde deshalb von Interesse sein, in dieser Hinsicht eine Nachuntersuchung
auszuführen, wobei möglichst exacte Masse zu nehmen und nicht nur subjective Ansichten aufzu-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1902/0145